Diplomarbeit Heiligungsbewegung Rappard - Stefan Fuchser
Diplomarbeit Heiligungsbewegung Rappard - Stefan Fuchser
Diplomarbeit Heiligungsbewegung Rappard - Stefan Fuchser
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PT 7496 Masterarbeit: Carl Heinrich <strong>Rappard</strong> und die <strong>Heiligungsbewegung</strong> I<br />
INHALTSVERZEICHNIS<br />
1 EINFÜHRUNG................................................................................................................................1<br />
1.1 Warum diese Untersuchung wichtig ist?..................................................................................1<br />
1.2 Methodik und Aufbau der <strong>Diplomarbeit</strong>..................................................................................1<br />
1.3 Kurzbiographie Carl Heinrich <strong>Rappard</strong>s..................................................................................2<br />
2 HAUPTTEIL..................................................................................................................................10<br />
2.1 Das Spannungsfeld der <strong>Heiligungsbewegung</strong>........................................................................10<br />
2.2 Die Erneuerung im Leben von Carl Heinrich <strong>Rappard</strong>..........................................................25<br />
2.3 Der Einfluss von C.H. <strong>Rappard</strong> auf St.Chrischona und die Gemeinschaftsbewegung ..........37<br />
2.4 C.H. <strong>Rappard</strong> in der Auseinandersetzung mit der <strong>Heiligungsbewegung</strong>...............................43<br />
3 SCHLUSSTEIL .............................................................................................................................50<br />
3.1 Thesen zur Bedeutung von C.H. <strong>Rappard</strong> für die Evangelikalen. .........................................50<br />
3.2 Was ist biblische Heiligung gemäss Römer 6-8?...................................................................52<br />
4 BIBLIOGRAPHIE .........................................................................................................................63<br />
4.1 Bibeln, Bibelhilfen und Bibel-Kommentare ..........................................................................63<br />
4.2 Unveröffentlichte Quellen von Dora und C.H. <strong>Rappard</strong>........................................................63<br />
4.3 Veröffentlichte Quellen von und über Dora und C.H. <strong>Rappard</strong>.............................................64<br />
4.4 Literatur zum Thema Gemeinschafts- und <strong>Heiligungsbewegung</strong>..........................................64<br />
4.5 Uebrige Literatur....................................................................................................................64<br />
<strong>Stefan</strong> <strong>Fuchser</strong> IGW International 7.11.2008
PT 7496 <strong>Diplomarbeit</strong>: Carl Heinrich <strong>Rappard</strong> und die <strong>Heiligungsbewegung</strong> A–1<br />
1 EINFÜHRUNG<br />
1.1 Warum diese Untersuchung wichtig ist?<br />
Kein Thema hat mich bis heute mehr fasziniert, als die Frage der geistlichen Erweckung und<br />
Erneuerung. Seit längerer Zeit bin ich aktiv im Gemeindebau tätig, und suche immer wieder nach<br />
Erneuerung und Ausrüstung mit dem Heiligen Geist. Manchmal begegne ich Christen, die Gottes<br />
Reden und Handeln intensiv erleben. Oft erlebe ich aber auch jahrelanges geistliches Erstarren in<br />
Formen und Fragen. Mir ist aufgefallen, dass heute jede kleinste Erweckung auf dieser Welt sofort<br />
medienwirksam in christlichen Kreisen vermarktet wird. Man ist allgemein auf der Suche nach<br />
Erneuerung und Erweckung. Es scheint so, als ob man jeden Strohhalm des Wirkens Gottes ergreifen<br />
möchte.<br />
Die Zeitgenossen des 19. Jahrhunderts hatten in dieser Beziehung Glück. Sie lebten in geistlich<br />
bewegungsreichen Zeiten der Erneuerung. Die <strong>Heiligungsbewegung</strong> brachte Tausende zusammen, die<br />
sich Gott in vollem Vertrauen ganz neu hingaben. Die Auswirkungen waren gross. Auch wenn<br />
verschiedene Auswüchse negativ in Erscheinung traten, lohnt es sich, diese Erweckungszeit genauer<br />
zu studieren.<br />
Meine Arbeit bietet keinen Ueberblick über die <strong>Heiligungsbewegung</strong>. Es ist vielmehr mein Ziel, genau<br />
hinzuschauen, wie ein christlicher Leiter diese Zeiten erlebt hat, wie er darauf reagiert hat, und wie<br />
sich seine Spiritualität entwickelt hat. Carl Heinrich <strong>Rappard</strong> war mittendrin und erlebte Gottes<br />
Wirken zuerst an sich selbst. Seine Erfahrungen mit Gott veränderten ihn so stark, dass sein ganzes<br />
Umfeld bewegt wurde. Es ist mein Ziel, zu erklären, wie diese geistliche Erneuerung geschehen ist,<br />
und der Frage der Beziehung der Rechtfertigung zur Heiligung auf den Grund zu gehen. Ich hoffe<br />
dadurch, zur Klärung dieser Frage beizutragen.<br />
1.2 Methodik und Aufbau der <strong>Diplomarbeit</strong><br />
Nach dem einführenden Lebensbild <strong>Rappard</strong>s soll in einem ersten Hauptteil kurz erörtert werden, wie<br />
die <strong>Heiligungsbewegung</strong> entstand. Es ist nicht einfach, das Wirken <strong>Rappard</strong>s, seine Reisen und<br />
Veröffentlichungen zu verstehen, wenn man den geschichtlich-theologischen Hintergrund nicht kennt.<br />
Dann beschreibe ich relativ ausführlich die Lehren Wesleys und Smiths, um in die Problematik<br />
einzuführen, weil ich diese beiden Vertreter als massgebend betrachte. Natürlich könnte man auch<br />
andere Vertreter erwähnen, die Wichtiges geleistet haben, und die uns Einblick in ihre Gedanken über<br />
die Heiligung geben, aber sie haben <strong>Rappard</strong> nicht so direkt beeinflusst wie John Wesley und Robert<br />
Pearsall Smith.<br />
Dann berichte ich über die Begegnung <strong>Rappard</strong>s mit der <strong>Heiligungsbewegung</strong> und seine Verarbeitung<br />
und Förderung dieser Bewegung. Es der Höhepunkt meiner Arbeit. Dabei ist es mir wichtig zu zeigen,<br />
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wie <strong>Rappard</strong> die Bewegung positiv mitgeformt hat. Viele Teile der Arbeit konnte ich nur schreiben,<br />
weil mir der Bibliothekar des TSC Chrischona Zugang zum Archiv der Pilgermission verschafft hat.<br />
Dort konnte ich die Protokolle des Komitees der Pilgermission, die 3 Bände „Der Christliche<br />
Glaubensweg“, „Der Glaubensbote“ und „Mitteilungen“ der Pilgermission finden.<br />
Es ist mir auch wichtig gewesen, die theologische Frage der Heiligung anhand von Römer 6-8<br />
aufzuarbeiten, weil sich viele Vertreter der Bewegung auf diese Abschnitte der Bibel beziehen. Die<br />
Erklärungen werden helfen, damit nicht falsche Urteile gefällt werden. Dieser recht ausführliche<br />
Schlussteil dient dazu, eine persönliche Meinung zu bilden, und in der Frage der Heiligung klarer zu<br />
sehen.<br />
1.3 Kurzbiographie Carl Heinrich <strong>Rappard</strong>s<br />
Der Stammbaum der Familie <strong>Rappard</strong> hat seine Wurzeln in der Schweiz. Allerdings berichtet Dora<br />
<strong>Rappard</strong> im Lebensbild über ihren Mann, dass ein sogenannter Heinrich Rapperd 1445 nach Westfalen<br />
gezogen war (Dora <strong>Rappard</strong> 1910:6). 1<br />
Der Vater Carl August <strong>Rappard</strong> (1802-1866) wurde deshalb in Deutschland geboren. Er studierte<br />
Theologie an den Universitäten Marburg, Halle und Tübingen. Seine Studien bei Professor Tholuck in<br />
Halle erweckten ihn zum Glauben. Vater <strong>Rappard</strong> wurde ein tiefgläubiger Mann. Seine erste Stelle als<br />
Vikar in Repelen am Niederrhein war geprägt von ernster Verkündigung, so dass sich Menschen Gott<br />
zuwandten. Carl August <strong>Rappard</strong> sah seine Zukunft aber nicht in der Kirche, da er die kirchlichen<br />
Zustände als unbiblisch bezeichnete (Bunke 1953:13). 2 Er zog in die Schweiz, um sich dort im Kanton<br />
Waadt eine neue Existenz aufzubauen. In Giez bei Grandson, in einem kleinen Dorf, begann er zuerst<br />
als Urmacher, dann als Landwirt zu arbeiten. Er lernte andere Christen kennen, und heiratete am<br />
5.Febr 1836 Marie de Rahm , ebenfalls eine hingegebene Bekennerin des Glaubens. Marie de Rahm<br />
war durch die Genfer Erweckung zu Beginn des 19.Jh in Genf zum Glauben gekommen (Bunke<br />
1953:13). Es war die Zeit der Erweckungspastoren Ami Bost, Henry Pyt, Felix Neff, César Malan,<br />
Robert Haldane, die während der Erweckung in Genf in verschiedenen Regionen der Westschweiz<br />
evangelisierten (A.Mauerhofer 1987:47). 3<br />
1 Dora <strong>Rappard</strong> hat nach dem Tod ihres Mannes ein Lebensbild verfasst, das viele interessante Angaben macht.<br />
Ich benutzte zu meiner Arbeit die 4.Auflage, die etwa 1910 verfasst wurde. Die Seitenzahlen stimmen nicht mit<br />
neueren Ausgaben überein. Leider hat Dora <strong>Rappard</strong> ihre Notizen und auch die Tagebücher und den<br />
Schriftverkehr ihres Mannes vernichtet, wie man mir auf Chrischona gesagt hat.<br />
2 Ernst Bunke hat 1953 ein kurzes Büchlein verfasst, das den Lebensweg <strong>Rappard</strong>s zeigt, besonders sein<br />
geistliches Leben.<br />
3 Armin Mauerhofer verfasste einen interessanten Einblick in die Erweckungszeit des 19.Jh’s in Genf, bei der<br />
wahrscheinlich die Mutter C.H.<strong>Rappard</strong>s zum Glauben kam.<br />
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1.3.1 Kindheit und Jugendzeit C.H. <strong>Rappard</strong>s<br />
Am 26.Dezember 1837 kam der aelteste Sohn Carl Heinrich <strong>Rappard</strong> als zweites Kind auf die Welt.<br />
Carl Heinrich wurde sehr streng erzogen. Die Familie distanzierte sich von der Welt. Vater <strong>Rappard</strong><br />
wollte nicht, das seine Kinder in öffentlicher Kirche und Schule unterrichtet wurden (D.<strong>Rappard</strong><br />
1910:294). Er unterrichtete sie. Die Kinder „sollten um ihres Seelenheils willen, dem die ganze<br />
Erziehung galt, und um sie auf dem schmalen Weg zu bewahren, getrennt von dem traditionellen<br />
christlichen Leben erhalten bleiben, damit Gottes Geist und Wort in ihnen möglichst auf leeren Raum<br />
treffe“ (August <strong>Rappard</strong>, zitiert nach Dora <strong>Rappard</strong> 1910: 294)<br />
Weil Vater <strong>Rappard</strong> sein Bürgerecht im Himmel sah, und nicht auf Erden, meldete er sich auch mit<br />
der Familie offiziell als Bürger von Giez ab, und lebte in der Heimatlosigkeit. Das war damals<br />
möglich, weil er eine grosse Summe Geld auf der Dorfkanzlei deponierte (D.<strong>Rappard</strong> 1910:295). Für<br />
die Kinder galt als Lebensziel der landwirtschaftliche Beruf. Dafür wurden sie in sehr harter Arbeit<br />
vorbereitet. Die Ehelosigkeit wurde gemäss 1.Kor 7 als erstrebenswert angesehen. Carl Heinrich war<br />
nicht immer mit den patriarchalischen und sonderlichen Vorstellungen seines Vaters einverstanden.<br />
Aber da er gewohnt war, gehorsam zu sein, gab es selten Streit zuhause (D.<strong>Rappard</strong> 1910:16).<br />
Im Oktober1845 siedelte die ganze Familie <strong>Rappard</strong> nach Löwenstein bei Schaffhausen. Heinrich war<br />
8 Jahre alt und konnte sich bereits sehr gut in der Landwirtschaft einsetzen. Insgesamt 12 Kinder<br />
wurden der Familie geschenkt. Gelegentlich kamen Lehrer aus Schaffhausen, um die Familie zu<br />
unterrichten. Auch Pastoren besuchten die Familie. Der Einfluss der täglichen Bibelbetrachtungen und<br />
der Unterricht des Vaters führte Carl Heinrich zu Sündenerkenntnis. Die strenge Erziehung und die<br />
harte Arbeit taten das Ihre dazu. Er suchte nach Frieden mit Gott. Er fühlte sich fern von ihm, kalt und<br />
gleichgültig. Carl-Heinrich sagt später (zitiert nach Bunke 1953:15):<br />
„Ich habe lange den Herrn Jesus nur gekannt als den Mann, der alles<br />
Scheinwesen und alle Heuchelei straft, und erst später habe ich ihn kennen<br />
gelernt als den Mann, der die Sünder liebt und sie selig macht“<br />
Während eines Nachmittags im Garten erinnerte er sich plötzlich an das Wort aus Lk11,13: „So denn<br />
ihr, die ihr arg seid, könnt euren Kindern gute Gaben geben, wie vielmehr wird der Vater im Himmel<br />
den Heiligen Geist geben denen, die ihn bitten.“ An Ort und Stelle im Garten kniete der junge C.H.<br />
<strong>Rappard</strong> nieder und betete zu Gott, um den Heiligen Geist zu bekommen (D.<strong>Rappard</strong> 1910:12). Man<br />
kann diesen Tag als seine Bekehrung bezeichnen. Er bekam Frieden mit Gott. Die Datierung dieses<br />
Bekehrungserlebnisses ist jedoch schwierig. Es geschah vor seinem 18. Lebensjahr, als die Familie<br />
noch in Löwenstein vereint lebte. 1856 kaufte Vater <strong>Rappard</strong> seine 4 ältesten Kindern ein kleines<br />
Bauerngut in Iben, in der Nähe von Schaffhausen, damit die Kinder lernten auf eigenen Beinen zu<br />
stehen. Es ist erwähnenswert, dass in dieser Zeit eine innere Wende im Leben von Vater <strong>Rappard</strong><br />
geschah, die durch den ehemaligen Missionar Hebich hervorgerufen wurde. Hebich überzeugte den<br />
Sonderling und Kirchenfremden August <strong>Rappard</strong>, dass sein Rückzug von der Kirche unbiblisch sei.<br />
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Hebich veranstaltete Versammlungen mit Bibelbetrachtungen im Hause <strong>Rappard</strong>s und nahm die<br />
Familie mit in die Kirche nach Schaffhausen. Das führte auch zu einer positiven Beeinflussung von<br />
Sohn Carl Heinrich durch den dortigen Pfarrer Burckhardt (D.<strong>Rappard</strong> 1910:15).<br />
Carl Heinrich wurde beim Säen auf dem Feld zum vollzeitlichen Dienst berufen. Während er den<br />
Samen ausstreute ging ihm durch den Sinn: „So sollst du den unvergänglichen Samen des Wortes<br />
Gottes ausstreuen in die Herzen der Menschen“ (C.H. <strong>Rappard</strong>, zitiert nach Dora <strong>Rappard</strong> 1910: 16).<br />
Zwar war sein Vater nicht begeistert von dieser Idee, da er selber negative Erfahrungen mit der<br />
rationalistischer Theologie in der Kirche gemacht hatte, aber schlussendlich konnte er seinem Sohn<br />
nicht widerstehen. Er empfahl ihm deshalb, nicht an der theologischen Fakultät der Universität zu<br />
studieren, sondern das Ausbildungsprogramm der Pilgermission St. Chrischona zu durchlaufen, weil<br />
dies viel mehr „seinen Grundsätzen und Ueberzeugungen“ entsprach (D.<strong>Rappard</strong> 1910:17). Dora<br />
<strong>Rappard</strong> (1910: 297) sagt in ihrem Buch, dass Vater <strong>Rappard</strong> hatte auch Kontakte mit C.F. Spittler<br />
hatte, dem Begründer der Pilgermission, und deshalb die Schule kannte.<br />
1.3.2 Die theologische Ausbildungszeit C.H.<strong>Rappard</strong>s<br />
1861-1864 verbrachte <strong>Rappard</strong> als „Zögling“ in der Ausbildungsstätte für Pilgermissionare in<br />
St.Chrischona bei Basel. Es war für ihn eine entscheidende Zeit der Schulung und Vorbereitung auf<br />
die Aufgaben als Missionar und Prediger. Studium, Leben und Arbeiten geschah im und um die<br />
Kirche St.Chrischona. Das Werk war sehr arm und noch klein. Die Studenten und Lehrer mussten<br />
deshalb intensiv bei der Feld – und Landwirtschaftsarbeit mitmachen, um den Lebensunterhalt zu<br />
erwirtschaften. Für Carl Heinrich war die Arbeit auf dem Feld nichts Neues. Was ihm eher Mühe<br />
machte, war die Mithilfe in der Küche.<br />
Neue theologische Erkenntnisse finden wir nur wenige in den Tagebuchauszügen, die seine Frau im<br />
Lebensbild veröffentlicht hat. Auffallend ist eher die charakterliche Veränderung <strong>Rappard</strong>s während<br />
der Ausbildungszeit an der Bibelschule. Er rang um ein demütiges Herz. Er beobachtete seine inneren<br />
Regungen genau, und verglich sein Handeln mit der Bibel. Sobald er merkte, dass etwas nicht<br />
stimmte, bekannte er Gott die Schuld sofort. Er suchte eine sehr tiefe Beziehung zu Gott: „In diesem<br />
Augenblick brennt mein Herz für dich, Herr Jesu, lieber Heiland“ (C.H. <strong>Rappard</strong>, zitiert nach Dora<br />
<strong>Rappard</strong> 1910: 29) ! Lauheit im Glauben und Ausgelassenheit duldete er nicht (C.H. <strong>Rappard</strong>, zitiert<br />
nach Dora <strong>Rappard</strong> 1910: 29):<br />
Seit langer Zeit sahen und spürten einige unter uns Brüdern, dass es zu lau<br />
hergehe in der Anstalt. Es war uns oft, wie wenn ein Bann auf uns läge. Wir<br />
liessen uns zu sehr gehen in Scherzen und Schwatzen.<br />
Mit dem Lehrer und Hausvater Kessler entstand eine gute Freundschaft. <strong>Rappard</strong> erhielt wichtige<br />
geistliche Impulse, wie auch Privatstunden in Englisch, so dass <strong>Rappard</strong> beim Abschluss der Schule<br />
sprachlich gut auf die Mission vorbereitet war (D.<strong>Rappard</strong> 1910:28).<br />
<strong>Stefan</strong> <strong>Fuchser</strong> IGW International 7.11.2008
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In der Anstalt galt <strong>Rappard</strong> als sehr seriöser und geistlicher Mann, der Verantwortung übernehmen<br />
konnte. Oft wurde ihm auch Verantwortung übertragen. Früh begann er Predigten im Umkreis des<br />
Berges zu halten.<br />
1864 wurde er eingesegnet und auf Wunsch des Vaters zu einer weiteren Studienzeit nach Schottland<br />
gesandt (D.<strong>Rappard</strong> 1910:33), wo er interessante Begegnungen hatte, die seinen späteren Lebenslauf<br />
prägten. Er lernte Professor Simpson, den Erfinder des Chloroforms, kennen. Dann begegnete er in<br />
London C.H. Spurgeon und hörte seine Predigten, er sah Pastor Elias Schrenk, Missionar Dr. David<br />
Livingstone und Pfarrer Theodor Christlieb. Die Londoner Missionsgesellschaft und die Britische<br />
Bibelgesellschaft lernte er an den sogenannten „Man meetings“ kennen (D.<strong>Rappard</strong> 1910:40).<br />
C.H.<strong>Rappard</strong> hatte schon auf Chrischona eine Berufung in die Missionsarbeit nach Aegypten<br />
bekommen. Die Leitung der Pilgermission hatte ihn zur Gründung einer Missionsstation in<br />
