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Broschüre Teil 2 herunterladen - Geschichtswerkstatt Europa

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AUF KATHOLISCH ERINNERN?<br />

31<br />

dort stehen muss.“<br />

Während wir vor dem Denkmal standen,<br />

haben wir unter einander feststellen können,<br />

dass jedem von uns unterschiedlichste Fragen<br />

in Bezug auf den Inhalt dieser Aussage<br />

sowie die Art und Weise dieses Kreuzes<br />

durch den Kopf gegangen sind. Es begann<br />

daher nicht nur eine Diskussion über das<br />

lateinische Kreuz und den Altar als solches,<br />

sondern auch über die Personen, denen das<br />

Denkmal letztendlich gewidmet worden ist,<br />

<br />

der katholischen Kirche auf die Konzeption<br />

und Form dieses Ortes. Außerdem wurde<br />

überlegt, welche Möglichkeiten der Erinnerung<br />

an Deportationen in Russland in Frage<br />

kommen könnten. Es war nicht verständlich,<br />

warum insbesondere das Kreuz<br />

gewählt worden ist. Gab es denn nicht genug<br />

andere Gedenksymbole, die Verwendung<br />

<br />

rtieren andere religiöse Minderheiten nicht<br />

berücksichtig worden sind, kann man die<br />

Meinung vertreten, dass das Denkmal nicht<br />

auf demokratischen Prinzipien beruht.<br />

Auch wenn das Monument aufgrund seines<br />

Aussehens also dafür prädestiniert zu sein<br />

scheint, eine öffentliche Debatte auslösen<br />

zu können (ein positiver Effekt), darf man<br />

an dieser Stelle dennoch die folgenden zwei<br />

Kategorien nicht miteinander vermischen<br />

<br />

einen das polnische, nationale Element; zum<br />

anderen das religiöse, katholische Element.<br />

Berücksichtigt man diese Unterscheidung,<br />

erscheint dieser Erinnerungsort als ein<br />

nationales Gedenksymbol, an dem allen<br />

Deportierten des Vielvökerstaats gedacht<br />

werden soll. Neben den Katholiken gehören<br />

dazu auch Juden, Orthodoxe, Protestanten,<br />

Zeugen Jehovas, Atheisten sowie<br />

alle anderen, die vor dem Zweiten Weltkrieg<br />

innerhalb der Landesgrenzen der II Republik<br />

Polens als polnische Staatsbürger<br />

gelebt haben und die während der Zeit des<br />

Stalinismus nach Sibirien deportiert wurden.<br />

Von nun an soll es geprüft werden, inwiefern<br />

das Denkmal für die Sibirienverschleppten<br />

ein Beweis für die Monopolstellung der<br />

katholischen Kirche auf die öffentliche Erinnerung<br />

ist. Nach reichlicher Überlegung<br />

sind mir dabei vor allem folgende zwei<br />

Dinge bewusst geworden: für die meisten<br />

Polen ist ein Denkmal mit einem Kreuz<br />

sowie Altar keine Angelegenheit, die sofort<br />

zu Kontroversen führen würde. Zum<br />

zweiten hat sich letztendlich der Bund<br />

selbst für ein so eindeutiges katholisches<br />

Erinnerungssymbol entschieden.<br />

Im Folgenden möchte ich auf beide<br />

Punkte nochmals näher eingehen und die<br />

oben genannten Hypothesen prüfen:<br />

1) Die Kirche - Katholizismus – die Polen<br />

Der Katholizismus gilt heutzutage<br />

immer noch als Glaube der Nation. Am<br />

Sonntag sind die Kirchen bis auf den<br />

letzten Platz gefüllt. Die hohe Autorität<br />

des Priesters Kraft seines Amtes ist somit<br />

auf der ganzen Welt praktisch einzigartig.<br />

Entsprechend könnte man also vermuten,<br />

<br />

Polen untrennbar miteinander verknüpft<br />

sind. Fast jede politische Krise in Polen hat<br />

daher zum erneuten Autoritätsgewinn der<br />

Kirche beigetragen. Die Verschmelzung des<br />

Polentums mit dem Katholizismus und die<br />

daraus resultierende Fusion der Kirche mit<br />

dem Staat hat langfristig die gnostischen<br />

Visionen weiter vorangetrieben: in diesem<br />

Sinne war die polnische Bevölkerung<br />

offensichtlich gut und die Besatzer schlecht<br />

– nicht nur politisch, sondern auch sakral.<br />

Die polnische Nation als Christus aller<br />

Länder hat also stets gegen den Antichrist<br />

– dem Zar, dem Dritten Reich, dem<br />

Kommunismus, den Sowjets oder der<br />

Volksrepublik, kämpfen müssen. Mit Hilfe<br />

des polnischen Katholizismus wurde dieser<br />

Kampf entsprechend sakralisiert.<br />

Obwohl die Kirche in Zeiten des<br />

stalinistischen Terrors, während des Zweiten<br />

Weltkrieges oder in der Nachkriegszeit vielen<br />

Unterdrückungen ausgesetzt war, konnte<br />

sie stets jede Bedrohung überstehen. Zielte<br />

die Kirchenpolitik der Nationalsozialisten<br />

auf eine totale Vernichtung der polnischen<br />

Religionsgemeinschaften bzw. versuchte<br />

die kommunistische, polnische Regierung<br />

nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs<br />

die katholische Kirche aus dem gesamten<br />

politischen und öffentlichen Leben zu<br />

verdrängen, führte im Oktober 1978 die<br />

Wahl des Krakauer Kardinalerzbischofs<br />

Karol Wojtyla, dem zukünftigen Papst<br />

Denkmal zur<br />

Erinnerung an die<br />

Opfer der politischen<br />

Repressionen in Perm

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