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Begleitbericht zum Vorentwurf für eine Schweizerische ... - EJPD

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32<br />

Gesetzmässigkeit. Die Strafjustiz kann allein in der in diesem Gesetz vorgesehenen Weise<br />

und vor allem nur in diesen gesetzlichen Verfahrensformen ausgeübt werden. Von ihnen kann<br />

nicht abgewichen werden; es gilt insoweit der Grundsatz der Formstrenge.<br />

212 Grundsätze des Strafverfahrensrechts (2. Kapitel; Art. 3-12 VE)<br />

Das Strafverfahrensrecht wird von <strong>eine</strong>r Reihe von Grundsätzen beherrscht. Diese auferlegen<br />

<strong>eine</strong>rseits den Strafbehörden gewisse Pflichten, die bei der Ausübung der Strafjustiz als<br />

fundamental betrachtet werden. Anderseits sichern sie den privaten Verfahrensbeteiligten, vor<br />

allem den Beschuldigten, massgebliche Rechte zu. Diese fundamentalen Prinzipien des<br />

Strafverfahrensrechts finden sich zu <strong>eine</strong>m wesentlichen Teil im übergeordneten Recht, d.h. in<br />

den Art. 7 und 29 - 32 der Bundesverfassung vom 18. April 1999 8 , in den Art. 5 und 6 der<br />

Europäischen Konvention <strong>zum</strong> Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom<br />

4. November 1950 (EMRK 9 ) sowie in Art. 9, 11 und 14 des Internationalen Pakts über<br />

bürgerliche und politische Rechte vom 16. Dezember 1966 (IPBPR 10 ). In modernen<br />

Strafprozessordnungen werden sie regelmässig gleichsam programmatisch an den Anfang<br />

gesetzt. Die in Art. 3–12 VE zu findenden Grundsätze des Strafprozessrechts entsprechen<br />

ohne inhaltliche Abweichungen diesen Prinzipien. Die Aufzählung ist selbstredend nicht<br />

vollzählig oder gar abschliessend. Gewisse weitere Grundsätze, die ebenfalls an den Anfang<br />

der schweizerischen Strafprozessordnung gestellt werden könnten, finden sich an anderer<br />

Stelle des <strong>Vorentwurf</strong>s. Als Beispiel kann der Öffentlichkeitsgrundsatz (Art. 76 VE) genannt<br />

werden, der, weil er durch weitere Normen konkretisiert und eingeschränkt werden muss (vgl.<br />

Art. 77-78 VE), an anderer Stelle plaziert wurde.<br />

Achtung der Menschenwürde (Art. 3 VE)<br />

Diese Bestimmung nimmt <strong>eine</strong> Grundidee des modernen Staatsverständnisses auf: Im<br />

Zentrum des Staats und s<strong>eine</strong>r Rechtsordnung stehen nicht der Staat und s<strong>eine</strong> Ziele als<br />

Selbstzweck, sondern das Wohlergehen und der Schutz des einzelnen Menschen. Die<br />

staatliche Gemeinschaft und ihre Wertordnung basieren mit anderen Worten auf der Achtung<br />

des Menschen und s<strong>eine</strong>r Würde als Individuum 11 . Diese Achtung der Menschenwürde gilt<br />

vor allem im Bereich des Strafrechts und s<strong>eine</strong>r verfahrensmässigen Durchsetzung, weil hier<br />

die staatliche Gemeinschaft die einschneidendsten Zwangsmittel zur Durchsetzung ihrer<br />

Zwecke anwendet. Die Menschenwürde ist bei allen privaten Verfahrensbeteiligten zu<br />

beachten, namentlich bei den Beschuldigten und Geschädigten (Abs. 1).<br />

Abs. 2 enthält den Grundsatz des fairen Verfahrens, der sich bereits in Art. 29 Abs. 1 BV 12 ,<br />

Art. 6 Ziff. 1 EMRK und Art. 14 Abs. 1 IPBPR findet 13 . Aus dem Fairnessgebot, dass sich<br />

nicht abstrakt umschreiben lässt, wird allgemein abgeleitet, dass die Behörden die<br />

Verfahrensbetroffenen korrekt und unter Beachtung der Menschenwürde behandeln.<br />

Namentlich die Beschuldigten sind den Strafverfolgungsbehörden in besonderer Weise<br />

unterworfen und bedürfen deshalb des Schutzes. Aus der Maxime werden noch weitere<br />

Ansprüche der privaten Beteiligten abgeleitet, so z.B. der Anspruch auf rechtliches Gehör.<br />

8<br />

9<br />

10<br />

11<br />

12<br />

13<br />

SR 101.<br />

SR 0.101.<br />

SR 0.103.2.<br />

Art. 7 BV; Hierzu allgemein Haefelin/Haller 1998 N 1551 ff.; dies. 2000 6/7; Schmid 1997 N 233 ff.<br />

„....Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung...“.<br />

Zu diesem Grundsatz näher Aeschlimann 1997 N 185 ff.; Haefliger/Schürmann 1999 131 ff.;<br />

Hauser/Schweri 1999 § 56 N 1 ff.; Maurer 1999 23 f.; Oberholzer 1994 162 f.; Piller/Pochon 1998 Art. 4.1<br />

ff.; Piquerez 2000 N 800 ff. ("procès équitable"); Schmid 1997 N 127 ff.; Villiger 1999 N 470 ff.

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