Alexandrien ausgewählt. 4 <strong>Rappard</strong> informierte sich regelmässig über den Verlauf der Arbeit in<br />
Aegypten, und bereitete sich intensiv auf seine Missionstätigkeit vor. Am Ende seiner Schottlandzeit<br />
gründete er dann eine Gesellschaft zur finanziellen Unterstützung dieser Missionsarbeit. Chrischona<br />
blieb weiterhin sein Verband, dem er angehörte, aber die finanzielle Unterstützung kam von den<br />
Freunden, die ihn und seine Arbeit unterstützten.<br />
Am 27.August 1865 wurde <strong>Rappard</strong> kirchlich ordiniert. Dies geschah in Leonberg in Württemberg,<br />
kurz vor seiner definitiven Ausreise nach Alexandrien (D.<strong>Rappard</strong> 1910:43).<br />
1.3.3 Erste Wirksamkeit in Alexandrien<br />
<strong>Rappard</strong> hatte einen schweren Start in Alexandrien. Er musste die St.Matthäus Station 5 neu aufbauen.<br />
Von den vorgegangen Missionaren war nicht mehr viel übrig. <strong>Rappard</strong>, der gewohnt war, in einfachen<br />
Verhältnissen zu leben, fing von vorne an. Er gründete zuerst eine Schule im arabischen Teil, dann<br />
eine im europäischen Teil der Stadt und unterrichtete die Kinder. Nebenbei besuchte <strong>Rappard</strong> die<br />
Christen und predigte an den Sonntagen. Die Schule wurde zum finanziellen Existenzmittel (Bunke<br />
1953: 28). Mit dem Missionar Bauder bekam <strong>Rappard</strong> bald einen guten Mitarbeiter, der ihn<br />
unterstützte. In Jerusalem befand sich auch der Vorsitzende des Komitees, Bischof Gobat, der die<br />
Arbeit der Pilgermission in Aegypten koordinierte. Er half ihm in den entscheidenden Situationen. Bei<br />
den Besuchen bei Bischof Gobat lernte <strong>Rappard</strong> dessen Tocher Dora Gobat kennen. Am 28.November<br />
1867 verheiratete er sich mit Dora Gobat in der Schweiz. Nebenbei ist zu erwähnen, dass <strong>Rappard</strong><br />
vorerst nicht geheiratet hätte, wenn ihn nicht Friedrich Spittler dazu aufgefordert hätte (Bunke 1953:<br />
30). Auch die Umstände der Heirat sind eigenartig, und der damaligen Zeit entsprechend. So reiste<br />
4 Andreas Baumann, die Apostelstrasse, Brunnen Giessen 1999, S.75ff.<br />
5 Es war damals ein Ziel der Pilgermission, 12 Missionsstationen von Jerusalem nach Aethiopien aufzubauen.<br />
Sie wurden mit den Namen der Apostel benannt.<br />
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Dora Gobat in die Schweiz, bevor sie mündlich den Heiratsantrag Carl Heinrichs beantworten konnte.<br />
Es blieb beim schriftlichen Verkehr, bis Carl Heinrich 1867 in die Schweiz reiste, um sich mit ihr zu<br />
vermählen.<br />
Nach der Heirat kehrte das Ehepaar nach Alexandrien zurück. Bald aber wurden die beiden nach Kairo<br />
gerufen, um sich der dortigen Arbeit und der St. Markus – Station zu widmen (D.<strong>Rappard</strong> 1910:64).<br />
Kurz darauf, im Sommer 1868, wurde <strong>Rappard</strong> zum Inspektor 6 nach Chrischona berufen (D.<strong>Rappard</strong><br />
1910:67). Nach inneren Kämpfen und Widerstand sagte er zu, aber er hatte seine Bedingungen<br />
klargemacht. Bunke schreibt (1953: 36): „Er fühlte in sich den Drang, Jesum Christum und das durch<br />
ihn vollbrachte Heil zu verkündigen und könne nicht ´Chrischona ’ predigen d.h. nicht Vorträge halten<br />
über das Werk“ [...].<br />
1.3.4 Der junge <strong>Rappard</strong> als Inspektor auf St.Chrischona (1868-83)<br />
Am 28. August 1868 wurden Dora und C.H. <strong>Rappard</strong> auf St.Chrischona als neues Inspektorehepaar<br />
sehr herzlich empfangen. Die Probleme in St.Chrischona waren vielseitig. Der Gründer C.F. Spittler<br />
war 1867 gestorben, was grundsätzliche Fragen im Hinblick auf die Zukunft für St.Chrischona<br />
aufwarf. Der Inspektor Pfarrer Völter wollte 1866 aus der Anstalt eine streng lutherische<br />
Ausbildungsstätte machen (Dora <strong>Rappard</strong> 1910: 69). Das brachte Uneinigkeit, so dass Inspektor<br />
Völter im April 1868 gehen musste. Bald darauf starb der „Lehrer und Leiter“ Kaplan Schlienz. Dazu<br />
kamen finanzielle Sorgen durch die vielen Investitionen in das Projekt der Apostelstrasse (D.<strong>Rappard</strong><br />
1910:70)<br />
<strong>Rappard</strong> hatte zwei Hauptaufgaben. Er musste durch ein sehr sparsames Leben auf dem Berg die<br />
Kosten senken, und er musste die Ausbildung der Studenten verbessern. Das erstere gelang ihm sehr<br />
schnell. In vier Jahren wurden alle Schulden bezahlt. Die zweite Aufgabe war die Ausbildung. Diese<br />
veränderte er massiv. Sein Schwerpunkt lag auf Jüngerschaft, Gebet, Motivation und Ausbildung in<br />
der Evangelisation. Chrischona wurde zudem eine Ausbildungsstätte des Charakters und der<br />
Gemeinschaft. <strong>Rappard</strong> schrieb in einem Jahresbericht 1869 (zitiert nach Dora <strong>Rappard</strong> 1910: 80):<br />
Die biblische Ausbildung hat zur Basis das christliche Gemeinschaftswesen.<br />
[...]Lehrer und Schüler sitzen zu den Füssen des Herrn, der durch sein Wort<br />
Alten und Neuen Testaments zu ihnen redet. Dieser Bibelunterricht soll eine<br />
Erbauung, eine Durchbildung, ein Starkwerden des inneren Menschen<br />
bewirken.[...] Wer also eine wissenschaftliche Bildung sucht, findet bei uns<br />
nicht, was er sucht.<br />
<strong>Rappard</strong> war gegen jegliches trockenes Kopfwissen der Bibel. Er sah dann auch in der theologischen<br />
Ausbildung, so wie sie an den Universitäten vermittelt wurde, eine Gefahr. Wir sehen hier, wie stark<br />
6 Bei Chrischona wurden damals die Direktoren „Inspektoren“ genannt. Die Aufgabe war sehr vielseitig, und<br />
beinhaltete sowohl die Leitung der Anstalt, als auch die Begleitung der Missionare und Missionen.<br />
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die Prägung durch seinen Vater durchschimmerte. Der theologische Rationalismus 7 an den damaligen<br />
Universitäten war das Schreckgespenst der Familie <strong>Rappard</strong> und der Pietisten 8 allgemein.<br />
<strong>Rappard</strong> stellte bibelgläubige Lehrer an, die zwar theologisch ausgebildet waren, die aber auch durch<br />
ihren Glauben und ihr Vorbild prägend auf die Studenten einwirken konnten. Die Schule des Gebets<br />
und der Hingabe an Gott waren ihm wichtig. Dies wollte er besonders den jungen Menschen<br />
mitgeben. Heiligung, Bildung von Charakter und biblisches Wissen waren die Ziele.<br />
C.H. <strong>Rappard</strong> wollte im Glauben vorangehen, und eine tiefere Beziehung zu Gott erfahren. Er litt oft<br />
unter der Oberflächlichkeit des geistlichen Lebens in der Schule. Auf Einladung besuchte er mit<br />
seinem Schwager Paul Kober – Gobat die Heiligungskonferenz in Oxford vom 29.August-<br />
08.September 1874, die von dem Amerikaner Robert Pearsall Smith 9 geleitet wurde. <strong>Rappard</strong> war<br />
offen für neue geistliche Erfahrungen, um näher zu Christus zu kommen. Er sagte 1874:<br />
Ich bin ueberzeugt, dass viele gläubige Christen mich verstehen werden,<br />
wenn ich sage, dass ich seit meiner Bekehrung zum Herrn, und während<br />
meiner zehnjährigen Arbeitszeit als Zeuge des Evangeliums oft schmerzlich<br />
den Mangel einer inneren Heiligung, einer völligen Erlösung von der<br />
anklebenden Sünde, einer ununterbrochenen Gemeinschaft mit Gott vermisse<br />
(C.H.<strong>Rappard</strong>, zitiert bei Dora <strong>Rappard</strong> 1910: 99).<br />
Die Zeit in Oxford war für ihn eine Zeit der Reinigung und Erneuerung. Sünden wurden bekannt, neue<br />
Hingabe an Gott fand statt, Vergebung und Erlösung von Schuld und Sünde konnte er erfahren.<br />
<strong>Rappard</strong> war kein oberflächlicher Mensch. Er sah seine Fehler. Die strenge Erziehung und das sensible<br />
Gewissen brachten ihn immer wieder zu Jesus, der Schuld vergibt. Er suchte den tiefen Frieden. In<br />
Oxford entdeckte er ganz neu, wie wichtig das Festhalten an Jesus ist, um gegen die Sünde zu<br />
kämpfen.<br />
<strong>Rappard</strong> war ein veränderter Mensch, als er in die Schweiz zurückkam. Er fing an, zuerst auf<br />
Chrischona von seinen Erfahrungen zu berichten, dann hielt er Vorträge in der ganzen Schweiz, später<br />
in Deutschland und Frankreich.<br />
7 Der theol. Rationalismus war ein Kind der Aufklärung. Nur diejenigen Dinge wurden für wahr gehalten, die als<br />
unbezweifelbar vernünftig galten.<br />
8 Begründer des Pietismus war Philipp Jacob Spener (1635-1705). Als Reaktion auf die Verweltlichung der<br />
Kirche, und die kopflastige Wissenschaft der Theologie, formte der Pietismus ein neues Verständnis von Glaube<br />
und Theologie. Wichtig wurden die Elemente: Gebet, Bibelstudium, Gemeinschaft, soziale Werke. Das<br />
allgemeine Priestertum der Gläubigen galt als Maxime.<br />
9 Robert Pearsall Smith (1827-1898) war amerikanischer Laienprediger. Seine erwecklichen Vorträge und<br />
Predigten in Europa führten massgebend zu einer geistlichen Erneuerung. Mehr zu seiner Wirkungsgeschichte<br />
später unter Punkt 2.1.3.<br />
<strong>Stefan</strong> <strong>Fuchser</strong> IGW International 7.11.2008
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Er entdeckte durch die Vorträge seine Begabung als Evangelist. Die Sehnsucht kam auf, nicht nur auf<br />
Chrischona, sondern überall, wo er gerufen wurde, Menschen näher zu Christus zu führen.<br />
1.3.5 Freier Evangelist in Basel (1883-1890)<br />
Der Wunsch <strong>Rappard</strong>s, mehr Zeit der Evangelisation und Auferbauung der Christen widmen zu<br />
können, wurde auf Chrischona ernst genommen. Gymnasiallehrer Theodor Haarbeck 10 übernahm die<br />
Verantwortung für den Unterricht auf Chrischona, so dass <strong>Rappard</strong> nach Basel an die Karthausergasse<br />
42 umziehen konnte, um von dort aus, in enger Verbindung mit Chrischona, seinen<br />
Evangelistendienst zu tun. <strong>Rappard</strong> war Bahnbrecher für die moderne Evangelisation. Er begann<br />
Bibelstunden in seinem Haus für die Nachbarn durchzuführen. Oft wurde er aber eingeladen, um in<br />
der ganzen Schweiz Evangelisationsversammlungen zu halten. Er setzte sich stark für die<br />
neugegründete Allianz ein (D.<strong>Rappard</strong> 1910:132). Er unterschrieb sogar die Abstinenzverpflichtung<br />
des Blauen Kreuzes, und besuchte regelmässig die Trinkerheilstätte Pilgerhütte St.Chrischona<br />
(D.<strong>Rappard</strong> 1910:134).<br />
<strong>Rappard</strong> machte viele Reisen, um das Evangelium zu verbreiten, und um die Christen zu ermutigen.<br />
So kam er auch nach Österreich und nach Südrussland, nach Ostpreussen, und in viele<br />
nordamerikanische Städte, wie New York, Brenham, Austin usw. Die Amerika-Besuche dienten der<br />
Stärkung der dort arbeitenden Chrischona-Absolventen. Die dortigen Gemeinden arbeiteten mit der<br />
lutherischen Kirche zusammen.<br />
<strong>Rappard</strong> war ein beliebter Redner, weil er nicht nur Theologie brachte, sondern weil er eine geistliche<br />
Persönlichkeit war, und den Menschen aufzeigte und vorlebte, wie man eine persönliche Beziehung<br />
mit Gott gestalten konnte. Er war voll Eifer für Christus und seine Gemeinde. Er nahm seine Arbeit<br />
sehr ernst.<br />
1.3.6 Rückkehr als Inspektor und Ausbreitung der Pilgermission unter <strong>Rappard</strong> (1890-1909)<br />
Als 1890 Theodor Haarbeck, der Chrischonainspektor, an die Evangelistenschule Johanneum 11 als<br />
Direktor berufen wurde, kehrte C.H. <strong>Rappard</strong> wieder auf den Chrischonaberg zurück, und übernahm<br />
die Leitung der Pilgermission. Die letzten Jahre seines Lebens waren geprägt von viel geistlicher<br />
Weitsicht und einem grossen Aufbau des Werkes. Christliche Gemeinschaften wurden in der Schweiz,<br />
Deutschland, Frankreich, und Ostpreussen gegründet. <strong>Rappard</strong> war dabei, wenn die Häuser eingeweiht<br />
10 Theodor Haarbeck, geboren in Neukirchen b. Moeurs (D), studierte in Basel, Tübingen und Bonn Theologie,<br />
war Gymnasiallehrer in Bern, Inspektor von Chrischona von 1883 bis1890, und Direktor der Evangelistenschule<br />
Johanneum von 1890-1919.<br />
11 Das Johanneum wurde durch den Theologen Theodor Christlieb, und durch die Unterstützung des Gnadauer<br />
Verbandes, gegründet, und förderte die Ausbildung von Evangelisten, die sich in der Landeskirche und ihren<br />
Gemeinschaften in Deutschland einsetzten.<br />
<strong>Stefan</strong> <strong>Fuchser</strong> IGW International 7.11.2008
PT 7496 <strong>Diplomarbeit</strong>: Carl Heinrich <strong>Rappard</strong> und die <strong>Heiligungsbewegung</strong> A–9<br />
wurden. Er war ein Vater der damaligen Erweckungszeit. Er kümmerte sich ganz um die entstehenden<br />
Gemeinden und ihre Prediger.<br />
Auf Chrischona mussten neue Häuser gebaut werden, um die zunehmende Nachfrage von Studenten<br />
und die äussere Entwicklung zu bewältigen. So entstand 1890 die Eben-Ezer Halle, mit den 2000<br />
Plätzen, die „Alte Heimat“ als Arbeits-und Wohnhaus. Das Brüderhaus und das Haus „Morgenrot“ zur<br />
Unterbringung der Studenten.<br />
Carl Heinrich <strong>Rappard</strong> starb am 21.September 1909 auf einer Dienstreise, nach dem Erntedankfest im<br />
Vereinshaus der Chrischonagemeinde Giessen. An seiner Beerdigung galt der Grundtenor der<br />
angereisten Chrischonaprediger: „Er war ein Mensch in Christo“ (Dora <strong>Rappard</strong> 1910: 282). Carl<br />
Heinrich <strong>Rappard</strong> ging in die Geschichte ein als ein Mann, der Erweckung und Erneuerung in den<br />
Pietismus der Schweiz brachte. Seine Bedeutung reicht bis auf den heutigen Tag.<br />
<strong>Stefan</strong> <strong>Fuchser</strong> IGW International 7.11.2008
PT 7496 <strong>Diplomarbeit</strong>: Carl Heinrich <strong>Rappard</strong> und die <strong>Heiligungsbewegung</strong> A–10<br />
2 HAUPTTEIL<br />
2.1 Das Spannungsfeld der <strong>Heiligungsbewegung</strong><br />
2.1.1 Warum gab es eine <strong>Heiligungsbewegung</strong>, die zur Erneuerung aufrief ?<br />
2.1.1.1 Die kirchliche Situation in Europa<br />
Nach der Reformation waren es zuerst die älteren Pietisten, die darauf hinwiesen, dass die Bekehrung<br />
und Rechtfertigung durch den Glauben nur der Anfang eines Gott hingegebenen Lebens ist, und dass<br />
die Heiligung nicht als abgeschlossen zu betrachten sei. Sie forderten ein tätiges Leben in sozialer<br />
Verantwortung. Der Pietismus hatte im 17.Jh bereits versucht, das starre kirchliche Leben neu zu<br />
erwecken. In kleinen Gruppen trafen sich erweckte Gläubige als „Kirchlein in der Kirche“, und lebten<br />
ihren Glauben an Gott mit Hingabe, im Lesen der Bibel, mit Gebet und mit guten Werken. Philipp<br />
Jakob Speners 12 „Pia desideria“, fromme Wünsche, eine Reformschrift, die 1675 verfasst wurde,<br />
forderte eine Erneuerung des Theologiestudiums, und formulierte ganz neu den Wert des geistlichen<br />
Wachstum jedes Gläubigen.<br />
August Hermann Francke 13 , der pietistische Pfarrer und Professor in Halle, schrieb die Reformschrift<br />
„Nicodemus“, in der er zu einer echten und praktischen Frömmigkeit aufrief. Er wollte seine<br />
Amtsbrüder zu herzlicher und echter Hingabe an Gott ermutigen.<br />
Die reformierte und lutherische Kirche hatte den Gläubigen grösstenteils nichts Neues zu erzählen, als<br />
die Wiederholung der reformatorischen Erkenntnis. Die Kirche begnügte sich zu sehr mit der<br />
Wiederholung der Theologie der Rechtfertigung des Sünders, ohne über die daraus folgenden<br />
Konsequenzen in der Heiligung zu sprechen. Die Beichte wurde zur blossen Pflicht. Es gab keine<br />
wirkliche Umkehr mehr. Oberflächlich kann gesagt werden, dass vielerorts auf der Entdeckung der<br />
fortlaufenden Gnade und der Ueberwindung des gesetzlichen Katholizismus ausgeruht wurde. Die<br />
Staatskirche verlor sich in äusserlichen Zeremonien, dies sowohl in den Kirchen Englands, als auch<br />
auf dem Kontinent (Lange 1990:17).<br />
Der Pietismus sorgte zuerst dafür, dass eine Erneuerung durch die Reihen ging. Der Pietismus formte<br />
die Lehre von der Bekehrung und Heiligung neu. Es wurde zur Bekehrung aufgerufen, als eine<br />
willentliche Entscheidung und Absage an das Böse. Durch die Wiedergeburt sollte ein neues Leben in<br />
der Heiligung heranwachsen, ein Leben in aktiver Liebe und im Lesen des Wortes Gottes. Doch die<br />
Reformen waren schwierig durchzusetzen.<br />
12 Philipp Jakob Spener (1635-1705), „Pia Desideria“, war eigentlich als Vorwort einer Neuausgabe der Postille<br />
von Johann Arndt erschienen. Man kann sie als Urschrift der Pietisten betrachten.<br />
13 August Hermann Francke (1663-1727), Theologe und Förderer des Pietismus an der Universität Halle.<br />
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PT 7496 <strong>Diplomarbeit</strong>: Carl Heinrich <strong>Rappard</strong> und die <strong>Heiligungsbewegung</strong> A–11<br />
Durch die Aufklärung kam dann die Literaturkritik der Bibel immer mehr zum Vorschein. An den<br />
Universitäten wurde der Rationalismus gelehrt. Glaube und Vernunft wurden getrennt betrachtet. Dies<br />
führte zu einer distanzierten, und zum Teil sehr kritischen Haltung gegenüber der unmittelbaren Kraft<br />
Gottes. Es gipfelte Ende 18.Jh bis Mitte 19.Jh in einer Theologie, die keinen übernatürlichen Glauben<br />
mehr duldete.<br />
Grund für diese Entwicklung waren die neuen philosophischen Richtungen, die Glaube, Vernunft und<br />
Gefühl nebeneinander oder gegeneinander stellten. Der persönliche Glaube an Gott wurde immer<br />
weniger erwähnt, oder sogar abgelehnt.<br />
Die Philosophen des 18. und 19.Jh’s hatten dazu viel beigetragen. Zu erwähnen ist G.W. Friedrich<br />
Hegel 14 , der die Gedanken von These, Antithese und Synthese entwickelte (Dialektik), und dadurch<br />
ein Fortschreiten der Geschichte der Menschheit erklärte. Die Natur verstand er als<br />
Offenbarungsquelle. Er leugnete allerdings Gott nicht.<br />
Andere Philosophen wie z.B. David Hume 15 betonten die Sinneserfahrung des Menschen als<br />
Hauptquelle der Erkenntnis.<br />
