BaP - Apparat
BaP - Apparat
BaP - Apparat
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
BRIEFE AUS PARIS (APPARAT)<br />
VIII-45<br />
mend in Mode gekommen und verbanden mittels eines glasüberdachten<br />
und damit weitgehend witterungsunabhängigen Durchgangs zwei<br />
Straßenzüge miteinander. Passagen wurden damit zu einer Abkürzung,<br />
zu einem (bis zu den Surrealisten immer wieder beschworenen) sozialen<br />
Treffpunkt, vor allem aber auch zum Umschlagplatz von Waren,<br />
vor allem von Luxusgütern. Eine der frühesten und wichtigsten Passagen<br />
war die Verbindung zwischen der Rue Saint-Honoré und den Tuilerien,<br />
eine spätere die noch bei Aragon geschilderte Passage de<br />
l’Opéra. Die Passage des Panoramas, „wo man abends gern vermeidet<br />
hindurchzugehen, wenn man eine Dame am Arm führt“, gehörte zu<br />
Heines Lieblingsspaziergängen, wie August Lewald berichtet: „Heine<br />
schlenderte hier auf und ab, die Hände in den Taschen, den Kopf in<br />
den Nacken geworfen, mit aufgesetzter Brille. Hier beobachtete er das<br />
Pariser Treiben“ (August Lewald: Ein Menschenleben. In: Gesammelte<br />
Schriften, Bd 6, Leipzig 1844, S. 57; vgl. Geist, S. 262 ff.). Im<br />
„Romanzero“ heißt es über die dort gelegene Schokoladenhandlung<br />
Marquis: „Mit chinesisch eleganten / Arabesken, wie die hübschen /<br />
Bonbonnieren von Marquis / Im Passage Panorama.“ (Heinrich Heine:<br />
Jehuda ben Halevy. IV, 17-20. In: SSB, Bd. 6/1, S. 149) Im Idealfall<br />
ist – mit Geists Formulierung – die Passage ein „Straßenraum mit<br />
Außenfassade“, die sich dieses illusionistischen Mittels bedient, „um<br />
dem Passanten nie das Gefühl zu geben, einen Innenraum zu betreten,<br />
denn einen Innenraum betritt man immer mit einem Ziel, einer erkennbaren<br />
Absicht“ (Geist, S. 32-33). Diese Struktur macht die Passage<br />
zum idealen Ort des Flanierens, nicht zuletzt – wie bei Gutzkow – im<br />
Falle von schlechtem Wetter. Zugleich wird sie aber auch zum Prototyp<br />
einer neuen, nicht mehr an die aristokratischen Salons und eine<br />
soziale Stellung gebundenen Öffentlichkeit, die es erlaubt, in voller<br />
Anonymität betrachtend am städtischen Leben teilzuhaben und gegebenenfalls<br />
– vergleichsweise unbeobachtet – in es einzugreifen. Für<br />
den Erfolg der Passage kommt es daher darauf an, ihr „den ganzen<br />
Tag hindurch ein Eigenleben zu garantieren, das dem einer Straße<br />
gleicht. Etablissements zur Unterhaltung, zur Befriedigung kulinarischer<br />
Bedürfnisse und kultureller Ambitionen gehören in die Passage,<br />
um aus dem Passanten einen Benutzer zu machen und um im öffentlichen<br />
Leben der Stadt unentbehrlich zu werden. Im idealen Fall muß<br />
die Passage kaleidoskopartig das Ganze der Stadt im Kleinen wieder-<br />
© EDITIONSPROJEKT KARL GUTZKOW, THOMAS BREMER, HALLE 2001 (F. 1.0)