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Begleitbericht zum Vorentwurf für eine Schweizerische ... - EJPD

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36<br />

- Abs. 2 Bst. b knüpft an die Zusatzstrafe bei sogenannter retrospektiver Konkurrenz an,<br />

die gemäss Art. 68 Ziff. 2 StGB/nArt. 49 Abs. 2 StGB bei nachträglicher Entdeckung<br />

zusätzlicher Straftaten die Strafbehörden zur Durchführung <strong>eine</strong>s weiteren<br />

Strafverfahrens sowie <strong>zum</strong> Aussprechen <strong>eine</strong>r Zusatzstrafe zwingt. Darauf soll verzichtet<br />

werden, wenn nur <strong>eine</strong> geringe Zusatzstrafe zu erwarten ist. Ist ein Serientäter wegen 100<br />

gleichartigen Delikten verurteilt worden, ist kaum zu erwarten, dass das Entdecken von<br />

zwei weiteren solchen Straftaten zu <strong>eine</strong>r höheren Gesamtstrafe führte.<br />

- Abs. 2 Bst. c bezieht sich auf den Täter, der wegen <strong>eine</strong>r auch der schweizerischen<br />

Gerichtsbarkeit unterworfenen Straftat bereits im Ausland verurteilt wurde und gegen den<br />

dem sogenannten Anrechnungsprinzip 34 von Art. 3 Ziff. 1 Abs. 2 StGB/nArt. 3 Abs. 2<br />

StGB folgend in der Schweiz zwar ein neues Strafverfahren durchzuführen, bei der<br />

auszusprechenden Strafe indessen die im Ausland vollzogene Strafe anzurechnen ist. Es<br />

soll auf den Leerlauf <strong>eine</strong>s neuen Verfahrens verzichtet werden, wenn ersichtlich ist, dass<br />

kaum <strong>eine</strong> höhere Strafe als die im Ausland ausgesprochene verhängt wird.<br />

- Ähnlich ist der Fall von Abs. 2 Bst. d: Nicht selten werden Personen im Ausland verfolgt,<br />

obwohl die Straftat z.B. wegen Begehung in der Schweiz nach Art./nArt. 3 StGB dem<br />

Schweizer Strafrecht unterworfen ist und auch hier zu verfolgen wäre. Oder die<br />

ausländische Behörde wird sogar ersucht, die Verfolgung zu übernehmen. Es ist wenig<br />

sinnvoll, in diesen Fällen ein schweizerisches Verfahren durchzuführen, müsste doch<br />

auch hier <strong>eine</strong> ausländische Strafe z.B. nach Art. 3 Ziff. 1 Abs. 2 StGB/Art. 3 Abs. 2<br />

nStGB angerechnet werden.<br />

Ein Verzicht nach Abs. 2 ist entgegen der allgem<strong>eine</strong>n Bagatellklausel von Abs. 1 nur<br />

zulässig, wenn diesem Vorgehen nicht legitime Interessen der Privatklägerschaft (z.B. auf<br />

Behandlung ihrer Zivilansprüche) entgegenstehen.<br />

Abs. 3 hält <strong>eine</strong>rseits wie Abs. 1 fest, dass die Anwendung des Opportunitätsgrundsatzes nur<br />

Staatsanwaltschaft und Gerichten, nicht aber der Polizei, zusteht 35 . Anderseits stellt diese<br />

Bestimmung klar, dass auch in solchen Fällen der Erledigungsgrundsatz nach Art. 10 VE<br />

anwendbar ist, ein Verzicht auf Verfolgung somit nur in Form <strong>eine</strong>r Nichtanhandnahme- oder<br />

Einstellungsverfügung gemäss Art. 341 und Art. 350 ff. VE erfolgen kann, gegen die die<br />

Beschwerde nach Art. 355 VE möglich ist 36 .<br />

Anklagegrundsatz (Art. 9 VE)<br />

Der Strafprozess ist nach heutigem Verständnis ein Anklageprozess. Er kann nur durchgeführt<br />

werden, wenn <strong>eine</strong> von den urteilenden Gerichten getrennte Behörde zunächst im Rahmen<br />

<strong>eine</strong>s Vorverfahrens die relevanten Fakten und Beweise zusammengetragen und hernach die<br />

Deliktsvorwürfe in <strong>eine</strong>r Anklageschrift dem Gericht zur Beurteilung unterbreitet hat. Aus<br />

diesem Anklage- oder Akkusationsprinzip folgt, dass das Gericht nur über die in der<br />

Anklageschrift enthaltene Vorwürfe urteilen kann und dass diese Anklage im Gerichtsverfahren<br />

mit gewissen Ausnahmen (Art. 383 VE) auch nicht mehr geändert werden kann<br />

(Immutabilitätsgrundsatz 37 ).<br />

34<br />

35<br />

36<br />

37<br />

Allgemein Rehberg 1996 33 f.<br />

Vgl. auch Hauser/Schweri § 48 N 15; BGE 109 VI 50.<br />

So auch verlangt von Aus 29 mach 1 S. 49 f. und sinngemäss Botschaft AT 87 oben. Im Regelfall also <strong>eine</strong><br />

endgültige und nicht vorläufige Einstellung (im VE Sistierung genannt, Art. 345 VE), wie dies Aus 29<br />

mach 1 S. 49 unten anregt: Für <strong>eine</strong> Sistierung braucht es k<strong>eine</strong> Opportunitätsgründe, sondern <strong>eine</strong>n Grund<br />

nach Art. 345 VE.<br />

Näher Aeschlimann 1997 N 164; Clerc 1975 N 54; Hauser/Schweri 1999 § 50 N 1 ff.; Maurer 1999 31 f.;<br />

Oberholzer 1994 219 ff.; Piquerez 2000 N 731 ff., 743 f.; Schmid 1997 N 145 ff., 811 ff.

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