Der namhafte liberale Theologe Schleiermacher 16 kam weg von einem persönlichen Glauben an Gott,<br />
und sagte, dass Religion weder Denken noch Handeln sei, sondern lediglich eine Anschauung des<br />
Universums und ein Gefühl des Menschen. 17<br />
Dies führte dazu, dass die Würdenträger der Kirchen, die Pfarrer und Absolventen der damaligen<br />
Universitäten, immer weniger von der erneuernden und befreienden Kraft Gottes zu sprechen wagten.<br />
Kirche und Theologie waren in einer langandauernden Krise.<br />
Das Terrain für eine Erneuerungsbewegung war schon lange bereit. Die Pietisten hatten den ersten<br />
Anlauf gegeben. Einzelne erweckte Theologen versuchten neue Wege zu gehen. So z.B. John und<br />
Charles Wesley 18 , sowie der Erweckungsprediger Whitefield 19 . Auch die Herrnhuter Brüder mit Graf<br />
Zinzendorf 20 in Deutschland brachten eine neue Hingabe und ein neues Bewusstsein von der<br />
Heiligkeit Gottes unter die Christen. John Wesley betrachte ich aber als der Begründer der<br />
europäischen <strong>Heiligungsbewegung</strong>, weil er die Heiligung besonders betonte, und sie getrennt von der<br />
Rechtfertigung als gesondertes Thema betrachtete, auch wenn dies sehr umstritten ist.<br />
14 G.W. Friedrich Hegel (1770-1831)<br />
15 David Hume (1711-1776)<br />
16 F.D.E. Schleiermacher (1768-1834)<br />
17 Zusammenfassungen zu Hegel, Hume und Schleiermacher habe ich aus Unterrichtnotizen IGW /Chrischona.<br />
18 John Wesley (1703-1791) und Charles Wesley (1707-1788), der Bruder von John.<br />
19 George Whitefield (1714-1770), der Evangelist und Prediger des Methodismus. Sein Wirkungsfeld war in<br />
England und Amerika.<br />
20 Graf Ludwig Nikolaus Zinzendorf (1700-1770), Gründer der Herrnhuter Gemeinschaft.<br />
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Der wichtigste Grund dafür, dass die <strong>Heiligungsbewegung</strong> im 19.Jh in Europa Fuss fassen konnte, war<br />
Robert Pearsall Smith 21 , der aus Amerika kommend, der aufbrechenden und suchenden Christenheit<br />
neue Antworten gab. Er veranstaltete erstmals öffentliche Heiligungsversammlungen, in denen die<br />
Gläubigen zu einer neuen Totalhingabe an Christus aufgerufen wurden.<br />
Die Teilnehmer kamen aus verschiedenen Kirchen und kirchlichen Werken. Es war ein<br />
Zusammenarbeiten verschiedenster freikirchlicher Gruppierungen und Missionen, und dies führte zu<br />
einer Verbindung unter Christen verschiedenster Bekenntnisse. Evangelisation, Mission und biblische<br />
Lehre konnte über die Grenzen hinaus verbreitet werden. Die Territorialgrenzen der offiziellen<br />
Kirchen wurden überwunden. Der <strong>Heiligungsbewegung</strong>, die von Amerika her kam, wurde somit auch<br />
in Europa Tür und Tor geöffnet. Sie brachte der erstarrten europäischen Kirche neue Impulse und<br />
führte allen kirchlichen Kreisen neue motivierte Mitarbeiter zu.<br />
2.1.1.2 Die theologische Herausforderung der <strong>Heiligungsbewegung</strong><br />
Die Zeit für eine Neuentdeckung der Heiligkeit Gottes war reif. Die liberale Theologie löste sich<br />
immer mehr von einem biblischen Gottesbild. Die Kirche verfiel zu einer Institution. Es ist nicht<br />
erstaunlich, dass die Frage gestellt wurde, wie ein Leben nach Gottes Massstäben aussehen sollte.<br />
Obschon Luther viel über das „Christenleben“ geschrieben hatte, wurde doch die Frage der<br />
christlichen Lebensgestaltung neu wichtig. Die Neuentdeckung der Gnade in Jesus Christus war das<br />
Hauptmerkmal der Reformation gewesen. Dass die Schuld und Sünde durch Jesus Christus beseitigt<br />
war, war durch das Luthertum neu entdeckt, und klar gemacht worden. Sünde und Schuld konnten<br />
nicht mit Werken, mit kirchlichen Ablassen, mit gutem Willen überwunden werden. Das hatte die<br />
Reformation klar gezeigt.<br />
Nun sollte es aber darum gehen, die Frage der Sündenmacht zu klären. Hat der Glaube die Kraft, die<br />
Menschen vom Einfluss und von der Macht der Sünde zu befreien? Das war die Frage. Luthers<br />
tägliches „Bussetun“, sein berühmtes „simul iustus et peccator“ stellte doch die Frage, ob die Sünde<br />
denn nicht doch überwunden werden könnte. Genügte eine regelmässige Beichte, um die Macht der<br />
Sünde zu brechen?<br />
Zwar wurde durch die Busse die Seele von der Sündenschuld befreit, aber wurde dadurch die<br />
Sündenmacht überwunden?<br />
Th.Jellinghaus (1898:126), der Theologe der <strong>Heiligungsbewegung</strong>, kritisierte das Verständnis, dass<br />
durch regelmässige Busse die Macht der Sünde gebrochen werde:<br />
Der schwere Busskampf soll den Menschen dahin bringen, dass die<br />
Verführungskraft und Macht der Sünde in ihm gebrochen werde, und er im<br />
Glauben an die selige Gnade nicht sicher und leichtselig werde. Es wird also<br />
der „Busskampf“ ein Heiligungsmittel und Läuterungsfeuer, das den<br />
Menschen besser und tiefer fromm macht. Hier steckt eine feine<br />
Werkgerechtigkeit; denn man macht da die Busse selbst und nicht Christi<br />
Gnade allein zum Erlösungsmittel für den Menschen.<br />
21 Robert Pearsall Smith (1827-1898), siehe auch unter Punkt 2.3.<br />
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PT 7496 <strong>Diplomarbeit</strong>: Carl Heinrich <strong>Rappard</strong> und die <strong>Heiligungsbewegung</strong> A–13<br />
Später schreibt Jellinghaus (1898:390):<br />
Dagegen ist es bei den Evangelischen fast ganz abhanden gekommen, dass<br />
man die Gläubigen Heilige nennt, dass man Kraft zu einem heiligen Leben<br />
im stetigen Siege ernstlich erbittet und erwartet. Klagen über innere<br />
Niederlagen und Sünden füllen die Erbauungsbücher, die Gebete und Lieder<br />
der Christen.<br />
Hier fasst Jellinghaus in Worte, was allgemein die Befindlichkeit und theologische Fragestellung der<br />
damaligen Zeit war.<br />
Auch C.H.<strong>Rappard</strong> (CGW 1875:4/Bd1), bestätigt selbst diese Befindlichkeit folgendermassen:<br />
Ich bin überzeugt, dass Tausende von gläubige Christen mich verstehen<br />
werden, wenn ich sage, dass ich seit meiner Bekehrung zum Herrn und<br />
während einer zehnjährigen Arbeitszeit als Zeuge des Evangeliums, oft<br />
schmerzlich den Mangel einer inneren Heiligung, einer völligen Erlösung<br />
von der anklebenden Sünde, einer ununterbrochenen Gemeinschaft mit Gott<br />
vermisste.<br />
Pietisten übten sich lebenslang im tätigen Glauben, im Umsetzen der biblischen Wahrheiten. Sie<br />
waren bekannt als gute Bibelkenner, die ihren Glauben praktisch umsetzten. Für den Pietismus war<br />
Heiligung ein aktives Arbeiten für den Herrn, eine „Arbeit der Liebe“, keine totale Loslösung von der<br />
Macht der Sünde. In diesem Sinn war der Pietismus dem Luthertum sehr verbunden. Die Frage der<br />
Sündenmacht, und der Befreiung vom Hang zum Bösen, wurde im Pietismus zuwenig beantwortet.<br />
Wir sehen dies also auch im Lebenslauf des Pietisten Carl Heinrich <strong>Rappard</strong>, dass er zwar ein aktiver<br />
hingegebener Mann Gottes war. Er lebte aus der Gnade Gottes, aber er litt unter der anklebenden<br />
Sünde. Er kämpfte mit seinen Studenten gegen die Verflachung, die Oberflächlichkeit und die Sünde.<br />
Dabei wurde oft einfach die Strenge seines Vaters angewendet. <strong>Rappard</strong> rief dann seine Studenten zu<br />
neuer Hingabe an den Herrn auf. Viel Arbeit, volles Vertrauen auf Gott, viel Bibelstudium und<br />
Disziplin galten als Heiligung. Auf diesem pietistischen Boden der Aktivität, war die<br />
<strong>Heiligungsbewegung</strong> des 19.Jh. wie eine Neuentdeckung, vor allem deshalb, weil Christus in den<br />
Mittelpunkt gestellt, und seine Kraft und seine Macht verkündigt wurde, und weil sie befreiend auf die<br />
müden Herzen traf. Die Beantwortung der Frage der Sündenmacht, sowie die Suche nach der<br />
Befreiung davon, waren allgemein wichtige Fragen. Gerade Carl Heinrich <strong>Rappard</strong> ist ein gutes<br />
Beispiel, an dem wir sehen, wie stark die Sehnsucht nach Erlösung, Befreiung und Erneuerung<br />
vorhanden war. Carl Heinrich <strong>Rappard</strong> fand sehr gute Antworten auf die Frage der Sündenmacht, und<br />
er wurde deshalb auch zu einem wichtigen Mann in der Erweckungszeit des 19.Jh’s, wie wir noch<br />
sehen werden.<br />
<strong>Stefan</strong> <strong>Fuchser</strong> IGW International 7.11.2008
PT 7496 <strong>Diplomarbeit</strong>: Carl Heinrich <strong>Rappard</strong> und die <strong>Heiligungsbewegung</strong> A–14<br />
2.1.2 Der Perfektionismus von John Wesley als Wegbereiter der <strong>Heiligungsbewegung</strong><br />
2.1.2.1 Die geistliche Prägung Wesleys – eine Mischung aus Kampf und Ergebung!<br />
John Wesley hatte massgebendes geleistet, damit die <strong>Heiligungsbewegung</strong> entstand. Er wurde 1703 in<br />
Epword in England geboren, und studierte wie sein Vater Theologie in Oxford. Nach seinem<br />
Abschluss im Philosophie-Programm „Master of Arts“, wurde er verantwortlich für die Begleitung der<br />
Studenten und gründete einen Studentenkreis, der sich ganz für das geistliche Wachstum interessierte<br />
(Raupp 1987:296). Der Wesleyforscher Sung-Duk Lee (2003:48) schreibt über diese Zeit: „Das war<br />
der Anfang des „Holy Club“. Er und seine Mitglieder übten die praxis pietatis 22 und eine strenge<br />
Selbstprüfung. Sie wollten sich völlig nach dem Wort Gottes richten und fühlten sich zum Gehorsam<br />
gegen die Kirchen- und die Universitätsgesetze verpflichtet.“<br />
Durch strenge Askese und soziales Engagement versuchten die frommen Studenten in der neu<br />
gegründeten Gruppe „wahre Frömmigkeit“ zu finden. Dazu wurden auch die Schriften der Mystiker<br />
gelesen, wie z.B. Madame Guyon und Fénelon (Packer 1984:135).<br />
Wesley hatte aber noch keine Bekehrung erlebt im Sinn einer Hingabe an das Erlösungswerk Jesu.<br />
Dass die Schuld und Sünde seines Lebens durch den Opfertod Christi bezahlt war, wurde ihm erst<br />
später klar. Die Frömmigkeit Wesleys war früh geprägt worden durch eine Suche nach einer mystisch<br />
orientierten Heiligkeit, ein Streben nach Verbesserung der Person, wöchentlichen Zusammenkünften<br />
in seinem Studentenkreis, Fasten, und strengen Regeln. Deshalb wurden die Teilnehmer des „Holy<br />
Club“ sehr früh schon als Methodisten verspottet (Lee 2003:48). Zusammenfassend kann gesagt<br />
werden, dass Wesley vor seiner Bekehrung eine intensive Frömmigkeit kannte, um „seine eigene<br />
Seele zu retten.“ Diese Vorbemerkung ist entscheidend wichtig, um seine Lehre der Heiligung später<br />
zu verstehen.<br />
Weiter muss erwähnt werden, dass John Wesley vor seinem Bekehrungserlebnis beeinflusst war durch<br />
die Schrift „Nicodemus 23 “ von August Hermann Francke aus Halle, in der die Menschenfurcht der<br />
damaligen Zeit kritisiert wird. Die Schrift hat Wesley beeindruckt, weil darin der Unglaube und<br />
Kleinglaube der damaligen Zeit kritisiert wurde (Lee 2003:45). Francke forderte eine klare Bekehrung<br />
durch wahre Busse, um zu einem echten wahren Glauben an Gott durchzudringen. Gemäss der<br />
Ueberzeugung Franckes ist die Herzensbusse ein aktiver Schritt, der dann zu einer Wiedergeburt und<br />
Glaubensfreudigkeit führt, die eine falsche Furcht vor Menschen und Natur wegnimmt (Lee 2003:55).<br />
22 Praxis pietatis, eine gelebte praktische Frömmigkeit<br />
23 A.H.Francke nannte die Schrift Nicodemus, weil in Johannes 3 erwähnt wird, dass Nikodemus, der Gelehrte,<br />
in der Nacht zu Jesus kam, was als Indiz gilt, dass er sich nicht öffentlich zu seinem Glauben bekennen wollte.<br />
Francke vergleicht in seiner Schrift Nikodemus mit den Theologen zu Beginn des 18.Jh’s, die aus<br />
Menschenfurcht keine klare Busse und Bekehrung mehr kannten (Lee 2003:46).<br />
<strong>Stefan</strong> <strong>Fuchser</strong> IGW International 7.11.2008
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In diese Gedanken konnte Wesley einstimmen. Diese Schrift gab ihm Argumente, weil er doch<br />
vielfach angegriffen worden war, und weil er und seine Studenten in Busse und regelmässigem Fasten<br />
Gott suchten (Lee 2003:49).<br />
Einen weiteren „geistlichen Schritt“ 24 machte Wesley, als er die Herrnhuter Brüder kennen lernte.<br />
John Wesley begegnete den Herrnhuter Brüdern, als er mit ihnen auf dem Schiff nach Georgia in<br />
Amerika reiste. Bei einem Sturm auf dem Meer wurde Wesley massgebend beeindruckt vom Glauben<br />
der Herrnhuter Brüder, die sich in Christus sicher fühlten, und so dem Tod in die Augen sehen<br />
konnten. Auch sie kannten keine Furcht vor Menschen und Natur, aber ihre Ruhe war ganz in Christus<br />
begründet (Lee 2003:53). Die Herrnhuter Brüder eröffneten ihm dadurch die Erkenntnis der Gnade<br />
Gottes und des Glaubens.<br />
Nach seiner Rückkehr nach England wurde es John Wesley immer mehr bewusst, dass ihm der<br />
Glaube, durch den man gerettet werden kann, fehlte. Dies geschah dann durch Gespräche mit dem<br />
Herrnhuter Peter Böhler (Lee 2003:149). Ein innerer Kampf um die Rechtfertigung allein aus Glauben<br />
entbrannte in ihm. Schlussendlich, am 24.Mai 1738, erlebte John Wesley dann endlich die<br />
Rechtfertigung allein aus Glauben, als er bei einer Vorlesung der Einführung Luthers zum Römerbrief<br />
erkannte, dass der Mensch seine Eigengerechtigkeit aufgeben muss, und sich nicht mehr vor Gott<br />
rechtfertigen soll, weil Christus gerecht macht (Lee 2003:152).<br />
Fazit: Wesley war in seiner frühen geistlichen Entwicklung zwischen Gesetz, Anstrengung,<br />
Verbesserung, und Gnadenerkenntnis hin und hergerissen. Er erlebte einen langen Weg von der<br />
Frömmigkeit, Busse und Gottessuche, bis hin zur Erkenntnis der Gnade Gottes. Diese Erfahrungen<br />
prägten stark sein Verständnis von Heiligung. Er verstand seine Suche nach Gott als vorlaufende<br />
Gnade, und erlebte ein langsames Wachstum hin bis zur Erkenntnis der Rechtfertigung durch Christus.<br />
2.1.2.2 Das Heiligungsverständnis Wesleys<br />
Wesley entwickelte in „The scripture way of salvation“ dann folgende Stufen des Glaubens (John<br />
Wesley, zitiert bei Sung-Duk Lee 2003: 166):<br />
1. Das Wirken der vorlaufenden Gnade<br />
2. Die der Rechtfertigung vorausgehende Busse<br />
3. Die Rechtfertigung oder Vergebung<br />
4. Die Wiedergeburt<br />
5. Die Busse nach der Rechtfertigung und das stufenweise fortschreitende Werk der Heiligung.<br />
6. Völlige Heiligung<br />
Zuerst muss der Mensch zur Erkenntnis seiner Sünde und zu Busse und Bekehrung kommen, so dass<br />
er die Rechtfertigung durch Christus erkennt. Mit dieser Erkenntnis befand sich Wesley auf<br />
reformatorischem Boden. Wesley machte aber die Erfahrung, dass kaum jemand Sündenerkenntnis,<br />
24 Ich betone hier „geistlicher Schritt“, weil Wesley sich stark für das wachsende geistliche Leben interessierte.<br />
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Vergebung, das Zeugnis des Heiligen Geistes und ein neues reines Herz im selben Moment erfahren<br />
hatte. Viele kamen stufenweise zur Erkenntnis. Das führte Wesley dazu, die Rechtfertigung und die<br />
Heiligung zu trennen (Mauerhofer 1981:20).<br />
Gemäss Römer 6,6 beginnt bei Wesley die Heiligung dort, wo der Mensch erkennt, dass er in Christus<br />
eingepflanzt ist. Der Mensch erkenne in diesem heiligen Moment, dass er durch Christus auch ganz<br />
von der Sünde frei und geheiligt sei. Erst dann folge ein Fortschreiten und Wachsen in der Heiligung<br />
bis hin zur völligen Heiligung „entire sanctification“, die erst kurz vor dem Tod eintreffen soll. Es gibt<br />
also bei Wesley zuerst das Erkennen der objektiven Heiligung in Christus in einem bestimmten<br />
Moment nach der Bekehrung, und dann die subjektive Heiligung durch Glauben und Handeln bis zur<br />
Vollendung. Wesley hat aber behauptet, dass er selbst die „völlige Heiligung“ nicht erreicht hat<br />
(Mauerhofer 1981:21). 25 Die subjektive Heiligung ist für Wesley ein Fortschreiten in der Liebe, die<br />
objektiv in Christus geschenkt wurde. Dies wirkt sich in praktischen Taten aus, und ist messbar. Es<br />
entsteht ein Streben nach Heiligung durch Werke, eine Leben in tätiger Liebe zu Gott und dem<br />
Nächsten. Für Wesley ist der Heiligungsglaube der Anfang der christlichen Vollkommenheit. Der<br />
Wesleyforscher Sung- Duk Lee (2003:202) sagt dazu:<br />
„Weil dieses Gesetz des Glaubens durch die Liebe erfüllt wird, kann es Wesley auch das Gesetz<br />
der Liebe nennen[...]für Wesley bedeutet im Glauben erlangte vollkommene Liebe die christliche<br />
Vollkommenheit.“<br />
Ich schliesse daraus, dass Wesley hier an ein Wachstum im Glauben, und der darausfolgenden tätigen<br />
Liebe, gedacht hat. Wer also an die Heiligung durch Christus glaubt, der hat Liebe Gottes im Herzen.<br />
Die tätige Liebe hat dann praktische Auswirkungen auf die Umwelt. Wer perfekte Liebe Gottes im<br />
Herzen hat, der tut auch perfekte Werke der Liebe. Es entsteht dann im Leben eine Art Wachstum in<br />
Stufen, bis eine subjektive Vollkommenheit erlangt wird. Die Sünde verliert immer mehr an Macht,<br />
und die Liebe wirkt sich immer mehr aus. Wesley hat keine absolute subjektive Vollkommenheit<br />
gelehrt. Er gestand ein, dass die christliche Perfektion den Begrenzungen des wirklichen menschlichen<br />
Lebens unterworfen ist: „So kann niemand gewissen Arten von Unwissenheit und daraus sich<br />
ergebenden Irrtümern entgehen „ (J. Wesley, zitiert bei Sung-Duk Lee, 2003: 203).<br />
Wesley hat aber am Ende seines Lebens immer enthusiastischer von der völligen Liebe, und der<br />
„völligen Heiligung“ gesprochen. In den Versammlungen Wesleys wurde oft in Andacht und Hingabe<br />
gewartet, um ganz in die Liebe eingewurzelt zu werden. Es war eine Art „zweiter Segen“ (second<br />
blessing), den man erwartete (Packer 1989:141).<br />
Diese Lehre der langsamen und wachstümlichen Veränderung bis hin zur vollkommenen Heiligung<br />
hat einen Zusammenhang mit seinem Verständnis von Sünde. Wesley hat bewusste und unbewusste<br />
