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VIII-42 BRIEFE AUS PARIS (APPARAT) 13,2 Ligier] Pierre Ligier (1797-1872), ebenfalls ein berühmter Schauspieler der Zeit, wenngleich deutlich älter als Rachel. 1820 hatte er seine Karriere am Théâtre Français begonnen, war dann an zahlreichen anderen Theatern tätig (auch in Bordeaux und anderen Städten). Eine seiner bekannten Rollen war die des Marino Faliero in Casimir Delavignes gleichnamigem Stück, das Gutzkow wenige Jahre darauf als Vorlage für ein eigenes Drama diente. Während der gesamten Julimonarchie und bis zum Staatsstreich Napoleons III. gehörte Ligier zu den prominentesten Schauspielern der Comédie Française, sowohl in den klassischen Dramen Corneilles und Racines als auch in den Stücken vor allem Victor Hugos; dort u. a. als Hauptperson in der einzigen Aufführung von „Le roi s'amuse“, dem bekanntesten Zensurfall der Julimonarchie. Nach dem Staatsstreich zog er sich aus allen staatlichen Theatern zurück. 13,14-15 mir sehr lieb gewordener Schauspieler ist Guyon] Georges Guyon (1809-50), ebenfalls (seit 1838), wenn auch nur für wenige Jahre, an der Comédie Française. Ansonsten jedoch besaß er einen Namen als ‚Boulevard-Schauspieler‘, d. h. er spielte in den ‚leichteren‘ (zumeist Erfolgs-)Stücken der Theater an den großen Boulevards, den Stätten der so genannten ‚melodramatischen Gattung‘. Gutzkows Bevorzugung von Guyon als Schauspieler ist gewissermaßen die logische Entsprechung zu seiner Enttäuschung von der Rachel und seiner Distanz zur Ästhetik der traditionellen Versdeklamation des Théâtre Français. 14,9 As-tu peur de mourir?] „Hast Du Angst zu sterben?“ 14,18-21 war der Applaus von specieller Bedeutung [...] le nombre des années] In den Theatervorstellungen des 19. Jahrhunderts war es in Paris (aber natürlich auch anderswo) gängige Praxis, an Stellen, die sich als Anspielung auf aktuelle Ereignisse – vor allem auf die jeweilige politische Situation – verstehen ließen, laut zu applaudieren und damit eine politische Stellungnahme auszudrücken. Im Einzelfall konnte dies zur Auseinandersetzung innerhalb des Publikums, insbesondere zwischen dem (zumeist billigeren, nur mit Stehplätzen versehenen) Parkett und den (dem reicheren Abonnenten-Publikum © EDITIONSPROJEKT KARL GUTZKOW, THOMAS BREMER, HALLE 2001 (F. 1.0)
BRIEFE AUS PARIS (APPARAT) VIII-43 vorbehaltenen) Rängen führen. Die berühmte ‚Hernani-Schlacht‘ von 1830 nach dem Stück von Victor Hugo, die als eines der zentralen Daten für die Durchsetzung der literarischen Prinzipien der Romantik im Theater gilt, entzündete sich zeitgenössischen Darstellungen zufolge u. a. an dem Vers: „Was ist die Stunde? – Mitternacht“ und dem Zwischenruf aus dem Publikum: „Was? Ein König fragt nach der Uhrzeit wie ein einfacher Bürger?“ – Aus Gutzkows Bericht geht hervor, dass zunächst der liberale Teil des Publikums klatscht, während der Versuch des konservativen Teils, den Vers „Und wenn ein König befiehlt, so hat man ihm zu folgen“ (14,31) durch Klatschen hervorzuheben, im Zischen endet. – Je suis jeune, il est vrai [...] le nombre des années: „Ich bin jung, das ist wahr, doch bei edlen Seelen / Wartet der Wert nicht auf die Zahl der Jahre“. 14,23-27 Sortir d’une bataille [...] en vous la racontant] „Aus einer Schlacht zu kommen und dann sofort zu kämpfen“ bzw. „Rodrigue hat Luft geholt, indem er es erzählte“. 14,31 Et quand un roi commande, on lui doit obéir] „Und wenn ein König befiehlt, so hat man ihm zu folgen“ → Erläuterung zu 14,18-21. 6.2.2. Erläuterungen zum Sechsten Brief 16,3 Guizot] François Guizot (1787-1874; → Lexikon), eigentlich Historiker und Professor an der Sorbonne, ist einer der wichtigsten Politiker Frankreichs in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und einer der zentralen politischen Repräsentanten der Julimonarchie. Bereits unmittelbar nach der Julirevolution war er für kurze Zeit an der Regierung, dann nach dem Tod Périers 1832 Unterrichtsminister und von 1840 bis zur Revolution von 1848 (also auch zum Zeitpunkt von Gutzkows Zusammentreffen mit ihm) Außenminister; zuletzt seit 1847 auch Regierungschef. 17,7 Casimir Perier] Casimir Périer (1777-1832), Bankier und Politiker. Bereits vor der Julimonarchie, nämlich schon seit 1817, war er Abgeordneter; zu diesem Zeitpunkt der Opposition zuzurechnen. In © EDITIONSPROJEKT KARL GUTZKOW, THOMAS BREMER, HALLE 2001 (F. 1.0)
Seite 1 und 2: Briefe aus Paris (Fünfter bis Sieb
Seite 3 und 4: BRIEFE AUS PARIS (APPARAT) VIII-33
Seite 11: BRIEFE AUS PARIS (APPARAT) VIII-41

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