BaP - Apparat

VIII-44
BRIEFE AUS PARIS (APPARAT)
seiner Doppelfunktion als Politiker und Bankier und wegen zahlreicher
Interessenüberschneidungen zwischen den Funktionen wurde er von
der Opposition der dreißiger Jahre häufig und heftig als typischer
Repräsentant der Julimonarchie attackiert. 1831/32 war er Ministerpräsident
und Innenminister vor der Regierung Thiers. Eine skeptische
Einschätzung findet sich bei Börne schon anlässlich von Périers Ernennung
im Kontext der berühmten Stelle (42. Brief aus Paris, 15.
März 1831): „In Deutschland war ich schon längst der einzige gescheite
Mensch [...]. Und mit Ärger sehe ich jetzt ein, daß ich hier
auch der einzige gescheite Mensch bin“: „Und die Narren hier reden
sich jetzt ein, Casimir Périer würde ihnen Rosen und Veilchen pflanzen,
und sie würden ein Schäferleben führen und den ganzen Tag oben
auf dem reinen Hügel der Renten stehen und singen und hinabschauen
in das grüne Tal, wo das grasende Lämmervolk springt.“ (Ludwig
Börne: Briefe aus Paris. Hg. v. Alfred Estermann, Frankfurt/M. 1986,
S. 206) Eine umfangreiche Schilderung von Périers Regierungszeit
findet sich auch in Heines „Französischen Zuständen“, wo er mehrfach
als mit einem „kläglichen, krämerhaften Verstand“ beschrieben
wird: „Wie gebannt von einem unheimlichen Zauber stand ich jüngst
eine Stunde lang neben ihm, und betrachtete diese trübe Gestalt, die
sich zwischen den Völkern und der Sonne des Julius so kühn gestellt
hat. Wenn dieser Mann fällt, dachte ich, hat die große Sonnenfinsternis
ein Ende, und die dreifarbige Fahne auf dem Pantheon erglänzt wieder
begeistert, und die Freiheitsbäume erblühen wieder! Dieser Mann ist
der Atlas, der die Börse und das Haus Orléans und das ganze europäische
Staatengebäude auf seinen Schultern trägt, und wenn er fällt, so
fällt die ganze Bude, worin man die edelsten Hoffnungen der Menschheit
verschachert, und es fallen die Wechseltische, und die Kurse, und
die Eigensucht und die Gemeinheit!“ (Heinrich Heine, Französische
Zustände. In: SSB, Bd. 3, S. 141)
6.2.3. Erläuterungen zum Siebenten Brief
22,5-9 Man flüchtet sich in die Passagen, ins Palais-Royal [...] Vefour,
den Rocher de Cancale] Die Passagen, der „Bautyp des 19. Jahrhunderts“
(Walter Benjamin), waren seit den zwanziger Jahren zuneh-
© EDITIONSPROJEKT KARL GUTZKOW, THOMAS BREMER, HALLE 2001 (F. 1.0)