Sünde im Leben des Christen unterschieden. Unbewusst gemachte Sünde nannte Wesley keine<br />
wirkliche Sünde. Sun-Duk Lee (2003:205) schreibt dazu:<br />
25 Diese interessante Zusammenfassung zu Wesley beschreibt Erich Mauerhofer in der Einleitung zu seiner<br />
Dissertation „Der Kampf zwischen Fleisch und Geist bei Paulus“ (Mauerhofer 1981:20).<br />
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Luther und Calvin betrachteten die Sündenreste (fomes peccati) nicht nur als<br />
unauslöschbar, sondern auch als sündig; sie fallen unter Gottes gerechte<br />
Verdammnis. Demgegenüber unterschied John Wesley zwischen der Sünde<br />
als einer bewussten, willentlichen Uebertretung eines bekannten Gebotes und<br />
der Sünde als einer unabsichtlichen Uebertretung eines göttlichen Gebotes,<br />
sei es ein bekanntes oder ein unbekanntes. Die erste wird als Sünde im<br />
eigentlichen Sinn bezeichnet.<br />
Dieses Verständnis Wesleys von Sünde wurde dann in der Vollkommenheitslehre angewendet. Die<br />
Sünde als bewusste Sünde sollte ganz aus dem Leben des Menschen herausgerissen werden. Es ging<br />
darum, durch die völlige Liebe voll und ganz von der bewussten Sünde befreit zu werden. James I.<br />
Packer schreibt dazu:<br />
Objektiv betrachtet wird das Einpflanzen bzw. das Herbeiführen der völligen<br />
Liebe im Christen definiert als das Herausreissen und Entwurzeln der<br />
sündigen Begierde aus dem Herzen. Wesley sah mit diesem Wandel des<br />
sittlichen Wesens in geheimnisvoller Weise auch ein Wandel des physischen<br />
Wesens einhergehen.<br />
Durch diese Lehre des Wachstums bis zur Vollkommenheit (sogar physisch) hat sich Wesley klar<br />
positioniert. Seine Auffassung von Heiligung unterschied sich von Luther und Calvin, aber auch von<br />
der Auffassung der Herrnhuter. Die Herrnhuter sahen Rechtfertigung und Heiligung als ein<br />
abgeschlossenes Geschenk, das im Glauben augenblicklich geschenkt wird. Es gibt für Zinzendorf<br />
weder Busse noch Anstrengung durch Werke der Liebe. Alles ist durch Christus ein für allemal<br />
geschenkt. Zinzendorf sagte (zitiert bei Sung-Duk Lee 2003:165): „Gott hat für uns seinen Sohn am<br />
Creutze lassen Busse thun.“ Alles, die Busse, die Rechtfertigung und Heiligung, muss nur immer<br />
wieder durch Christus angenommen und durchlebt werden. Damit gibt es keine Forderungen mehr, die<br />
wir durch eigene Anstrengungen erfüllen müssten. Diese Haltung führte bei den Herrnhutern zu einer<br />
quietistischen 26 Frömmigkeit, die in Gefahr war, die Heiligung ohne ethische Anstrengung<br />
verwirklichen zu wollen. Wesleyforscher Sung Duk Lee (2002:197) erwähnt dies besonders. Erich<br />
Beyreuter sagt aber in seinen Studien zu Zinzendorf (1962:255):<br />
Es geht Zinzendorf einzig und allein um den einen Gedanken: Wir kämpfen<br />
nicht allein. Das soll diesem Kämpfen mit der Sünde alles Gequälte und<br />
Unfrohe, alles Ueberanstrengte nehmen. Widerstand haben wir zu leisten,<br />
aber nicht im Alleingang, sondern in der Lebensgemeinschaft mit Christus,<br />
dem Sieger über Sünde, Tod und Teufel.<br />
Die Herrnhuter Brüder hatten also nicht die gleiche Auffassung von der Heiligung wie Wesley. Sie<br />
bekämpften besonders die Idee der völligen Vollkommenheit bei Wesley, die als Folge von<br />
Anstrengung und Hingabe verwirklicht werden sollte.<br />
26 Quietismus ist eine religiöse Haltung, die sich willen-und tatenlos in Gottes Führung ergibt, Hanselmann,<br />
Fachwörterbuch Theologie, Brockhaus 1987, S.143<br />
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2.1.2.3 Beurteilung Wesleys<br />
Wie bereits gesagt, war John Wesley massgebend daran beteiligt, dass eine Heiligungslehre entwickelt<br />
wurde. Es ist schade, dass er die Heiligung so getrennt von der Rechtfertigung betrachtet hat. Seine<br />
intensiven Diskussionen mit den Hernnhutern zu diesem Thema förderten das theologische Gespräch<br />
über das richtige Verständnis von Heiligung. Meines Erachtens hatte Wesley richtigerweise erkannt,<br />
dass die Heiligung durch Christus und durch sein Werk der Liebe in uns beginnen muss, und dass<br />
dann die Werke der Liebe im Leben umgesetzt werden müssen. Seine sozialen Institutionen beweisen<br />
es. Der Gedanke der völligen Heiligung bei Wesley verursachte natürlich geistliche Sehnsüchte, weil<br />
auf positive Art der allmähliche Sieg über die Macht der Sünde angekündigt wurde. John Wesley<br />
verliess meines Erachtens den Boden des lutherischen Heiligungsverständnisses, als er die<br />
sogenannten „Werke der Liebe“ als messbare Zeichen des Wachstums bezeichnete, und somit das<br />
„iustus et peccator“ allmählich zu einem „iustus non peccator“ umformte.<br />
Es ist für unsere Arbeit über Carl Heinrich <strong>Rappard</strong> auch interessant zu sehen, wie nahe Wesley dem<br />
pietistischen Gedankengut von A.H.Francke stand. <strong>Rappard</strong> kannte bestimmt die Gedanken der<br />
fortschreitenden Heiligung.<br />
2.1.3 Das „reine Herz“ und das „Ruhen in Jesus“ bei Pearsall Smith (1827-1907)<br />
Um die Problematik der Heiligung, und die Herausforderungen, die auf Carl Heinrich <strong>Rappard</strong><br />
zukamen, besser zu verstehen, müssen wir genau verstehen, was die Lehre von Robert Pearsall Smith<br />
war. Der Laienprediger aus Amerika wirkte nicht sehr lange in Europa, beeinflusste aber die<br />
evangelischen Gemeinschaften massgebend.<br />
2.1.3.1 Wie Robert Pearsall und Hanna Withall Smith die Heiligung entdeckten.<br />
Robert Pearsall Smith war Glasfabrikant in Milville (New Jersey). Er und seine Frau Hanna Smith<br />
kamen ursprünglich aus Quäkerkreisen 27 . Um die Mitte des 18.Jh’s entwickelte sich eine starke<br />
Bewegung in Nordamerika, die zum Ziel hatte, Menschen zu Christus zu führen. Das Ehepaar Robert<br />
Pearsall und Hanna Smith nahmen an diesen Massenevangelisationen in Nordamerika teil, die damals<br />
überall im Land durch die Evangelisten Moody 28 und Finney 29 abgehalten wurden (Lange 1990:29).<br />
Entscheidendes geschah aber als Hanna W. Smith, die intensiv nach dem rechten Glauben suchte, den<br />
Römerbrief studierte, und durch verschiedene Kontakte zur Erkenntnis kam, dass sie eine Sünderin ist,<br />
und dass Christus für ihre Schuld gestorben war. Das Festhalten an dieser Tatsache brachte eine erste<br />
27 Quäker, engl. Name für Zitterer, was ein Spottname war für die Glaubensgemeinschaft, die in ihren<br />
Versammlungen ekstatische Erfahrungen suchten. Sie suchten Erfüllung durch Licht und Geist Gottes. Gründer<br />
war George Fox (1624-1691). Ihr eigentlicher Name war „Gesellschaft der Freunde“. Sie lebten ein Christentum<br />
ohne Sakramente und Dogmatik, Hanselmann, Fachwörterbuch Theologie, Brunnen 1987, S.143<br />
28 Moody, Dwight Lyman (1837-1899)<br />
29 Finney, Charles Grandison (1792-1875)<br />
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Wendung in ihrem Leben (Fleisch 2003:19). Ihr Mann Robert P. Smith kam am gleichen Tag, durch<br />
den Einfluss seiner Frau, und durch das Lesen verschiedener Bücher zum Glauben an Christus<br />
(Fleisch 2003:21).<br />
Seine Arbeiter machten ihn daraufhin auf die „Heiligung durch den Glauben“ aufmerksam, so dass er<br />
in die Gedanken der Heiligungslehre eingeführt wurde.<br />
Robert P.Smith war massgebend beeinflusst von seiner Frau Hanna W.Smith, die aus der<br />
Quäkerbewegung kam. Hanna W. Smith erlebte den Durchbruch zur Heiligung in Christus, als sie bei<br />
den Methodisten hörte, dass Christus auch die Macht über die Sünde wegnehmen kann, wenn man<br />
sich ganz auf ihn verlässt. Danach hatte sie schon lang gesucht. Sie schreibt in ihrem Buch „von der<br />
Selbstlosigkeit Gottes“ (H.W.Smith 1910: 171) 30 :<br />
Ich fand, dass die Pointe der Sache in dem Ausspruch des Apostels<br />
bezeichnet ist: „Nicht ich lebe, sondern Christus,“ und dass die<br />
Ueberwinderkraft, wonach mich verlangte, nur dadurch zu erhalten sei, dass<br />
mein eigenes Wirken aufhöre, und ich es der Kraft Gottes überlasse, in mir<br />
das Wollen und das Vollbringen zu schaffen nach seinem Wohlgefallen.<br />
Für Hanna Smith war diese Erkenntnis genügend, um in die völlige Heiligung hineinzukommen. Sie<br />
brauchte dazu kein emotionales Erlebnis. Sie verliess sich einfach mit ganzer Willens - und<br />
Glaubenskraft auf Christus. Hanna überzeugte bald auch ihren Mann, dass in Christus die Heiligung<br />
vollendet sei. Robert P. Smith wurde auf die Bibelstelle in Römer 6 hingewiesen, die von ihr als<br />
massgebender Beweis für ein höheres Leben in der Heiligung galt:<br />
Denn wenn wir verwachsen sind mit der Gleichheit seines Todes, so werden<br />
wir es auch mit der Auferstehung sein, da wir dies erkennen, dass unser alter<br />
Mensch mitgekreuzigt worden ist, damit der Leib der Sünde abgetan sei, dass<br />
wir der Sünde nicht mehr dienen (Röm 6,5+6).<br />
Für R.P. Smith wurde damit aber klar, dass bei ihm ein Verwachsenwerden mit Christus noch<br />
stattfinden musste. Er begann darum zu ringen, bis er auch ganz glauben konnte, dass Christus seine<br />
Heiligung ist. Die beiden sagten nach diesem Erlebnis:<br />
Aber wir wussten jetzt, dass der Herr tatsächlich uns aus jeder Versuchung<br />
erretten konnte und wollte, wenn wir es ihm nur zutrauen. Wir erkannten es<br />
als schriftwidrig und als eine Beeinträchtigung der vollkommenen Erlösung<br />
durch Jesum, wenn wir uns noch für Knechte der Sünde hielten, da er uns<br />
doch von ihrer Sklaverei befreit hat (H.W.Smith, 1910:191).<br />
2.1.3.2 Die Wirkungszeit des Ehepaars Smith in Europa<br />
1873 kam zuerst Robert und dann auch Hanna nach England, weil Robert sich von einem Gehirnleiden<br />
erholen musste, das er sich bei einem Pferdesturz zugezogen hatte. Er veranstaltete kleine<br />
Versammlungen in Dublin, London, Manchester, Cambridge und Paris, um von der neuentdeckten<br />
30 Die Zitate von H.W. und R.P. Smith in diesem Abschnitt sind der Monatszeitschrift „christlicher<br />
Glaubensweg“ entnommen.<br />
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Heiligung zu berichten. Weil das Interesse an den Segnungen gross war, veranstalteten er und seine<br />
Gattin eine erste Konferenz in Broadland Park bei Romsey, wo rund 100 Personen zu Busse, Ablegen<br />
von Sünde und völlige Hingabe an Christus zusammenkamen. R.P.Smith wurde begleitet und stark<br />
beeinflusst von Boardman 31 , der ihm seine Heiligungslehre besonders nahe brachte (Lange 1990:32).<br />
Am Schluss der Konferenz beschloss man, die neuentdeckten Wahrheiten einer Vielzahl von<br />
geistlichen Schlüsselpersonen mitzuteilen. Somit fand die erste Oxfordkonferenz vom 29.August bis<br />
7.September statt, an der etwa 3000 Personen aus ganz Europa teilnahmen. Dieter Lange (1990: 34)<br />
schreibt in seiner Arbeit:<br />
Smith und seine Mitarbeiter Theodor Monod und W.E.Boardman legten<br />
besonderen Nachdruck auf die Lehre von der fortschreitenden Heiligung;<br />
einer Heiligung die nicht im krampfhaften Festhalten von Geboten besteht,<br />
sondern die völlige Hingabe in den Dienst Christi zur Vorraussetzung hat.<br />
Verschiedene Persönlichkeiten aus der Schweiz und Deutschland brachten das Gedankengut der<br />
Heiligung auf den Kontinent: C.H.<strong>Rappard</strong> aus Basel, Theodor Jellinghaus aus Rädnitz, P.Kober aus<br />
Basel, O. Stockmayer aus Hauptwil, O.Pank und O.Müller aus Berlin, und weitere Vertreter aus<br />
verschiedenen christlichen Organisationen. Bald wurde R.P.Smith in die Schweiz und nach<br />
Deutschland zu Allianzveranstaltungen eingeladen. So brachte er den Erweckungsgeist von Oxford<br />
zuerst nach Berlin, dann nach Basel, Stuttgart, Karlsruhe, Frankfurt und Barmen.<br />
Anschliessend reiste er wieder zurück nach England, wo er die zweite Oxford-Konferenz organisierte,<br />
die vom 29.Mai bis zum 7.Juni 1875 stattfand.<br />
Bald nach der zweiten Konferenz verschwand R.P.Smith vom englischen Kontinent und reiste nach<br />
Amerika zurück. Seine Ueberanstrengung und sein Erfolg brachte ihn zu sehr fragwürdigen Aussagen,<br />
die von den Verantwortlichen der Erweckungsbewegung zurückgewiesen wurden. Dieter Lange<br />
schreibt, dass er von einer „besonderen Verlobung mit Christus“ sprach, und an einer Konferenz sagte:<br />
„Stürzet euch in eine heilige Sorglosigkeit“ (Lange 1990: 42). Smith war Laienprediger, was ihm zum<br />
Verhängnis wurde. Er kannte die theologischen Zusammenhänge und die Gefahren einer Irrlehre<br />
zuwenig.<br />
2.1.3.3 Die Theologie des reinen Herzens und das „Ruhen in Jesus“ bei R.S.Smith<br />
Deutlich begegnet uns die Lehre von der Heiligung bei Robert Pearsall Smith in seinen Reden an den<br />
Allianzveranstaltungen in Basel vom 4. bis 11.April 1875.<br />
Ein erster Schwerpunkt war die totale Busse und Hingabe der Christen. Das Leben sollte neu geordnet<br />
werden, um nicht in die richtende Hand Gottes zu fallen. Am Beispiel der Niederlage des Volkes<br />
31 W.E.Boardman, amerikanischer Theologe, der die Gedanken Wesleys aufnahm, sie aber erweiterte und sagte,<br />
dass die Heiligung ein „höheres geistliches Leben“ sei (higher christian life), wenn der Christ erkenne, dass er<br />
ganz geheiligt in Christus sei, und dies „moment by moment“ vollziehe, also in jedem Augenblick. In diesem<br />
Zustand solle der Christ dauernd bleiben (Lange 1990:33).<br />
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Israel in Ai (Jos 7) zeigte er z.B. auf, wie gefährlich die Sünde im Leben eines Christen sein kann. Er<br />
erklärte, dass auch die kleinste Sünde den Segen Gottes stoppen könne. Die Zuhörer wurden so<br />
sensibilisiert für ihre eigene Sünde. Ziel dieser Sündenerkenntnis der Christen war die totale Hingabe<br />
an Christus, und die Befreiung von der Macht der Sünde, ein reines Herz, das in der dauernden<br />
Hingabe durch die Busse und Erlösung ganz gereinigt wurde.<br />
Smith betonte aber auch, dass ein Christ, der in der ganzen Hingabe an Christus lebt, im Glauben den<br />
vollen Sieg über die Sünde erfahren kann. Dies war ein grosses Versprechen! Ein Beispiel aus einer<br />
Predigt zeigt dies deutlich:<br />
Ein kleines Mädchen fuhr mit mir durch den Wald in England und sagte zu<br />
mir: Jetzt bin ich so glücklich, seit ich sie letzten Sonntag predigen hörte.“<br />
„Warum mein Kind?“ „Weil ich dem Herrn Jesu vertraue.“ „Aber du hast<br />
doch schon früher geglaubt, dass Jesus dir deine Sünden vergeben habe?“<br />
„Ja“ erwiderte sie, „ich vertraue ihm aber jetzt mehr. Wenn die Sünde<br />
kommt, dann sage ich: ́Jesus rettet mich! ̀ und Jesus rettet mich.“ „und<br />
bewahrt dich auch Jesus?“ Mit fast vorwurfsvollem Blick erwiderte sie: Ja,<br />
natürlich thut er das.“ Bittest du auch, dass du geheiligst werdest, und glaubst<br />
du auch, dass du erhört werdest, wenn du bittest: erlöse mich von dem<br />
Uebel?...“ (R.P. Smith 1875:50)<br />
Smith sagt von sich selbst, dass die Heiligung bei ihm erst wirklich begann, als er erkannte, dass Jesus<br />
ihm volle Macht über die Sünde gegeben hatte:<br />
Erst zehn Jahre, nachdem ich zuerst zu Jesu gekommen war, lernte ich, wie<br />
vollkommen er mich von der Sünde befreien kann, und seither wohnt sein<br />
Geist wie eine friedliche Taube in meinem Herzen (R.P.Smith 1875: 53).<br />
Mit diesen Aussagen wollte Smith deutlich machen, dass ein andauerndes reines Herz und eine<br />
andauernde Befreiung von der Sünde möglich sei. Um dies zu Erreichen trat der Glaube an die<br />
Vergebungs- und Erlösungsmacht Jesu neu in den Vordergrund. Ein neues „Ruhen in Jesus“ wurde<br />
betont. Der Glaube und das Vertrauen in Jesus wurden neu gestärkt. Viele laue oder sehr<br />
oberflächliche Christen erkannten ihre Sünde, und wurden neu zu Jesus hingezogen. Sie machten<br />
sozusagen noch einmal einen neuen seriösen Anfang im Glauben an Jesus und seine Kraft. Auch viele<br />
gesetzliche, übereifrige, strenge und ängstliche Christen fanden in der neuen Ruhe in Jesus viel Trost<br />
und atmeten auf. Das konnte auch ganz emotional erfahren werden, so dass selbst die trockenen<br />
Gemüter plötzlich überschwänglich von Jesus reden konnten.<br />
Smith ging aber sehr weit in seiner Erwartung, dass Jesus den Gläubigen, ohne seine Anstrengung,<br />
von jeglichem Angriff der Sünde befreien könne. Das Versprechen, dass allein der Glaube an Jesus<br />
von der Macht der Sünde befreit, ohne dass der Gläubige praktisch gegen die Sünde kämpfen muss, ist<br />
sehr umstritten, wie wir später noch sehen werden. Nebenbei erwähnt: Wenn der Sieg über die Sünde<br />
nicht erreicht wurde, dann musste dies logischerweise als Mangel an Glaube bezeichnet werden, was<br />
wiederum sensible Christen sehr belasten konnte.<br />
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Smith beschränkte allerdings seine Aussagen über den Sieg über die Sünde nur auf die „bewusste“<br />
Sünde, die Sünde, die man bewusst erkannte (siehe Wesleys Sündenverständnis 2.1.2.2), was ihm<br />
einige Probleme ersparte, jedoch die Frage der Macht der Sünde nicht definitiv beantwortete.<br />
Andeutungsweise sehen wir dies in der folgenden Aussage:<br />
Die unbewussten Sünden meiner heutigen Thätigkeit werden gedeckt durch<br />
Jesum Christum. Für alles aber, was als Sünde in mein Bewusstsein kommt,<br />
habe ich eine offene Zuflucht in Christo. Insoweit ich die Sünde erkenne und<br />
meine Zuflucht zu Christo nehme, habe ich ein reines Gewissen (R.P.Smith<br />
1875:72).<br />
Hier sehen wir die Verbindung zu John Wesley, der genau die gleichen Aussagen machte, und<br />
unbewusste Sünde von bewusster Sünde trennte. Der Sieg über die Macht der Sünde wurde also nur<br />
auf die Sünde bezogen, die auch wirklich als Sünde erkannt wurde.<br />
2.1.3.4 Der theologische Hintergrund von Robert Pearsall Smith<br />
Smith hatte keine theologischer Bildung, war aber theologisch beeinflusst. Folgende Einflüsse sind zu<br />
erkennen:<br />
Katholische Mystik: Seine Frau H.W.Smith las die katholischen Mystiker und entdeckte, wie man<br />
