Begleitbericht zum Vorentwurf für eine Schweizerische ... - EJPD
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indessen zu verzichten, da sich diese Strafbehörde nach dem <strong>Vorentwurf</strong> nicht mit Anklagen,<br />
sondern allein mit Beschwerden befasst. Historisch gesehen hat die Einrichtung der<br />
Anklagekammer ihre Wurzeln im Schwurgericht, indem bei schwurgerichtlicher Zuständigkeit<br />
die Anklage bei der Anklagekammer zur Vorprüfung einzureichen war 21 . Diese Funktion ist mit<br />
der Abschaffung der Schwurgerichte – nunmehr auch im Bund 22 - aber weggefallen, so dass die<br />
Bezeichnung Beschwerdeinstanz treffender ist.<br />
Auch wenn es Bund und Kantonen freisteht, <strong>eine</strong> von den übrigen Instanzen organisatorisch<br />
völlig getrennte Beschwerdekammer zu schaffen, dürfte es naheliegen, die Befugnisse der<br />
Beschwerdekammer dem Berufungsgericht, d.h. bei den Kantonen dem Kantons- oder<br />
Obergericht zuzuweisen (Abs. 2). Nach Art. 27 Abs. 2 VE muss in diesem Falle allerdings die<br />
richterliche Unabhängigkeit beachtet werden (dazu nachstehend Ziff. 221.9).<br />
221.9 Berufungsgericht (9. Abschnitt, Art. 27 VE)<br />
Zuständigkeit (Art. 27 VE)<br />
Der <strong>Vorentwurf</strong> schlägt grundsätzlich <strong>eine</strong> zweistufige kantonale Gerichtsbarkeit vor. Dies<br />
bedeutet, dass mit gewissen Einschränkungen erstinstanzliche Urteile mit Berufung bei <strong>eine</strong>r<br />
oberen kantonalen Instanz, die im <strong>Vorentwurf</strong> als Berufungsgericht bezeichnet wird, angefochten<br />
werden können. Zur Vereinheitlichung des Verfahrens auch im Bereich der Rechtsmittel sollte<br />
dies ebenfalls <strong>für</strong> die der Bundesgerichtsbarkeit unterliegenden Fälle gelten. Die Konsequenz<br />
wäre, dass (vor dem Rechtsmittel im Sinne der heutigen eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde<br />
und der künftigen Strafrechtsbeschwerde ans Bundesgericht) ein eidgenössisches<br />
Strafberufungsgericht zu schaffen wäre. Die Idee <strong>eine</strong>s eidgenössischen Strafberufungsgerichts<br />
scheint allerdings bis heute kaum vertreten worden zu sein. nArt. 191a Abs. 1 BV erwähnt nur ein<br />
erstinstanzliches Bundesstrafgericht, wobei allerdings Abs. 4 dieser Bestimmung die Einsetzung<br />
weiterer gerichtlicher Behörden des Bundes durch Gesetz ermöglicht. Eine Berufungsinstanz ist<br />
weder im Entwurf <strong>für</strong> ein Bundesgesetz über das Bundesstrafgericht noch in jenem <strong>für</strong> das<br />
Bundesgericht vom 28.2.2001 enthalten Jedenfalls wird bei der Ausarbeitung des definitiven<br />
Entwurfes der eidgenössischen Strafprozessordnung die Frage der Rechtsmittel gegen Urteile des<br />
erstinstanzlichen Bundesgerichts mit Blick auf den dann<strong>zum</strong>aligen Stand der Bundesgerichtsgesetzgebung<br />
neu zu prüfen sein.<br />
Das Berufungsgericht hat nicht nur über Berufungen zu entscheiden, sondern wird nach dem<br />
Vorschlag des <strong>Vorentwurf</strong>s auch als Revisionsinstanz eingesetzt (Art. 27 Abs. 1 Bst. b VE).<br />
Zudem können ihm die Kompetenzen der Beschwerdeinstanz übertragen werden (Art. 26 Abs. 2<br />
VE, vorne Ziff. 221.8). Nach der Praxis des Bundesgerichts zu Art. 6 Ziff. 1 EMRK bzw. aArt.<br />
58 Abs. 1 BV (nArt. 30 Abs. 1 BV) wird der Grundsatz der Unabhängigkeit nicht verletzt, wenn<br />
die gleiche Richterin oder der gleiche Richter, die oder der zunächst als Sachrichter amtete<br />
nachher über ein Revisionsbegehren das gleiche Urteil betreffend entscheidet 23 . Gleiches dürfte<br />
gelten, wenn <strong>eine</strong> Rechtsmittelrichterin oder ein Rechtsmittelrichter zunächst über Beschwerden<br />
gegen Verfahrensentscheide zu befinden und hernach über <strong>eine</strong> Berufung in der gleichen Sache<br />
21<br />
22<br />
23<br />
Vgl. noch aBStP 128.<br />
Vgl. BG über die Abschaffung der Bundesassisen vom 8. Oktober 1999 (BBl 1998 1529).<br />
BGE 114 Ia 58; vgl. Auch Haefliger/Schürmann 1999 176.