Handbuch zur Gemeinwohl-Bilanz (Version 4.1)
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Wie wird eine Genossenschaft unter dem Gesichtspunkt der gemeinwohlorientierten Unternehmensfinanzierung<br />
beurteilt?<br />
Die Genossenschaft hat ihren Ursprung im Gedanken der Selbsthilfe. Wirtschaftlich<br />
Schwache vereinigen sich <strong>zur</strong> gemeinsamen Erfüllung eines bestimmten Zwecks. Im<br />
Modell der <strong>Gemeinwohl</strong>-Ökonomie stellt dies eine willkommene Form der direkten Unternehmensfinanzierung<br />
dar. Sofern es die Satzung nicht anders vorsieht, sind alle Mitglieder<br />
der Genossenschaft gleichberechtigt. Sie haben unabhängig von der Höhe des<br />
Geschäftsanteils eine Stimme.<br />
Ein Blick auf die Unternehmenslandschaft zeigt, dass in Österreich lediglich 0,2 % der<br />
Unternehmen in der Rechtsform einer Genossenschaft organisiert sind. Den Großteil machen<br />
Einzelunternehmen (72 %) und GmbHs (19 %) aus. 8<br />
Im Gegensatz zu einer GmbH oder Aktiengesellschaft kennt die Genossenschaft keine<br />
Stammkapitalvorschriften. Die Kapitalaufbringung erfolgt im Zuge der Übernahme von<br />
Geschäftsanteilen durch die Mitglieder der Genossenschaft. Eine Veräußerung des Anteils<br />
ist nicht möglich. Die Mitgliedschaft erlischt durch Austritt unter Rückzahlung des<br />
Anteils. Die Tatsache, dass Genossenschaftsanteile nicht handelbar sind, ist positiv zu<br />
bewerten, weil dadurch ein personalistisches (und kein kapitalistisches) Element in den<br />
Vordergrund tritt.<br />
Ein weiteres – soziales – Merkmal der Genossenschaft ist der Förderauftrag. Daraus ist<br />
abzuleiten, dass die Genossenschaft nicht in erster Linie auf Gewinnerzielung ausgerichtet<br />
ist. Gewinnstreben ist nicht Hauptzweck, sondern ein (wichtiger) Nebenzweck. Insgesamt<br />
ist auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Gewinnerzielung und Förderung der<br />
Mitglieder zu achten. Überschüsse können an Mitglieder jährlich rückvergütet werden.<br />
Die Rechtsform eines Unternehmens ist nicht ausschlaggebend für eine bestimmte Anzahl<br />
an <strong>Gemeinwohl</strong>-Punkten. Tendenziell wird sie positiv bewertet.<br />
Kann eine Genossenschaft das Eigenkapital durch KundInnen/MitarbeiterInnen erhöhen?<br />
Zunächst kennt die Genossenschaft kein gesetzlich vorgeschriebenes Stamm- oder<br />
Grundkapital. Sohin fehlen gesetzliche Vorschriften <strong>zur</strong> Kapitalerhöhung und es gelten<br />
die Regeln aus der Satzung der Genossenschaft. Diese müssen die Nachschusspflicht<br />
vorsehen.<br />
Ferner kann jede Genossenschaft ihre Anteile an Kunden und Mitarbeiter verkaufen und<br />
damit die Eigenkapitalquote erhöhen. Je vertrauenswürdiger ein Unternehmen ist, je sinnstiftender<br />
die Produkte und Dienstleistungen sind (vgl. E2), desto höher ist die Wahrscheinlichkeit,<br />
dass KundInnen und MitarbeiterInnen Genossenschaftsanteile übernehmen<br />
und sich aktiv am Unternehmen beteiligen.<br />
8 http://portal.wko.at<br />
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