durch den Willen, und durch totale Hingabe, ganz zu Gott hinzukommen kann. R.P.Smith beweist in<br />
seinen Aussagen an der Konferenz diesen Einfluss, als er sagt: „Fénélon sagt richtig: ́Die Religion<br />
liegt im Willen. ̀ Die Gefühle kommen und gehen; aber mit dem Willen kannst du immer in Gott<br />
bleiben“ (R.P.Smith 1875:103).<br />
Quietistischer Einfluss der Quäker: Smith wurde durch seine Frau, die aus Quäkerkreisen kam, für die<br />
quietistischen Gedanken gewonnen. Seine Frau schreibt: „Durch dies alles habe ich die Ueberzeugung<br />
gewonnen, dass die Quäker eine Gemeinschaft zur Förderung des inneren Lebens sein sollten. Ihre<br />
Aufgabe war[...]zu einer engeren Verbindung mit Gott zu führen und zu einem Leben beständigen<br />
Vertrauens auf ihn“ (H.W.Smith 1910:203).<br />
Methodistischer Einluss: Smith besuchte schon früh die Versammlungen der Methodisten und<br />
erkannte, dass die Liebe Christi eingewurzelt sein muss. Er hat dies zuerst im Glauben erfasst, und<br />
später auf sehr emotionale Art erlebt. Er entdeckte eine besondere Erfüllung des Geistes, den zweiten<br />
Segen „second blessing“, was er als Geistestaufe verstand. Seine Frau nannte es die „Erkenntnis der<br />
Wahrheit“, nämlich, dass Jesus alle Macht der Sünde gebrochen hatte, und dass der Glaube daran in<br />
ihn eingepflanzt wurde (H.W.Smith 1910:207). 32<br />
32 Es ist nicht ganz klar zu erkennen, ob Smith dieses emotionale Erlebnis, das mit einem „Leuchten auf dem<br />
Gesicht“ einherging, vor oder nach seinem Englandaufenthalt erlebte.<br />
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2.1.3.5 Beurteilung von R.P.Smith<br />
Wie bereits gesagt, Robert Pearsall Smith hatte neu die Kraft Jesu entdeckt. Das ist unbestritten. Es<br />
war ein Hoffnungsschimmer für viele Christen, die enttäuscht waren über ihren Glauben und die<br />
Kirche, und die sich nach neuer Freude und mehr Wachstum im Glauben sehnten. Wie bei vielen<br />
Erweckungen, so geschah es aber auch hier, dass es eine Neuentdeckung war, die relativ einseitig war.<br />
Die Kraft Jesu und seines Namens wurde zwar entdeckt, aber es fehlte an klarer theologischer<br />
Reflektion. Der Gegensatz zwischen „Ruhen in Jesus“ und „Kampf gegen die Sünde“ wurde zuwenig<br />
verstanden. Smith verstand die Heiligung als ein „Kämpfen um die Ruhe in Jesus“, um damit die<br />
Anfechtung abzuwehren. Zwar hat er die Kraft Jesu neu betont, aber er hat die Wachsamkeit des<br />
Menschen gegenüber der Sünde fasst vergessen. Auch liest man nicht viel von der Bekehrung und<br />
Rechtfertigung. Smith hat die Heiligung überbetont und von der Rechtfertigung abgelöst. In seinen<br />
Ansprachen sehe ich auch sehr wenig von der positiven Seite der Ethik. Die Gaben und Früchte des<br />
Geistes werden wenig erwähnt. Smith vergisst den Auftrag zur tätigen Liebe und zu den Werken des<br />
Glaubens. Es geht mehr um die Abwehr von Anfechtung und Sünde. Seine Frömmigkeit wirkt leicht<br />
egoistisch. Grundsätzlich hat aber sein Wirken in Europa eine neue Hingabe an Jesus ausgelöst, was<br />
positiv einzuschätzen ist.<br />
2.1.4 Die Entwicklung zur Keswick- <strong>Heiligungsbewegung</strong><br />
Trotz der Rückkehr R.P.Smith nach Amerika wurde in England die Heiligungslehre weiter<br />
vorangetrieben. Der Vikar Canon Harford-Battersby aus Keswick (Cumberland) hatte auch an den<br />
Segentagen in Oxford teilgenommen, und er wollte weitere Konferenzen durchführen. So lud er ein zu<br />
einer ersten „Convention for the Promoting of Practical Holiness“, die am 28.7.1875 in Keswick<br />
stattfand. Weitere Konferenzen folgten jährlich (Fleisch 2003:365).<br />
Es waren Zusammenkünfte, um das geistliche Leben der Gläubigen zu vertiefen. Grundsätzlich ging<br />
es um die Erkenntnisse in Römer 6, 1-14, besonders aber Vers 11 wo steht:<br />
„So auch ihr, haltet euch der Sünde für tot, Gott aber lebend in Christus Jesus.“ Die Keswick<br />
Konferenzen sollten also die Christen ermutigen, ihr Leben als Neuschöpfung für Gott zu leben, im<br />
vollen Vertrauen darauf, dass Christus in seiner Auferstehung alles gemacht hat, und dadurch jetzt ein<br />
neues Leben ohne bewusste Sünde möglich sei.<br />
Sie erkannten positiv, was Röm 6,13 sagt: „Stellt euch selbst Gott zur Verfügung als Lebende aus den<br />
Toten“. Aehnlich wie Smith betonte man aber an den Konferenzen, dass der Mensch lediglich<br />
„Ruhen“ müsste, und passiv in Christus bleiben müsste. Die Neuentdeckung von R.P.Smith wurde<br />
also noch verschärft und zur Lehre erklärt. James Packer schreibt (1989:149):<br />
Was sie hier unter dem Begriff Glauben verstanden, war erstens die bewusste<br />
und beständige Ueberzeugung, man sei tatsächlich für die Sünde tot, für Gott<br />
aber lebendig; zweitens das bewusste und beständige Vertrauen darauf, dass<br />
Christus durch den Heiligen Geist im Leben des Gläubigen von Augenblick<br />
zu Augenblick die Sünde besiegt und Gerechtigkeit wirkt; und drittens der<br />
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spezielle Gebrauch der Kraft des Heiligen Geistes bei jeder Versuchung zum<br />
Bösen, indem der Gläubige ausdrücklich darum bittet.<br />
Die Keswick-Lehre baute ganz auf den Erkenntnissen der <strong>Heiligungsbewegung</strong> auf, und machte das<br />
quietistische, passive Vertrauen auf Jesus zum Massstab der Heiligung. Wie James Packer dies<br />
richtigerweise darstellt, verwandelte sich die Heiligung durch die Keswick Konferenzen zu einer<br />
geistlichen Technik (Packer 1989:149). Sie bezeichneten ähnlich wie bei Wesley das Leben der<br />
Geheiligten als höheren Weg des Glaubens. Die Anhänger kritisierten jeglichen Kampf gegen die<br />
Sünde. Die Keswick Lehre kam zur Erkenntnis, dass ein vollkommenes Handeln der Gläubigen<br />
möglich sei.<br />
Wer immerwährend auf Christus schaut, wird vollkommen in Christus handeln. Sie lehrten<br />
gleichzeitig, dass das Herz, die Motive des Menschen tot und sündig bleiben, und aus sich selbst,<br />
nichts Gutes tun können. Es braucht immer wieder den Glauben, der unverwandt auf Christus schaut.<br />
Diese Argumentation wurde durch die Auslegung von Römer 6-8 immer wieder wiederholt.<br />
Römer 6,1-14 galt als Anleitung, wie man sich fortwährend in den Tod und die Auferstehung Jesus<br />
hineinbegeben müsse.<br />
Römer 7,7-25 wurde als Beispiel herangezogen, wie ein Mensch sich verhält, wenn er noch selbst<br />
kämpft, und noch nicht die Kraft der Erlösung von der Macht der Sünde durch Christus erfahren hat.<br />
Römer 8,1-13 dann der Durchbruch zum höheren Leben in Christus, wenn der Gläubige erkennt, dass<br />
in Christus alle Macht der Sünde gebrochen ist, so dass ein Leben im Geist beginnt.<br />
Diese Auslegung von Römer 6-8 geht davon aus, dass die Kapitel die zeitliche Reihenfolge in der<br />
Heiligung beschreiben, und dass ab Römer 8,1 ein himmlischer Segen den Gläubigen erfüllt und ihn in<br />
den Zustand eines höheren Lebens in Christus führt. Nur ist diese berühmte Auslegung sehr<br />
zweifelhaft, und entspricht nicht dem, was Paulus wirklich sagen wollte. Wir werden im folgenden<br />
Abschnitt diese Kapitel untersuchen.<br />
Fazit: Die Keswick – Lehre mit dem Motto: „Kämpfe nicht selber, sondern überlasse es dem Herrn<br />
Jesus“ ist ähnlich wie bei Smith sehr verführerisch, weil sie wie ein Wundermittel Heilung von der<br />
anklebenden Sünde verspricht, indem sie einen vollständigen Sieg verspricht. Es ist bestimmt gut<br />
gewesen, dass die Sünde ernst genommen wurde, und dass Christus im Mittelpunkt stand. Mir scheint<br />
aber dass der Bogen überspannt wurde, und dass Heiligung einseitig auf die Verhinderung von<br />
moralischem Versagen bezogen wurde. Das Bestreben wurde sehr anthropozentrisch, als Versuch, den<br />
Menschen möglichst glücklich und rein zu machen, ohne dabei Gott und seinen ganzen Heilsplan für<br />
den Menschen zu erkennen und zu tun. Die Keswick – Lehre führte zu Selbstgefälligkeit. Darum<br />
schliesse ich mich mit meiner Beurteilung an die Meinung James Packers an, der sagt:<br />
Dass dieses Ideal den Menschen selbst und nicht Gott oder den Nächsten in<br />
den Mittelpunkt stellt[,] und dass es ein Wachstum moralischer und<br />
geistlicher Erkenntnis eher verhindert als fördert, ist offensichtlich. Das<br />
gegenwärtige Glück zum gegenwärtigen Ziel zu erklären ist nicht der Weg<br />
der biblischen Frömmigkeit. Ein ruhiges, sonniges und geordnetes Leben<br />
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ohne Leid und ohne Kummer ist kein Gütezeichen für unseren Wandel mit<br />
Gott (Packer 1989:156) 33<br />
2.2 Die Erneuerung im Leben von Carl Heinrich <strong>Rappard</strong><br />
2.2.1 Seine Sehnsucht nach Erneuerung<br />
Wir wissen, dass Carl Heinrich <strong>Rappard</strong> ein ernsthafter Mensch und ein hingegebener Christ war. Er<br />
wollte sein Leben nach Gott ausrichten. Wir haben gesehen, dass sein Vater ihn massgebend geprägt<br />
hatte. Gottesfurcht, Gehorsam und Hingabe waren Kennzeichen der Erziehung.<br />
Dabei hatte der Vater nicht nur auf eine schnelle Bekehrung der Kinder gedrängt, sondern durch<br />
tägliche Andachten dafür gesorgt, dass ein Bewusstsein für Gottes Wirklichkeit im Leben entstand,<br />
und eine fortlaufende Hingabe an Gott vorgelebt wurde. Carl Heinrich lernte sehr früh einen tiefen<br />
Respekt vor Gott kennen, und es entstand eine Sehnsucht, ihm zu gefallen.<br />
Darum sehen wir regelmässig ein Ringen um mehr Heiligkeit und Hingabe des Lebens an Gott.<br />
Während seiner theologischen Ausbildung schreibt er einmal (<strong>Rappard</strong>, zitiert nach D.<strong>Rappard</strong><br />
1910:28): „Gestern hat der Herr mich erfahren lassen, dass es in meinem Innern noch ist, wie mit<br />
einem trübern Wasser[...]mit Tränen habe ich den Heiland um Vergebung meiner Sünden gebeten,<br />
besonders meiner Heftigkeit in früheren Jahren.“<br />
Auch als Christ lebte <strong>Rappard</strong> demütig und im Bewusstsein, dass er die Busse nötig hatte, um von<br />
Gott verändert zu werden. Später auf seiner Sprachreise durch England und Schottland schrieb er in<br />
sein Tagebuch (<strong>Rappard</strong>, zitiert bei Dora <strong>Rappard</strong> 1910:38):<br />
„Herr, ich bitte dich nicht sowohl: lehre mich deinen Weg, als vielmehr gib mir die Kraft, nach deinem<br />
Willen zu wandeln. Gib mir nicht nur das Wollen, sondern auch das Vollbringen[...]ich muss mich<br />
hüten, ja keinen Frieden zu schliessen mit kleinen Sünden und Untreuen.“<br />
Ich möchte nicht sagen, dass <strong>Rappard</strong> viel mehr als andere Christen gegen Sünde kämpfte, oder Gott<br />
zu gefallen suchte, aber wir spüren bei ihm eine ehrliche Sehnsucht nach praktischer Verwirklichung<br />
des Reiches Gottes in seinem Leben. Er war ein Gott hingegebener Christ.<br />
Seine Briefe an die Schwester zeigen auch sehr grosse Emotionalität, eine innere Sanftheit und<br />
Feinfühligkeit, über die ich nur gestaunt habe (<strong>Rappard</strong> zitiert bei D. <strong>Rappard</strong> 1910:24):<br />
Meine liebe Schwester! Diesen Abend erhielt ich deinen lieben Brief, der<br />
meine Seele erfreut. Ich danke mit dir dem Gott, der im gleichen Augenblick<br />
dich sieht und mich sieht. Ja, ich darf es sagen, auch ich bin glücklich und<br />
teilhaftig der grossen Gnadengaben des Herrn. Ich bin ein Glied des Leibes,<br />
zu welchem auch du gehörst. Mein Herz hüpft vor Freude, wenn ich sehe,<br />
wie der Herr die Glieder unserer Familie eines um das andere zu sich zieht.<br />
33 Ich habe in der Beschreibung der Keswick – Lehre vor allem das Buch von James Packer konsultiert, Auf den<br />
Spuren des Heiligen Geistes, Brunnen 1989.<br />
<strong>Stefan</strong> <strong>Fuchser</strong> IGW International 7.11.2008
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Solche Sprache der Anteilnahme, Fürsorge und Spiritualität ist sehr bemerkenswert. <strong>Rappard</strong> war ein<br />
sensibler Mensch mit viel Sinn für das Wohlergehen des Mitmenschen. Er litt deshalb unter der<br />
Lieblosigkeit, und manchmal unter der Weltlichkeit mancher Christen. Während seiner Studienzeit auf<br />
Chrischona schrieb er einmal (<strong>Rappard</strong>, zitiert bei D.Rapprd 1910:29):<br />
Seit langer Zeit sahen und spürten einige unter uns Brüdern, dass es zu lau<br />
hergehe in der Anstalt. Es war uns oft, wie wenn ein Bann auf uns läge. Wir<br />
liessen uns zu sehr gehen im Scherzen und Schwatzen[...] Herr lass uns Leute<br />
werden, wie es die ersten Diakone waren: Männer voll Glaubens und heiligen<br />
Geistes!<br />
Diese Sensibilität für seine eigene Sünde und die Sehnsucht nach Veränderung des Charakters nach<br />
Gottes Massstäben, ist beachtenswert. <strong>Rappard</strong> wollte sehen wie Gott wirken kann. Er wollte sehen,<br />
wie Menschen verändert werden, und wie Gott neue Erweckung und neuen Aufbruch schenkt. Seine<br />
Sensibilität und seine Ernsthaftigkeit machten ihn offen für neue geistliche Entdeckungen. Sein<br />
Gebetsgeist erwartete von Gott Grosses. <strong>Rappard</strong> war ein sehnsüchtiger Mann, der den Segen Gottes<br />
suchte, der bereit war, alles zu tun, damit Gott wirken kann, und der darunter litt, wenn Menschen im<br />
Glauben unentschlossen oder lau waren. <strong>Rappard</strong> (1875:1/Bd1) schreibt im „Glaubensweg“ CGW 34 :<br />
„Ein Geist der Schlafsucht, Sicherheit und Ermattung greift vielfältig um sich.“<br />
Es ging <strong>Rappard</strong> um eine gründliche Hingabe an Gott. Bei sich selbst und bei anderen Menschen sah<br />
er oft den Hang zur Lauheit und zur Sünde. Die Frage der Heiligung stellte sich ihm immer wieder<br />
unweigerlich. Er nahm diese Frage sehr ernst. <strong>Rappard</strong> (1875:4) schreibt im CGW: „Wie oft war ich<br />
geschlagen, wenn ich andern in der Predigt angepriesen hatte, was ich noch nicht völlig besass.“ Als<br />
<strong>Rappard</strong> zu den Versammlungen von Robert Pearsall Smith nach Oxford eingeladen wurde, war er<br />
vorbereitet und voller Erwartungen.<br />
Dazu kommt, dass die Erneuerung, die <strong>Rappard</strong> dann in England erlebte, eine Art Gebetserhörung<br />
war. Er betete schon auf Chrischona um eine Erfüllung mit dem heiligen Geist. Bunke schreibt (1953:<br />
39), was <strong>Rappard</strong> wünschte:<br />
Wir haben uns ermahnen lassen durch die heilige Schrift und haben viel von<br />
Heiligung gesprochen, und es hat doch viel gefehlt am stillen ernsten Wandel<br />
vor dem Angesicht des Herrn in der Zucht seines Heiligen Geistes. Darum<br />
hat der Inspektor gemeinsam mit den Lehrern die Knie gebeugt und immer<br />
neu den Herrn um den Geist von oben für sie angerufen.<br />
34 Der christliche Glaubensweg, monatliche Schriften von <strong>Rappard</strong> herausgegeben im Spittlerverlag. „CGW“ ist<br />
die Abkürzung, die ich künftig in den Referenzen dafür benutze.<br />
<strong>Stefan</strong> <strong>Fuchser</strong> IGW International 7.11.2008
PT 7496 <strong>Diplomarbeit</strong>: Carl Heinrich <strong>Rappard</strong> und die <strong>Heiligungsbewegung</strong> A–27<br />
2.2.2 Das Erlebnis in Oxford<br />
<strong>Rappard</strong> kam am Samstag, 29.August, mit seinem Schwager Paul Kober-Gobat nach 28 stündiger<br />
Reise in Oxford an. Die Konferenz war von R.P.Smith gut vorbereitet worden, so dass jeder der rund<br />
3000 Teilnehmer 35 aus unterschiedlichsten Kirchen Europas ein Begleitheft in Empfang nahm. In<br />
diesem Heft waren 30 Lieder abgedruckt, dazu gab es einen Lageplan der Unterkünfte und<br />
Treffpunkte, einen Tagesablauf und eine geistliche Hausordnung. <strong>Rappard</strong> (1875: 7/Bd1) beschreibt<br />
im CGW den Tagesablauf folgendermassen:<br />
7 Uhr Morgengebetsstunde<br />
8.30 Uhr Frühstück<br />
9.30-11.30 Uhr Versch. Frage- und Besprechungsstunden<br />
11.45-1.30 Uhr Allg. Versammlung<br />
1.30-3 Uhr Mittagessen und stille Sammlung<br />
3-4 Uhr Bibelstunde<br />
4-5.30 Uhr Allgem.Versammlung<br />
5.30-6 Uhr Thee<br />
6-7.30 Uhr Pastoral-Conferenz<br />
7.45-915 Uhr Allgem.Versammlung<br />
Der Tagesablauf liess nicht viel Zeit für Zerstreuung frei. Die Teilnehmer wurden in die Busse und in<br />
die totale Hinhabe an Gott hineingeführt. Die geistliche Hausordnung verlangte, dass die Teilnehmer<br />
nur die Bibel lesen sollten, und dass unnötige Gespräche mit anderen Teilnehmern zu vermeiden<br />
wären. Kleidung und Essen sollten schlicht und einfach sein. Auf dem Blatt wurde auch eine<br />
Anleitung zu ganzer Umkehr zu Gott und zu völligem Glauben an die Erlösung durch Christus<br />
gegeben. Die Teilnehmer sollten Respekt vor Gott, und neues Vertrauen zu ihm finden (<strong>Rappard</strong><br />
1875:8): „Sollte die Gemeinschaft mit Gott durch eine Sünde auf einen Augenblick unterbrochen<br />
werden, so lass dir durch sofortiges Bekenntnis den Frieden wieder herstellen.“<br />
<strong>Rappard</strong> war sehr offen für eine Erneuerung. Er freute sich auf die Ansprachen und Reden von Smith.<br />
Er bewunderte Smith als Person. Er sah in ihm ein Vorbild. Früher schon hatte er interessante Artikel<br />
von ihm gelesen. Nun konnte er neues lernen. Besonderen Eindruck machte auf ihn die Spiritualität<br />
von Smith. Bei Smith hatte <strong>Rappard</strong> den Eindruck, einen echten Pietisten kennen gelernt zu haben, der<br />
Glaube, darausfolgendes Handeln und von Gott geprägte Persönlichkeit miteinander verband. Er<br />
schreibt im CGW (1875:5):<br />
35 Dieter Lange schreibt, dass 3000 Christen die zwei ersten Tage zum Gebet und zur inneren Sammlung<br />
zusammenkamen, bevor dann die regelmässigen Vorträge stattfanden.<br />
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Sein Benehmen hat etwas sehr einfaches und ungezwungenes; seine<br />
Handlungsweise verräth den praktischen und gewandten Geschäftsmann; sein<br />
Auge leuchtet von Liebe zu seinen Mitmenschen, und wer je Gelegenheit<br />
hatte, ihn längere Zeit und unter verschiedenen Verhältnissen zu beobachten,<br />
der bekommt den Eindruck, dass ein tiefer Friede, die Frucht eines Wandels<br />
im Licht und einer ununterbrochenen Gemeinschaft mit Gott in seinem<br />
Herzen wohnt, und diesem Knechte Gottes Kraft gibt, auch mitten im Strudel<br />
des Lebens innerlich gefasst, und im Umgang mit seinen Nebenmenschen<br />
leutselig zu sein.<br />
Einem solchen Mann Gottes konnte sich <strong>Rappard</strong> anvertrauen, und er öffnete sich voll dem Einfluss<br />
von Oxford.<br />
Während der ersten Tage kam <strong>Rappard</strong> wie viele andere Teilnehmer zu einer persönliche Einkehr, und<br />
zum Nachdenken über sich und die Beziehung zu Gott. Er spürte den Anspruch Gottes auf sein Leben<br />
ganz neu. Sünde, Selbstsucht, Selbstherrlichkeit und Halbherzigkeit in der Nachfolge, wurden<br />
öffentlich erwähnt, und als klare Hindernisse der Heiligung dargestellt. Jeder Pastor, jeder Christ sollte<br />
sich die Frage stellen: „Willst du dich deinem Gott, der dich geliebt und mit seinem Blut erkauft hat,<br />
völlig übergeben? Willst du deinen Willen auf die Seite Gottes stellen und hassen, was er hasst; lassen,<br />
was er dich lassen heisst, und hinfort thun, was er dich thun heisst“ (<strong>Rappard</strong> 1875:8)?<br />
Auch <strong>Rappard</strong> wurde von einer tiefen Busse erfasst. Er schreibt später im christlichen Glaubensweg<br />
(<strong>Rappard</strong> 1875:8/Bd1), wie der heilige Geist in der Nacht seine Gedanken beeinflusste:<br />
Willst aufhören vom eigenen Wirken und von Grund deines Herzens<br />
sprechen: Himmlischer Weingärtner, reinige du mich Reben am Weinstock,<br />
damit ich viele Früchte bringe zu deiner Ehre? Geliebte, dies Fragen scheint<br />
leicht zu beantworten; aber wenn sie einem durch den erleuchtenden und<br />
wirkenden Geist Gottes gestellt werden, durch welchen die Antwort gleich<br />
zur That wird, geht es, das habe ich erfahren, nicht so leicht. Doch sie wurde<br />
von Vielen und auch von mir gegeben.<br />
Warum war der Aufruf zur Busse so erfolgreich, waren doch hier viele Teilnehmer Pastoren und<br />
Geistliche? Waren denn diese Menschen nicht schon genügend Gott hingegeben? Die Antwort liegt in<br />
der Realität der täglichen Heiligungserfahrung verborgen. Die Zeit war eben reif, einmal darüber<br />
ehrlich nachzudenken, warum der Christ keinen beständigen Sieg über die Sünde erlebt, und wie<br />
dieser Sieg doch endlich errungen werden könnte. Diese Pastoren hatten Sehnsucht nach mehr<br />
Gotteserfahrung. Sie litten unter der ständigen Versuchung zur Sünde, und der erlebten Niederlagen.<br />
Sie hatten Verlangen nach mehr Freude an Gott, nach mehr Ausgeglichenheit des geistlichen Lebens,<br />
nach mehr Verwirklichung des Reiches Gottes. Die Hauptredner R.P.Smith, W.E.Boardmann und Th.<br />
Monod wurden für sie persönliche Vorbilder, denn sie sprachen nicht nur vom Ende der Macht der<br />
Sünde durch Christus, und von einem geheiligten Leben mit Gott, sondern sie lebten dies auch<br />
ernsthaft vor. Jeder wünschte sich nichts sehnlicher als das. Jeder suchte für sich, seine Gemeinde und<br />
sein Werk diese Klärung der Heiligung, diese Neuhingabe und Erneuerung.<br />
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So gab auch <strong>Rappard</strong> sein Leben ganz neu in die Hand Gottes. Er bekannte Gott seine verborgenen<br />
Sünden, und erlebte Vergebung. Die Freude darüber war sehr gross. Er verspürte eine neu Nähe zu<br />
Gott. Die Kraft Gottes erfuhr er ganz neu. <strong>Rappard</strong>, weit weg von Chrischona, erfuhr eine Stärkung<br />
und Belebung seines Glaubens. <strong>Rappard</strong> (1875:8/Bd 1) sagt nach seiner Neuhingabe:<br />
Ich muss es freudig bezeugen, dass ich einmal auf meinem Lager während<br />
mehrerer Stunden der Nacht nichts anderes thun konnte, als den süssen<br />
Vaternamen in meinem Herzen bewegen, der mir immer tiefer und immer<br />
unerschöpflicher an Gnade und Liebe wurde. Eine weitere Frucht dieser<br />
Gnadenzuflüsse war die, dass uns die Bibel als ein neues Buch erschien.<br />
Rückblickend sieht <strong>Rappard</strong> diese Zeit als besondere Segenszeit an, in der er vom Geist Gottes<br />
besucht und erfüllt wurde. Es war für ihn eine Erfrischung und eine Neubelebung der Liebe und der<br />
Freude an Gott:<br />
Ein seit der ersten Liebe schmerzlich vermisster oder auch wohl noch nie<br />
gekannter Friede mit einem freudigen Gefühl der Nähe eines ganz versöhnten<br />
Gottes erfüllte die Herzen. Die Lippen öffneten sich zum Lobe Gottes[...]der<br />
heilige Geist wehte und bewegte – nicht die Stätten (Stadthalle und<br />
Kornhalle), wo wir versammelt waren, wohl aber die Herzen<br />
(<strong>Rappard</strong> 1875:9).<br />
<strong>Rappard</strong> erlebte eine innere Erneuerung und Geisteserfüllung. Es ist ganz klar, dass die Tage in<br />
Oxford für <strong>Rappard</strong> eine innere Stärkung und Ermutigung für seinen schwierigen Beruf in der<br />
Schweiz war. Zusammenfassend sagt <strong>Rappard</strong> über diese Tage (<strong>Rappard</strong>, zitiert bei Paul Fleisch 2003:<br />
57):<br />
- Durch die Gnade habe ich Kraft gefunden, mein Ich in den Tod zu<br />
geben.<br />
- Jesus ist mir gross und köstlich geworden wie noch nie zuvor<br />
- Von meiner Nichtswürdigkeit bin ich tiefer ueberzeugt worden.<br />
- Die heilige Schrift ist mir leuchtender und realer geworden.<br />
Zuerst waren die Tage also eine persönliche Ermutigung und Erneuerung. Jesus wurde wieder an die<br />
erste Stelle gesetzt. Der neue Weg der Heiligung, nämlich Heiligung durch den Glauben an Jesus,<br />
wurde <strong>Rappard</strong> erst durch diese persönliche Neuhingabe neu lebendig. Zwar predigte er schon immer<br />
die Hingabe und Erlösung durch Christus, aber nun hatte er die Gegenwart und Kraft Christi ganz neu<br />
erfahren. Es war der Anfang eines geistlichen Neuaufbruchs im Leben von Carl Heinrich <strong>Rappard</strong>.<br />
2.2.3 Die Veränderungen in <strong>Rappard</strong>s Leben<br />
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Es ist zuerst eine interessante Frage, ob <strong>Rappard</strong> durch die Erfahrungen in Oxford in seiner<br />
Gottesbeziehung wirklich grundlegend verändert wurde. Es ist eine wichtige Frage, ob die Tage der<br />
geistlichen Segnungen nachhaltig Einfluss auf seinen Charakter und seine Persönlichkeit hatten?<br />
Wenn man seine Lebensgeschichte oberflächlich liest, spürt man vorerst keine grosse Veränderungen,<br />
ausser die neue Sicht der Heiligung, und das neue Streben sich noch mehr unter die starke Hand<br />
Gottes zu beugen.<br />
Vergleicht man aber die Erzählungen seiner Frau vor und nach Oxford fällt einiges auf, das<br />
bemerkenswert ist:<br />
2.2.3.1 Eine neue und innigere Beziehung zu Jesus<br />
Nie lesen wir so überschwängliche Worte über die Beziehung zu Jesus, wie direkt nach der Rückkehr<br />
in die Schweiz. Jesus wurde ganz neu ins Zentrum von Denken und Handeln gerückt. Aus dem eher<br />
ernsten Gottesmann wurde auch ein begeisterter Jesusmann. Ich möchte dies anhand einiger Zitate<br />
darstellen. Bevor <strong>Rappard</strong> aus Aegypten nach Chrischona zog, um Inspektor der Pilgermission zu<br />
werden, offenbarte er seine frühere Lebenshaltung in einem Brief (<strong>Rappard</strong>, zitert in Dora <strong>Rappard</strong><br />
1910:72) als Antwort auf seine Berufung als Inspektor an das Komitee. Er sagt:<br />
Ich fühle mich überaus klein und gering und nicht wert aller Barmherzigkeit<br />
meines Gottes. Doch sein bin ich und will ich sein, und zwar sein Knecht. Er<br />
kann mich hinstellen, wo er will. Das Leben scheint mir so ernst, und die<br />
Berufung so gross. O möge Gott uns heiligen durch und durch.<br />
Dieser Brief verrät einiges über seine Gottesbeziehung vor Oxford. Anhand dieses Beispiels sehe ich<br />
hier bei <strong>Rappard</strong> noch sehr stark das Erbe seines Vaters, nämlich die Aufopferung und Ernsthaftigkeit,<br />
der Wunsch Gott in der Heiligung mehr zu begegnen. Ich spüre hier eine sehr vorsichtiges Christ sein,<br />
vielleicht sogar ein ängstlicher Gehorsam in der Hingabe an Gott.<br />
Im CGW 1875, also kurz nach Oxford, schreibt er (<strong>Rappard</strong> 1875:12/Bd 1) ganz anders über die<br />
Beziehung zu Gott. Er gebraucht sehr innige Worte über seine Beziehung zu Jesus:<br />
Er leitet uns mit seinem Auge; unser Auge aber ist stets auf sein Auge<br />
gerichtet; Herz und Mund sprechen zu Allem: „Ja, Herr!“ und freudig ohne<br />
Nebengedanken, geschieht der Liebeswille Gottes in und durch das ganz<br />
erlöste und geheiligte Kind.<br />
Und im gleichen Bericht sagt er (<strong>Rappard</strong> 1875:8/Bd 1):<br />
O lieber Leser! Es ist etwas Unaussprechliches, mit Gott wahrhaftig vereinigt<br />
zu werden, und durch den Sohn, der uns mit seinem Blute ganz rein macht,<br />
einen freien Eintritt zu haben zum Vater.<br />
Es ist erkennbar, dass für <strong>Rappard</strong> die grosse Frucht der Geisteserfüllung in Oxford in der besonderen<br />
Neuentdeckung Jesu bestand, und dadurch eine neue noch innigere Beziehung zu Gott entstand. Zwar<br />
blieb <strong>Rappard</strong> ein ernsthafter, nach Heiligung strebender Christ, der mit Ehrfurcht Gott begegnete,<br />
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aber nun hatte er Christus und sein Werk der Heiligung, die an den Menschen geschieht, neu entdeckt.<br />
Es entwickelte sich eine überaus dankbare herzliche und sehr persönliche Beziehung zu Jesus.<br />
2.2.3.2 Eine Erfüllung mit der Liebe Gottes<br />
<strong>Rappard</strong> war bekannt durch seine ruhige und strenge Führung. Er war ein guter und strenger Leiter. Er<br />
war auch ein guter Pädagoge mit viel Menschenkenntnis, aber obschon er sehr sensibel und demütig<br />
war, waren doch seine Erziehungsmethoden früher grundsätzlich auf dem Gehorsam aufgebaut. Seine<br />
Frau schreibt über seine Anfangszeit als Inspektor (Dora <strong>Rappard</strong> 1910:95)<br />
Mit Ernst und Liebe waltete <strong>Rappard</strong> seines Amtes. Es mochten manche den<br />
Ernst mehr fühlen als die Liebe, aber wahre Liebe wachte dennoch über alle,<br />
und er streckte sich im Gebet stets aus nach mehr.<br />
Man sprach damals öfters von dem Inspektorauge. Das war in der Tat ein<br />
merkwürdiges Auge, das alles sah, auf alles merkte, keine Nachlässigkeit<br />
duldete, überall Ordnung schaffte.<br />
Vergleicht man diese Aussage aus der Anfangszeit des Inspektors mit den Zeugnissen der Mitarbeiter<br />
nach der geistlichen Erneuerung in Oxford, so sind bedeutende Unterschiede festzustellen. Ein<br />
Mitarbeiter (zitiert bei Dora <strong>Rappard</strong> 1910:116) beschreibt Carl Heinrich <strong>Rappard</strong> in einem Brief zu<br />
seinem Geburtstag folgendermassen:<br />
Ruht doch dein ganzes äusseres und inneres Leben, dein Thun und dein<br />
Ruhn, dein Wandeln und Handeln, dein Glauben und Lieben, dein ganzes<br />
Sein auf Jesu, dem Sohn Gottes![...]Darauf gründet sich auch alle wahre<br />
brüderliche Liebe. Eins weiss vom andern, Jesus sei sein A und O, seines<br />
Lebens Ursache. Mittelpunkt Inhalt und Ziel. So liebt jedes den Heiland im<br />
andern.<br />
Die herzliche Liebe des Inspektors und seine Jesusbeziehung werden in diesem Brief gelobt. Das war<br />
die neue Seite des Inspektors. <strong>Rappard</strong> wurde auch als geistlicher Vater erwähnt (Dora <strong>Rappard</strong><br />
1910:113 und Dr. Langmesser, zitiert im Glaubensboten 1909:112). 36 Er wurde wirklich ein<br />
liebevoller geistlicher Vater für viele Menschen, dadurch dass er mit Liebe und Feingefühl von seiner<br />
neuen Entdeckung des Lebens in Christus berichtete, und die Menschen aufforderte, in diese Nähe zu<br />
Christus zu kommen.<br />
Am letzten Tag seines Lebens, als er in Giessen am Erntedankfest war, wollten die Verantwortlichen<br />
ein Bild von ihm machen. Sie baten ihn, auf die Kanzel zu stehen. <strong>Rappard</strong> (Glaubensbote 1909:118)<br />
weigerte sich mit der Begründung, er wolle das Wort, das über der Kanzel steht, nicht verdecken, wo<br />
es heisst: „Lasst uns ihn lieben, denn er hat uns zuerst geliebt“ (1.Joh 4,20). Seit Oxford war dies der<br />
Grundtenor seines Lebens: Die Freude an der Nähe und Liebe Jesu. Diese Neuentdeckung veränderte<br />
ihn.<br />
36 In der Trauerrede von Dr. Langmesser wird mehrmals vom väterlichen Vorbild <strong>Rappard</strong>s gesprochen.<br />
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Fazit: Oxford und die Neuhingabe an Christus brachte einen grossen Segen auf sein persönliches<br />
Leben. <strong>Rappard</strong> wurde meines Erachtens ruhiger und im Glauben stärker. Wir spüren nach der<br />
Rückkehr vor allem eine tiefe Innerlichkeit, eine sehr persönliche Beziehung zu Jesus. <strong>Rappard</strong> wurde<br />
durch den Geist Gottes tief berührt. Es war eine neue Geisteserfüllung. Dies prägte sein nachfolgendes<br />
Leben bis zu seinem Tod.<br />
2.2.4 Die neuen theologischen Erkenntnisse<br />
Vorerst war der Besuch in Oxford und die erlebte Segnung eine persönliche Erfahrung, die <strong>Rappard</strong><br />
und die vielen anderen Teilnehmer erfahren durften. Diese Erfahrungen mit Jesus waren sehr<br />
subjektiv, und wir können sie heute als Zeugnisse entgegennehmen. Wir sehen, wie nachhaltig Gott an<br />
diesen Menschen gewirkt hat, die sich ihm in Busse neu hingegeben hatten.<br />
Mehr über die theologischen Zusammenhänge und Erkenntnisse sehen wir in den Berichten und<br />
Büchern, die geschrieben wurden. Aus der Schweiz und Deutschland nahmen ja neben <strong>Rappard</strong> und<br />
Kober auch die Pastoren Stockmayer, Jellinghausen, Prochnow, Pank und de le Roi teil (Fleisch<br />
2003:51). <strong>Rappard</strong> gab die Zeitschrift „Des Christen Glaubensweg“ heraus. Stockmayer schrieb<br />
mehrere Bücher zum Thema Heiligung 37 . Jellinghaus veröffentlichte ein Standardwerk „Das völlige<br />
gegenwärtige Heil durch Christus“, was sehr systematisch seine Sicht der Heiligung darstellt. Ich<br />
möchte nicht auf die Unterschiede zwischen den einzelnen theologischen Erklärungen der Vertreter im<br />
deutschsprachigen Raum eingehen, sondern nur zeigen, welche theologischen Schlussfolgerungen<br />
<strong>Rappard</strong> aus der Erneuerungszeit in Oxford zog. Dazu sind vor allem die rund 20 Artikel 38 , die wir im<br />
„Christlichen Glaubensweg“ finden, massgebend für meine Analyse.<br />
2.2.4.1 Die Heiligung ist die natürliche Frucht der Rechtfertigung<br />
In den Schriften des „Christlichen Glaubensweg“ hat <strong>Rappard</strong> intensiv über den Zusammenhang von<br />
Rechtfertigung und Heiligung erneut nachgedacht. <strong>Rappard</strong> hat die Rechtfertigung als Grundlage zur<br />
Heiligung gesehen. Im Moment, wo der Mensch seine Rechtfertigung in Christus erkennt, beginnt der<br />
Weg der Heiligung. In einer Ansprache im 2.Band des Glaubenswegs erwähnt <strong>Rappard</strong> den<br />
Zusammenhang zwischen Rechtfertigung und Heiligung (1876:181/Bd2):<br />
Wir haben uns einfach durch Busse und Glaube hinein zu begeben. Ist dies<br />
geschehen, hat ein Mensch die freie Gnade in Christo angenommen, dann<br />
fängt erst das christliche Leben und der Wandel in der Heiligung an. Zuerst<br />
durch diese Enge Pforte – dann auf dem schmalen Weg. Zuerst eine Rebe am<br />
Weinstock – dann Wachstum und Früchte. Zuerst ein Glied werden am<br />
gesalbten Haupt – dann das Empfangen der Salbung, die allerlei lehrt[...]wer<br />
37 Dies ist aus der Bibliographie von Paul Fleisch, Die <strong>Heiligungsbewegung</strong>, ersichtlich, S.425.<br />
38 17 Artikel sind mit seinem Namen versehen, wobei ich annehme, dass einige Artikel, die keinen Namen<br />
aufweisen, auch von ihm sind. Man kann allerdings auch erkennen, dass verschiedene unbenannte Ausführungen<br />
von seiner Frau Dora <strong>Rappard</strong> stammen.<br />
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nicht will, dass man von der Heiligung als von einer nothwendigen Frucht<br />
der Rechtfertigung spreche, der ist noch nicht gerechtfertigt.<br />
Wir sehen, dass <strong>Rappard</strong> sich hier ganz auf Christus verlässt. Heiligung und Rechtfertigung sind ganz<br />
in Christus verankert. Zuerst kommt man zu Christus, und anschliessend ist es Christus, der in der<br />
Heiligung Kraft zum Wachsen gibt, so dass Früchte entstehen. Diese Sicht ist sehr an Christus<br />
orientiert. Sie sucht nicht nur persönliche Anstrengung, sondern holt die Kraft in Christus. Wenn man<br />
die Vorträge und Berichte über Heiligung liest, dann hat man den starken Eindruck, dass <strong>Rappard</strong> hier<br />
einen neuen Weg gefunden hat, wenn man daran denkt, dass er ein sehr sehnsüchtiger Sucher nach<br />
Heiligung im Leben gewesen ist. Endlich hatte er Antwort auf die Fragen der Heiligung gefunden.<br />
Nun musste er nicht mehr sehnsüchtig schreiben (<strong>Rappard</strong>, zitiert in Dora <strong>Rappard</strong> 1910:72): „O möge<br />
Gott uns heiligen durch und durch.“ Nun konnte er sich in Christus freuen, der für ihn Vergebung und<br />
Erlösung geschaffen hatte. Christus und sein Werk war seine Neuentdeckung, auch wenn damit noch<br />
nicht alle Fragen zur Heiligung gelöst waren, und <strong>Rappard</strong> später noch manches differenzierter<br />
aufschrieb.<br />
2.2.4.2 Die tägliche Identifikation mit Christus ist der Weg der Heiligung<br />
Es ist das Verdienst von Pearsall Smith, der immer wieder seine Zuhörer dazu aufforderte, sich ganz<br />
Christus zu übergeben, was <strong>Rappard</strong> dazu brachte, sich über Christi Opfertod und Auferstehung<br />
Gedanken zu machen. <strong>Rappard</strong> entdeckte die Bibelstellen dazu neu, so z.B. Römer 6, 1.Jh 1,7 und Jh<br />
8,36 die von der Erlösung durch Christus sprechen, welche in seiner Zeitschrift „Des Christen<br />
Glaubensweg“ erwähnt werden (<strong>Rappard</strong> 1875:154/Bd 1). Dort erkannte <strong>Rappard</strong>, dass nicht nur die<br />
tägliche Busse, sondern auch das tägliche Schauen auf Christus, das Hineingeben in seinen Tod, und<br />
das Festklammern am neuen Leben durch die Auferstehung Christi wichtig sind..<br />
An einer Allianzversammlung in Basel sagte <strong>Rappard</strong> (1875:41) 39<br />
Wir müssen uns ganz in das Blut Jesu eintauchen lassen, um rein zu sein;<br />
denn nur indem wir darin bleiben, sind wir rein. Wie ein Kieselstein statt an<br />
der Strasse zu liegen, wo er stets bestaubt und nur durch zeitweiligen Regen<br />
abgewaschen wird, im Beete des Flusses, im Wasser unten, liegen bleiben<br />
soll: so lass dich nicht nur dann und wann reinigen, nein wirf dich ganz<br />
hinein in den Gnadenstrom Jesu und bleibe darin[...]<br />
Lasset uns immer und immer wieder zu Jesu kommen, wenn wir auch auf<br />
Stunden oder noch länger von ihm weggekommen sind, Er nimmt uns nicht<br />
nur jedes Mal an, sondern freut sich unseres Kommens.<br />
Für <strong>Rappard</strong> war es nicht nur ein Wissen um die Vergebung und Erlösung, sondern ein praktisches<br />
Erfahren, das tagtäglich durchgelebt werden musste. Dabei erklärt <strong>Rappard</strong> sehr praktisch und klar,<br />
wie diese Verbundenheit mit Christus im Kampf gegen die Sünde gelebt werden muss. Es war seine<br />
39 Vorträge der Allianzversammlungen in Basel vom 4.bis 11.März 1875, zusammengefasst in der Schrift<br />
„Brosamen“, Spittlerverlag 1875.<br />
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Stärke, denn suchenden und fragenden Christen Anleitung zu geben, wie konkret Heiligung „in<br />
Christus“ gelebt werden sollte (<strong>Rappard</strong> 1876:222/Bd2):<br />
Doch du sprichst vielleicht: Ich möchte wohl, aber es geht nicht[...]meine<br />
Gedankenwelt ist noch befleckt mit irdischen, wenn nicht geradezu sündigen<br />
Phantasien[...]Ja aber verstehe wohl, warum es so ist. Weil das erste Wort<br />
(„ihr seid gestorben“) nicht durchgemacht ist, darum kann das zweite auch<br />
nicht erfahren sein. Nur wo der Tod des Gekreuzigten und das Leben des<br />
Auferstandenen eine aufgerichtete und herrschende Macht im Herzen<br />
geworden ist, kann das Tödten der verschiedenen Glieder ein Realität<br />
sein[...]je mehr der Geist Jesu in dir Raum gewinnt, desto weniger wird sich<br />
die Empfindlichkeit auch nur zeigen.<br />
Es kommt also darauf an, ob im Leben eines Christen Christus seinen Platz einnehmen kann. Dort wo<br />
der Christ nur versucht, selber die Sünde zu bekämpfen, dort wird er keinen Erfolg haben, oder nur<br />
entsprechend seinen eigenen Kräften. <strong>Rappard</strong> erkannte und erlebte neu die Macht des Namens Jesu.<br />
Die Identifikation mit dem gestorbenen und auferstandenen Christus ist Basis für alle Bemühungen in<br />
der Heiligung. Dazu erwähnte <strong>Rappard</strong> die Bibelstelle aus Kol 3,3.5 aus: „Denn ihr seid gestorben,<br />
und euer Leben ist verborgen mit Christus in Gott...so tötet nun die Glieder, die auf Erden sind.“ Er<br />
erklärte die Verbindung zwischen der Tatsache des Gestorbenseins mit Christus und dem Aufruf des<br />
Tötens der eigenen sündigen Regungen folgendermassen (<strong>Rappard</strong> 1876:222/Bd2):<br />
Das Glied, welches Empfindlichkeit bewirkt, hat schnell aufleben und dein<br />
Gemüth verfinstern und verbittern wollen. Nun aber ist die Todesmacht des<br />
tief gedemüthigten Christus in dir, und siehe da, das Glied ist in wenigen<br />
Minuten „getödtet“.<br />
Diese Sicht des Kampfes gegen Sünde ist deutlich positiv. Es ist nicht einfach ein Kämpfen ohne<br />
Hoffnung, auf der Basis eigener Anstrengung, sondern ein hoffnungsvolles Vertrauen zu Christus hin,<br />
dem alle Macht über das eigene Leben gegeben wird. Es ist meines Erachtens aber nicht ein mystischphysisches<br />
Geschehen, das <strong>Rappard</strong> erwartet, sondern eher ein pneumatisches Geschehen, nämlich so,<br />
dass der menschliche Geist von Gottes Geist berührt und durchdrungen wird, und dass dies positive<br />
Auswirkungen auf den Willen des Menschen hat. So habe ich <strong>Rappard</strong> verstanden. Die<br />
<strong>Heiligungsbewegung</strong> ist m.E. in diesem Punkt weitergegangen, und hat das Vertrauen auf Christus als<br />
ein „ganzes Ruhen in Christus“ gesehen, ganz ohne eigene Anstrengung.<br />
2.2.4.3 Die Salbung durch den Heiligen Geist ist wichtig!<br />
Es gibt für <strong>Rappard</strong> wie auch für R.P.Smith besondere Erfahrungen der Geisttaufe oder<br />
Geisteserfüllung, als Salbung, die als Erneuerung in der Heiligung verstanden werden, sozusagen als<br />
neue Erkenntnis der Gnade und Vergebung Christi, als neue Kraft, und als Befreiung von der Macht<br />
der Sünde, um im Glauben zu wachsen.<br />
<strong>Rappard</strong> (CGW 1876:1/Bd2) beruft sich auf 2.Kor 1,21+22, wo steht:<br />
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„Gott ist’s aber, der uns fest macht samt euch in Christus und uns gesalbt und versiegelt und in unsere<br />
Herzen als Unterpfand den Geist gegeben hat.“<br />
<strong>Rappard</strong> hat nie gesagt, dass der Heilige Geist nicht im Leben des Christen sei, aber er hat betont, wie<br />
wir sehen werden, dass der Christ immer neu nach der „Salbung durch den Geist“ streben soll, um im<br />
Glauben zu wachsen.<br />
Es fällt zuerst auf, als <strong>Rappard</strong> an den Allianzversammlungen in Basel den Schlussabend einleitet und<br />
im Gebet um eine „kräftigen Ausgiessung des heiligen Geistes“ (Brosamen 1875:184) bittet. Die<br />
ganze Versammlung wird daraufhin durch R.P.Smith zur Busse und Ganzhingabe an Christus<br />
aufgerufen. Anschliessend gehen die Anwesenden auf die Knie, und beten und warten in aller Stille<br />
auf die Geistesoffenbarung von oben.<br />
Die Berichte in den „Brosamen“ 40 erwähnen Zeugnisse der Teilnehmer, die von Gottes Geist ergriffen<br />
wurden (1875:190). Smith erwähnte in seiner Ansprache vorher, dass diese Ausgiessung des Geistes<br />
eine neue Erfüllung mit dem Frieden Gottes bedeutet, und dass es nicht eine Gefühlssache sei<br />
(1875:189):<br />
Meine Lieben! Sind nun Herzen bereit, mit dem heiligen Geist erfüllt zu<br />
werden? Der heilige Geist, der über euch kommt, kann das Leben gewaltig<br />
umgestalten im Geschäfte, im Haus und in der Familie. Aber bitte doch nicht<br />
um den Geist, so lange du ihn wissentlich auf irgend eine Weise betrübst. Es<br />
handelt sich nicht um äusserliche Erregung! Nein, der heilige Geist nimmt<br />
die Erregung gänzlich weg, und erfüllt das Herz mit Gottes Frieden.<br />
Dies sind zwar Worte von R.P.Smith, aber <strong>Rappard</strong> hat diesen Abend eingeleitet und begleitet. Die<br />
Konferenz in Basel verlief sowieso nach einem ähnlichen Muster wie in Oxford. Die ersten Tage<br />
dienten der Selbstprüfung, Busse und Neuhingabe. Dann betete und wartete die versammelte<br />
Gemeinde auf eine neue Salbung durch den Heiligen Geist. Anschliessend gab es Zeugnisse.<br />
Wenn wir die Ereignisse in Basel mit den Ereignissen in Oxford vergleichen, die von <strong>Rappard</strong> im<br />
Christlichen Glaubensweg erwähnt werden, sehen wir, dass auch in Oxford, von einer<br />
Geistesausgiessung gesprochen wird, die die bussfertigen Teilnehmer besonders erfasst hat (<strong>Rappard</strong><br />
1875:9/Bd 1).<br />
In einem Aufsatz im Glaubensweg schreibt <strong>Rappard</strong> dann ausführlich über die Salbung durch den<br />
Heiligen Geist (1876:1/Bd2):<br />
Zu bedauern ist der Bruder, dem diese Pilgergabe der Erfahrung nach noch<br />
unbekannt wäre. Er erscheint mir wie ein Schiff, das sich ohne Compass auf<br />
eine weite Seereise begeben hätte[...]so ist der Christ, der die Salbung nicht<br />
kennt und deshalb auch nicht befolgt. Sein Gang ist nur unter gewissen<br />
Verhältnissen und Bedingungen ein gerader; in den meisten Fällen ist er ein<br />
wankender, des Ziels verfehlender.<br />
40 „Brosamen“ sind die schriftliche Berichte und Kopien der Allianzversammlungen in Basel 1875. Ich vermute,<br />
dass Dora <strong>Rappard</strong> sie verfasst hat.<br />
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Im gleichen Aufsatz schreibt <strong>Rappard</strong> (1876:2/Bd2) dann weiter unten:<br />
Wenn wir den heil.Geist betrüben, und ihm widerstreben, so weicht er von<br />
uns; also ist ein Hauptmittel die Salbung; d.h. den heiligen Geist in uns<br />
bleibend zu erhalten: ein stilles Aufmerken auf die Stimme des Geistes. Wie<br />
das Auge des Steuermanns beständig auf seinen Compass gerichtet ist, so<br />
muss auch unser Sinn stets auf die leitende Gnade gerichtet sein.<br />
Wenn wir diese Aussagen <strong>Rappard</strong>s untersuchen, dann erkennen wir, dass er davon ausgegangen ist,<br />
dass der heilige Geist zwar im Menschen wirkt, und im Leben des Christen präsent ist, aber dass der<br />
Christ darauf achten muss, dass er in Stille und Busse, sich immer neu dem heiligen Geist aussetzt.<br />
Dazu waren Versammlungen wie z.B. in Basel eine Möglichkeit und ein Mittel, weil das Wort Gottes<br />
gelehrt wurde. Es wurde um eine Neuerfüllung mit dem Geist gebetet, nachdem sich die<br />
Versammelten im grossen Saal während Tagen in Selbstprüfung und Hingabe mit dem Wort Gottes<br />
beschäftigt hatten.<br />
<strong>Rappard</strong> nimmt wahrscheinlich Bezug auf seine Erfahrungen in Oxford, wenn wir oben lesen: „So<br />
muss auch unser Sinn stets auf die Gnade gerichtet sein.“ Das war sein Schlüsselerlebnis, als er nach<br />
langer Selbstprüfung und Busse, Christus und seine Gnade neu erkannte. Für ihn war dies eine neue<br />
Salbung mit dem heiligen Geist. Er schreibt im Glaubensweg von Oxford (<strong>Rappard</strong> 1875:11/Bd1):<br />
„Das auf den Altar gelegte, lebendige Opfer empfängt das Feuer von Gott.“<br />
Als Folge der Erneuerung durch den Geist, entdeckte <strong>Rappard</strong> bei sich und auch bei anderen eine neue<br />
Liebe zum Wort Gottes (1876:2/Bd2): „Eine der Hauptsachen, welche die Salbung uns zu Gemüthe<br />
führen wird ist, dass wir das geschriebene Wort unseres Gottes reichlich unter und in uns wohnen<br />
lassen.“<br />
Grundsätzlich hat <strong>Rappard</strong> nach der Erfahrung in Oxford viel über den Geist Gottes und seine<br />
Auswirkungen geschrieben. Sein Ausspruch im Glaubensweg, als er über den Geist Gottes schreibt,<br />
fasst seine Auffassung zusammen (1877:102/Bd3): „Wir können, wir müssen mehr haben, um unser<br />
Amt recht ausrichten zu können.“<br />
Fazit zur theologischen Erkenntnis <strong>Rappard</strong>s zum Theam Heiligung:<br />
Oxford war für <strong>Rappard</strong> ein neuer Anfang, um als Christ bewusster und mit neuen Vorzeichen den<br />
Weg der Heiligung zu gehen. Das völlige Vertrauen in Christus, um den Weg in der Heiligung zu<br />
gehen, und die Offenheit für das Wirken des Geistes Gottes, sind seine Errungenschaften inmitten<br />
dieser Erweckung. In der Zeitschrift „Des Christen Glaubensweg“ hat er sich mit der Frage<br />
theologisch auseinandergesetzt, und eine eigene Meinung gebildet, die er weit verbreitet hat. Wir<br />
sehen eine Vertiefung der Erkenntnis, nämlich dass durch Jesu Tod und Auferstehung, die<br />
Vorraussetzung zur Heiligung geschaffen wurde.<br />
Am Ende der 36 Ausgaben des Christlichen Glaubenswegs schreibt <strong>Rappard</strong> in einem Satz<br />
zusammenfassend seine Ansicht über Heiligung. Er sagt (1877:222/Bd3) das Ziel der Zeitschrift sei:<br />
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Der versöhnten Seele zu bezeugen, wie sie in Wahrheit durch völlige<br />
Uebergabe und völligen Glauben bis zu dem persönlichen Jesu<br />
hindurchdringen solle, um dann an dieser Quelle aller Segnungen und aller<br />
Heiligung zu bleiben auch mitten in der Unruhe des irdischen Lebens.<br />
2.3 Der Einfluss von C.H. <strong>Rappard</strong> auf St.Chrischona und die<br />
Gemeinschaftsbewegung<br />
2.3.1 Die Veränderungen und Reaktionen auf St.Chrischona<br />
Parallel zu den Veränderungen bei C.H.<strong>Rappard</strong>, geschah eine innere Veränderung bei seiner Frau<br />
Dora <strong>Rappard</strong>. Die Briefe aus England rüttelte die „Chrischonamutter“ auf. Sie hatte gerade ein Kind<br />
geboren, und war mit dem Neugeborenen beschäftigt, aber sie fing sofort an, nach dem gleichen<br />
inneren Segen zu suchen, den ihr Mann gerade erlebt hatte. Ernst Bunke zitiert aus den<br />
Lebensbeschreibungen der Tochter Emma-Veiel <strong>Rappard</strong>, was in Dora <strong>Rappard</strong> vorgegangen war<br />
(Bunke 1953:46):<br />
Waren es die Gebete und Briefe ihres Mannes, war es, dass sie sich in die<br />
Schriften von Pearsall Smith und seiner Gattin auch von Gossner und Boos<br />
vertiefte, kurz, sie erkannte im Lichte Gottes viel Sündiges, Ungeheiligtes in<br />
ihrem Wesen. Die Tatsache ihrer Bekehrung im Jahre 1858 blieb bestehen;<br />
aber so manche Versäumnisse, Lauheit und irdische Liebe beugten sie in den<br />
Staub[...]nun kam die Gnadenstunde. Mit grosser Freude durfte sie ihrem<br />
Heinrich nach Oxford schreiben: ´Das Alte ist vergangen, siehe es ist alles<br />
neu geworden.`<br />
Ein Jahr später nahm Dora <strong>Rappard</strong> mit ihrem Mann an der 2.Konferenz in Brighton teil (Bunke<br />
1953:50).<br />
Als C.H.<strong>Rappard</strong> von der 1.Konferenz zurück kam, sah er zwar seine Frau mit dem gleichen Segen<br />
erfüllt, aber die Anstalt der Pilgermission mit den Studenten und Angestellten bedurfte seiner Ansicht<br />
nach einer gründlichen inneren Reinigung. Aus den Mitteilungen der Pilgermission dieser Tage lesen<br />
wir (C.H.<strong>Rappard</strong> 1875):<br />
„ Die Hausgemeinde fand sich schwarz in Sündenfällen, schwarz in gegenseitiger Unbrüderlichkeit,<br />
schwarz in allen Formen der Selbstsucht.“<br />
Aehnlich wie in England plante <strong>Rappard</strong> auf Chrischona eine Woche der Neuhingabe und<br />
Neuerfüllung mit dem Hl.Geist zur Heiligung. Vom 16.-21. November 1874, also einige Monate nach<br />
seiner Rückkehr, brachte <strong>Rappard</strong> bereits den Geist Oxfords nach Chrischona. Obschon <strong>Rappard</strong><br />
unterdessen schon in den Städten Bern und St.Gallen zu Kurzbesuchen gewesen war, um zu berichten,<br />
waren doch die 5 Tage auf Chrischona seine erste mehrtägige Konferenz. Folgender Tagesablauf war<br />
vorgesehen: 41<br />
41 Aus den Mitteilungen der Pilgermission 1874<br />
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6-7 Uhr: Gebetsstunde<br />
8.30-10 Uhr: Privatfrage und Besprechungsstunde<br />
10.30-12 Uhr: Allg. Versammlung<br />
Nachmittag Hausarbeiten<br />
18.30 –20 Uhr: Allg. Versammlung<br />
Es war eine Zeit der Stille und Sammlung vor Gott. Die Lehrer halfen mit, und vereinzelt kamen auch<br />
Bekannte und Freunde aus den umliegenden Orten zu den Versammlungen, die schnell bekannt<br />
wurden. Genau so wie <strong>Rappard</strong> selbst die Erneuerung erlebt hatte, so erlebten es jetzt viele Studenten<br />
und Besucher der Tage auf Chrischona. Es wurden Sünden bekannt, allerdings nicht öffentlich,<br />
sondern im Zweiergespräch mit dem Inspektor und den Lehrern (D.<strong>Rappard</strong> 1910:104/105). Die<br />
Gnade Gottes wurde zugesprochen, und die Freude über das Werk Jesu, der von der Macht der Sünde<br />
befreit, war gross. <strong>Rappard</strong> schreibt über diese Tage (zitiert bei Dora <strong>Rappard</strong> 1910:104):<br />
Bei diesen Versammlungen, deren Leitung wir im Glauben ganz dem<br />
heiligen Geist übergeben hatten, musste der Herr uns zuerst tief herabführen.<br />
Das Licht brachte manches an den Tag, was den Segen aufgehalten und die<br />
Kraft gelähmt haben muss. Als aber das geoffenbarte Uebel offen bekannt<br />
und mit ganzem Willen gelassen war, als die Seele sich in völliger Uebergabe<br />
in die Arme Gottes werfen konnte, da durfte sie es auch durch den Glauben<br />
erfahren, dass 1.Joh. 1,7 göttliche Wahrheit sei, dass das Blut Christi rein<br />
macht von aller Sünde. Mit nie geahnter Freude konnten manche die längste<br />
bekannte Wahrheit nun begreifen, dass die Sünde nicht über die herrschen<br />
könne, die gläubig in Jesu verborgen bleiben.<br />
Beim Lesen der Berichte dieser ersten Konferenz auf Chrischona spürt man sehr schnell, wie <strong>Rappard</strong><br />
die Hauptinhalte der neuen Erkenntnis der Heiligungbewegung vermittelt hat, nämlich:<br />
- Neue Erkenntnis der Sünde<br />
- Neue Busse und Neuhingabe<br />
- Empfang der Vergebung und<br />
- Glaube an das Vergebungs- und Erlösungswerk Christi als Befreiung von der<br />
Macht der Sünde.<br />
- Leben im täglichen Glauben an die Kraft Christi in uns als „Wandeln in der<br />
Heiligung“.<br />
Dieses Geschehen hat <strong>Rappard</strong> dem Wirken des hl. Geistes zugeordnet. Seine Frau betont im<br />
Lebensbericht über ihren Mann, dass es ein ruhiges Geschehen war, ohne überschwängliche<br />
Gefühlsäusserungen. Sie sagt nur (<strong>Rappard</strong> 1910:104):<br />
Es kamen keine aussergewöhnlichen Kundgebungen vor, nur ein<br />
wunderbares Zerbrochensein der Herzen wurde bemerkbar...Wer solche<br />
Zeiten erlebt hat, wo die Fenster des Himmels weit offen stehen, der behält<br />
eine Art Heimweh danach.<br />
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2.3.2 Der literarische Einfluss C.H. <strong>Rappard</strong>s<br />
<strong>Rappard</strong> war ein Prediger, Leiter, Lehrer und Evangelist, aber kein Schreiber vieler Bücher. Von<br />
seiner Frau haben wir mehr schriftliche Aufzeichnungen, als von ihm. Er hat aber schon bald nach<br />
seiner Rückkehr aus Oxford die wertvollen Monatsblätter „Des Christen Glaubensweg“<br />
herausgegeben, um der <strong>Heiligungsbewegung</strong> eine Stimme im deutschsprachigen Europa zu geben.<br />
Jeden Monat veröffentlichte er durch diese Schrift im Spittlerverlag in Basel Beiträge zum besseren<br />
Verständnis der Heiligung. Er liess besonders die Vertreter der <strong>Heiligungsbewegung</strong> zu Wort<br />
kommen, wie z.B. R.P Smith, H.W.Smith, W.E. Boardman, Th.Jellinghaus, Th.Monod und Otto<br />
Stockmayer. Selber schrieb er meistens das einleitende Wort, sowie allgemeine Beobachtungen zur<br />
Bewegung, und kritische Stellungnahmen, besonders als er sich gegenüber der Bewegung abgrenzen<br />
musste. Während drei Jahren veröffentlichte er 36 Ausgaben dieses Heftes. Ende 1877 beendete<br />
<strong>Rappard</strong> die Herausgabe der Zeitschrift, weil nach seinem Empfinden genügend über den Weg der<br />
Heiligung geschrieben wurde. Er schrieb im letzten Heft (1877:221/Bd3):<br />
Des Christen Glaubensweg ist vor drei Jahren herausgegeben worden, um<br />
eine Hauptwahrheit von der Heiligung des gläubigen Christen durch den<br />
Glauben ins Licht zu stellen. Dieses ist nach dem geringen Mass unserer<br />
Erkenntnis geschehen.<br />
Um die Leser, die sich für die Pilgermission interessierten, weiterhin zu informieren, gründete<br />
<strong>Rappard</strong> das monatliche Heft „Der Glaubensbote“, das er mit den bereits existierenden „Mitteilungen“<br />
der Pilgermission fusionierte. So entstand ab 1.Januar 1878 das neue Blatt als Kombination von<br />
Erbauungsschrift und Informationsschrift, um die vielen Freunde des Missionswerkes weiterhin zu<br />
begleiten. <strong>Rappard</strong> schrieb regelmässig Artikel zu aktuellen Glaubensfragen, korrigierte Irrlehren oder<br />
berichtete über das Geschehen der Pilgermission.<br />
Mit seiner Frau Dora und mit Lehrer Gollmer gab <strong>Rappard</strong> 1875 das Gemeinschaftsliederbuch heraus<br />
(D.<strong>Rappard</strong> 1910:118), das viele Lieder aus der <strong>Heiligungsbewegung</strong> erfasste. Darin erschienen auch<br />
Lieder seiner Frau.<br />
2.3.3 Die Reisen <strong>Rappard</strong>s<br />
Es ist nicht die Absicht, alle Reisen <strong>Rappard</strong>s für die Pilgermission aufzulisten oder seine Reisen als<br />
Evangelist zu beschreiben, sondern darzustellen, wohin er in den ersten Jahren nach der<br />
Oxfordkonferenz reiste, um die neue Erkenntnis in der Heiligung bekannt zu machen.<br />
<strong>Rappard</strong> wurde noch im Herbst 1874 zu kurzen Versammlungen nach Bern und St.Gallen und<br />
eingeladen, um über die Bewegung zu berichten (D.<strong>Rappard</strong> 1910:103). Unmittelbar nach der<br />
Konferenz in Oxford besuchte er auch methodistische Kreise in Basel (Voigt 1996:21).<br />
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Karl Heinz Voigt weist darauf hin, dass <strong>Rappard</strong> noch im Herbst 1874 in der Romandie war,<br />
besonders in Genf, Yverdon und St.Croix , und wahrscheinlich auch in Neuchâtel. 42 Anschliessend<br />
besuchte er Schaffhausen.<br />
Ab 1875 wurde er dann zu mehrtägigen Veranstaltungen, die sehr den Versammlungen in Oxford<br />
ähnlich waren, als Redner eingeladen. Es waren immer mehrtägige regionale Treffen, mit einem<br />
ähnlichen Ablauf:<br />
- Gebetsversammlung am frühen Morgen.<br />
- Bibelstunde<br />
- Mittagessen<br />
- Gesprächs- oder Besprechungsstunde mit der Möglichkeit der Seelsorge<br />
- Nach Geschlechter getrennte Konferenz<br />
- Abendessen<br />
- Abends: Allg. Versammlung<br />
2.3.3.1 Allianzgebetsversammlungen in Bern (3.-10. Januar 1875): (CGW:41/Bd 1)<br />
Die im Jahr 1872 gegründete Allianz in Bern beschloss in ihrem Komitee, eine Woche der Sammlung<br />
und des Gebets zu veranstalten. Es war dies eine der ersten Gebetswochen der Allianz in Bern war.<br />
Die Gelegenheit war geeignet, da <strong>Rappard</strong> und Stockmayer bereits in anderen Städten der Schweiz<br />
über die <strong>Heiligungsbewegung</strong> berichtet hatte, und sich so viele für die neue Erweckung in der<br />
Heiligung interessierten. Das Thema der Woche lautete: Das volle Heil in Christo und seine<br />
Bedeutung für das praktische Leben (Voigt 1996:24). <strong>Rappard</strong> wurde von seiner Frau Dora begeleitet,<br />
die auch einzelne Vorträge hielt, und die Texte auslegte. Allerdings waren die angereisten Gäste nur<br />
sehr langsam für die Lehre der Heiligung zu begeistern, schreibt Karl Heinz Voigt in seinem Buch<br />
über die <strong>Heiligungsbewegung</strong>. Dora <strong>Rappard</strong> meint im „Christlichen Glaubensweg“, dass die Vielzahl<br />
der Redner und Meinungen, beinahe den Segen verschüttet hätten (<strong>Rappard</strong> 1875:42/Bd1):<br />
Manche Freunde sind vom Gang der Versammlungen während der ersten<br />
Tage nicht befriedigt worden, und allerdings, wer nur auf die Menschen sah,<br />
der musste fürchten, dass die Mannigfaltigkeit der geäusserten Ansichten die<br />
Hauptsache in einem beständigen Nebel verborgen halten würde.<br />
Bis zum Schluss der Woche kam aber die neue Botschaft der totalen Hingabe an Jesus und dem Werk<br />
der Heiligung durch Christus voll zum Zuge. Ein Chor sang übersetzte Lieder aus dem Englischen,<br />
und die Gemeinde wurde wie in Oxford, nach innerer Reinigung, vom Geist Gottes berührt.<br />
42 Voigt weist auf S.28 darauf hin, dass Diakonissen in Neuchâtel von der <strong>Heiligungsbewegung</strong> gehört hatten,<br />
bevor er nach Strassburg reiste. Dies deckt sich mit seiner Aussage auf S.21, wo er schreibt, dass er noch im<br />
Herbst 1874 in Genf gewesen sei. Auch Dora <strong>Rappard</strong> schreibt im Lebenslauf auf S.112, das <strong>Rappard</strong> in Genf,<br />
St.Croix und Yverdon war.<br />
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2.3.3.2 Versammlungen in Strassburg (6.-9./13.-16.Februar 1875)<br />
<strong>Rappard</strong> besuchte wieder mit Stockmayer die deutschsprachigen Veranstaltungen vom 13.-16.Februar.<br />
Er nahm auch den Pfarrer Arnold Bovet, Vorkämpfer des Blauen Kreuzes, und den Diakonissenpfarrer<br />
Johann Friedrich Daendliker mit, da dieser mit den Diakonissen in Strassburg Kontakte hatte. Karl<br />
Heinz Voigt schreibt über die Tage in Strassburg (1996:28):<br />
Auch hier lief alles nach dem Vorbild von Oxford. Am Eröffnungstag<br />
berichtete <strong>Rappard</strong> über Oxford und seine Erfahrungen, die er dort gemacht<br />
hatte. Damit weckte er für die kommenden Tage Erwartungen und nahm die<br />
Zuhörer, wie Pearsall Smith es auch tat, in den Strom der Bewegung hinein.<br />
Gebetsstunden, Bekenntnisstunden, Bibelauslegungen und an den Abenden<br />
Vorträge zu Themen der Heiligung mit der Ermutigung, den Schritt über den<br />
Jordan, den Beginn eines neuen Lebens als Eingang in die Ruhe des Volkes<br />
Gottes zu wagen, nachdem die Wüste durchschritten war.<br />
Erstmals liest man bei Voigt auch, dass für die Kranken gebetet wurde. Es wurden Zettel mit<br />
Gebetsanliegen gesammelt, für die dann gebetet wurde. An der Schlussversammlung in Stuttgart<br />
nahmen rund 1000 Personen aus verschiedenen Kirchen teil.<br />
2.3.3.3 Osterversammlungen 1875 in Stuttgart<br />
Die Tage in Stuttgart waren so erfolgreich, dass <strong>Rappard</strong> grössere Lokale beziehen musste. Für die<br />
Abschlussversammlung musste die grosse Leonardskirche zur Verfügung gestellt werden, die später<br />
auch Pearsall Smith zur Verkündigung zur Verfügung stand. <strong>Rappard</strong> hielt in Stuttgart auch Vorträge<br />
in der Kirche des Diakonissenhauses (Voigt 1996:29).<br />
2.3.3.4 Allianzversammlungen in Basel (4.-11.April 1875)<br />
Die grösste Konferenz fand in Basel in einem grossen Vereinshaus statt. Robert Pearsall Smith kam<br />
aus Berlin und war als Hauptredner eingeladen. C.H.<strong>Rappard</strong> war mit dem Komitee der Allianz in<br />
Basel der Initiator dieser Tage, wobei <strong>Rappard</strong> nicht sehr oft das Wort ergriff, sondern vielmehr als<br />
Leiter der Veranstaltungen zur Verfügung stand. In dem kleinen Büchlein „Brosamen“ können<br />
sämtliche Vorträge nachgelesen werden. Protokolliert sind auch die Gebetsversammlungen und die<br />
allg. Organisation der Woche. Für die die ersten Tage genügte der kleine Vereinssaal von ungefähr<br />
600 Plätzen, ab Dienstag wurde der grosse Saal mit 2000 Plätzen benötigt, und zu den letzten Abenden<br />
wurde die St.Peterskirche gemietet, um die insgesamt 3000-5000 Zuhörer in Basel zu versammeln<br />
(Brosamen:6).<br />
<strong>Rappard</strong>s Freund J.J. Riggenbach sprach oft in den ersten Tagen. Pastor Stockmayer kam gelegentlich<br />
zu Wort. Ab Dienstag lesen wir von den Ansprachen R.P.Smith’s.<br />
Die Redner sensibilisierten in den Ansprachen die Zuhörer für die Sünde, riefen zur Totalhingabe am<br />
Christus auf. Das Gebet hatte Vorrang. Manchmal sassen die vielen Teilnehmer auch einfach<br />
stundenlang zusammen, um laut Fürbitte zu tun, oder um Gottes Wirken zu bitten. Allgemein fällt auf,<br />
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wie oft in den Veranstaltungen um ein neues Wirken des Geistes Gottes gebetet wurde. Es gab auch<br />
viele Zeugnisse und Erfahrungsberichte von Personen, die neu mit dem Geist Gottes erfüllt worden<br />
waren. Pfarrer Ernst Stähelin fasste am Anfang der Konferenz die hauptsächliche Richtung der Tage<br />
folgendermassen zusammen (Stähelin, zitiert in Brosamen 1875:17/18):<br />
1) Ueber die Sünde (Röm.3)<br />
2) Ueber die Rechtfertigung (Röm 5,8-10)<br />
3) Ueber die Heiligung (Röm.6)<br />
Dies sind wohl die drei Hauptgegenstände, um welche es sich bei allen<br />
unseren Zusammenkünften im tiefsten Grund am meisten handeln wird.<br />
Ein gemischter Chor sang sehr oft die Lieder der <strong>Heiligungsbewegung</strong>. Dazu war ein Heft mit<br />
Glaubensliedern zusammengestellt worden, wobei viele aus dem Englischen stammten. Dora <strong>Rappard</strong><br />
hat sehr positiv über diese musikalische Erweckung dieser Tage geschrieben (CGW:85/Bd1).<br />
Am Schluss der Konferenz versammelten sich 2000 Personen zu einer Abendmahlsfeier im Basler<br />
Münster.<br />
2.3.3.5 Weitere Reisen <strong>Rappard</strong>s<br />
Es ist relativ schwierig zu erkennen, wo <strong>Rappard</strong> noch weitere Vorträge und Konferenzen zur<br />
Verbreitung der Bewegung gehalten hat. Wir lesen noch von Korntal und Mülhausen (Voigt 1996:30),<br />
Ein befreundeter Pfarrer schreibt, dass er <strong>Rappard</strong> an verschiedenen Konferenzen in Deutschland<br />
gesehen hat (<strong>Rappard</strong> 1910:113).<br />
<strong>Rappard</strong> begann aber vielmehr den Ruf nach Evangelisation zu verspüren. Ein Nebeneffekt der<br />
Erneuerung in seinem Leben war der deutliche Ruf zur inneren Mission. Zwar hatte <strong>Rappard</strong>, wie wir<br />
aus seinem Lebenslauf wissen, schon immer die Evangelisation als Hauptanliegen verspürt. Die neue<br />
Hingabe und Liebe zu Jesus entfachte aber eine neue Sehnsucht zur Predigt für die Menschen ohne<br />
Jesus. Z.B. mietete <strong>Rappard</strong> 1875 in Basel ein altes Zirkuszelt für ein paar Tage zum Thema „helle<br />
Wochen“, um dort mit Otto Stockmayer, Elias Schrenk, Adolf Vischer und J.J.Riggenbach zu<br />
evangelisieren. Der Zustrom von Menschen war so gross, dass während 14 Tagen zusätzliche Lokale<br />
gemietet werden mussten (D.<strong>Rappard</strong> 1910:123).<br />
2.3.4 Die Gründung des Gnadauerverbands<br />
<strong>Rappard</strong> wird von Buchautor Hans Sauberzeig zu den Gründern der Gnadauerbewegung gezählt,<br />
obschon <strong>Rappard</strong> nicht zu den Einladenden gehört, sondern zu den geladenen Gästen. 43 Man muss die<br />
Entstehungsgeschichte dieses Dachverbandes gut verstehen, um die Bedeutung <strong>Rappard</strong> zu sehen.<br />
Nach den Oxfordkonferenzen von 1874 und 1875 begann in der Schweiz, Frankreich und Deutschland<br />
43 Hans Sauberzweig hat die Geschichte des Gnadauerverbandes in dem Buch „Er der Meister, wir die Brüder“<br />
aufgearbeitet. <strong>Rappard</strong> bekommt dort einen wichtigen Platz als Vater dieser Bewegung.<br />
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ein grosses Erwachen unter den gemeinschaftlichen Kreisen. Es wurden nicht nur da und dort<br />
Heiligungsversammlungen abgehalten, sondern überall viele Evangelisationsversammlungen<br />
durchgeführt. Menschen kamen zum Glauben. Es entstanden einige neue Gemeinden. Der<br />
Chrischonaverband entwickelte sich in der Schweiz und Deutschland, besonders in Ostpreussen. Das<br />
Johanneum, die Evangelistenschule für angehende Prediger des Evangeliums, wurde 1886 von<br />
Professor Theodor Christlieb gegründet (Sauberzweig 1959:129). Die evangelische Allianz förderte<br />
die lokale Zusammenarbeit der Gemeinschaften. Es wurden Vereine zur Förderung der Evangelisation<br />
gegründet, so z.B. in der Schweiz in Basel 1882, wobei <strong>Rappard</strong> massgebend daran beteiligt war<br />
(D.<strong>Rappard</strong> 1910:125). In Deutschland entstand der Verein für innere Mission. Die Jugendarbeit mit<br />
den sogenannten Jünglingsvereinen wuchs sehr stark. Jasper von Oerzten leitete bei seinem Tod einen<br />
Bund von 137 Jünglingsvereinen (Sauberzweig 1959:97). Der CVJM wurde 1885 gegründet<br />
(Sauberzweig 1959:97). Man kann eindeutig von einer geistlichen Erweckung sprechen, die in der<br />
Schweiz und Deutschland stattfand. <strong>Rappard</strong> war der evangelischen Allianz sehr verbunden. Ueberall<br />
wurde er zu Evangelisationen und Konferenzen eingeladen. Er reiste als Evangelist zwischen 1883-<br />
1890 sehr viel nach Deutschland und war fast wie ein Bindeglied zwischen der Erweckung in der<br />
Schweiz und Deutschland, ähnlich wie Otto Stockmayer und Elias Schrenk. Als dann 1888 der grosse<br />
Verband der Gnauder Brüder ins Leben gerufen wurde, um die Gemeinschaften miteinander zu<br />
verbinden, war <strong>Rappard</strong> ein wichtiger Mann unter den eingeladenen Gästen, der auch oft zu Wort<br />
kam. Sauberzweig schreibt dazu (1977:105):<br />
An den neuentstandenen Gnadauer Pfingstkonferenzen beteiligte er sich<br />
regelmässig und wurde so einer der führenden Männer der<br />
Gemeinschaftsbewegung.<br />
Hauptthemen der Versammlungen waren:<br />
- die theologische Reflektion (besonders anfänglich zum Thema Heiligung)<br />
- die Organisation der Evangelisation.<br />
- die Frage der Laientätigkeit im Kontext der Landeskirche.<br />
- die Frage der Strukturen der Gemeinschaften.<br />
Obschon <strong>Rappard</strong> aus der Schweiz kam, konnte er doch durch die Verbindung mit diesem grossen<br />
Dachverband von vielen Impulsen profitieren, und ebenfalls seine Meinungen und Erfahrungen aus<br />
der Schweiz einbringen.<br />
2.4 C.H. <strong>Rappard</strong> in der Auseinandersetzung mit der <strong>Heiligungsbewegung</strong><br />
2.4.1 Seine negativen Erfahrungen mit der <strong>Heiligungsbewegung</strong><br />
Die ersten leisen Töne der Bedenken kamen an den Heiligungstagen in Basel zum Ausdruck, als<br />
<strong>Rappard</strong> feststellte, wie stark die Menschen an R.P.Smith hingen. <strong>Rappard</strong> wollte unbedingt<br />
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vermeiden, dass die Träger der Bewegung wichtig wurden. Dora <strong>Rappard</strong> schreibt in ihrem Buch über<br />
ihren Mann (1910: 106):<br />
<strong>Rappard</strong> und die anderen Brüder, die bis dahin in den verschiedenen Städten<br />
die Glaubensversammlungen geleitet und es sich haben angelegen sein<br />
lassen, dass kein menschlicher Name in den Vordergrund trete und alles so<br />
einfach und schlicht wie möglich gehalten werde, konnten sich einer leisen<br />
Sorge nicht erwehren, als sie sahen, wie sich nun eine gewisse äussere<br />
Begeisterung für das Werkzeug kund gab.<br />
Es gehörte nicht zur Kultur der christlichen Gemeinschaften in der Schweiz, dass man Menschen in<br />
den Vordergrund rückte. <strong>Rappard</strong> wollte deshalb auf keinen Fall, dass die Bewegung sich auf einzelne<br />
Personen ausrichtete.<br />
Eine zweite Sorge erfüllte <strong>Rappard</strong>, als er Nachrichten aus England bekam, die von theologischen<br />
Irrlehren innerhalb der <strong>Heiligungsbewegung</strong> berichteten. Die Bewegung in England betonte das Ruhen<br />
in Jesus zu stark, so dass viele Christen meinten, ihr Leben würde sich automatisch verändern, wenn<br />
sie nur andauernd auf Christus schauen würden. Das tägliche Ruhen in Jesus wurde sozusagen als<br />
Alternative zum täglichen Kampf gegen die Sünde gesehen. Es entstand ein magisches Verständnis<br />
von Heiligung, indem gelehrt wurde, dass der Gläubige nur noch dauernd auf Jesus schauen sollte, so<br />
dass er wie durch ein Wunder von der Sünde bewahrt bleiben würde. C.H. <strong>Rappard</strong> sagt darüber<br />
(zitiert bei Dora <strong>Rappard</strong> 1910:108):<br />
Aus Briefen von lieben Gläubigen, die den Sachverhalt genau kennen und um<br />
des Geschehenen willen ihr Vertrauen dem Bruder nicht entzogen haben,<br />
entnehme ich, dass die Verirrungen, in die er geraten ist, Ähnlichkeiten haben<br />
mit solchen, die zu verschiedenen Zeiten in der Kirchengeschichte und<br />
besonders in der mittelalterlichen Mystik vorgekommen sind.<br />
Etwas präziser schreibt dann R.P.Smith an <strong>Rappard</strong> in einem Brief, was sein Fehler war (zitiert bei<br />
Dora <strong>Rappard</strong> 1910:108):<br />
Ich habe nicht zu viel, aber vielleicht zu ausschliesslich das Vertrauen auf<br />
Gott betont und nicht genug auf das Wachen hingewiesen. Ich bitte sie, wo<br />
meine Unterweisungen mangelhaft und einseitig gewesen sind, suchen sie<br />
Rat vom Herrn, um das Fehlende nach seinem Willen auszufüllen.<br />
Das klang wie ein Hilfeschrei nach theologischer Klärung. <strong>Rappard</strong> fühlte sich sehr verpflichtet,<br />
seinen Lesern des „Glaubensweg“ die Sache zu erklären, und zu der Sache Stellung zu nehmen.<br />
Dazu kam, dass Smith wie ich bereits in seiner Beurteilung erwähnt hatte, unter einem Nervenleiden<br />
litt, und an den Versammlungen sehr komische und übersteigerte Aussagen über den Glauben und die<br />
Heiligung machte, die die ganze Bewegung in Misskredit brachte.<br />
Die Hauptfrage, die aber die ganze <strong>Heiligungsbewegung</strong> erschütterte, war wie erwähnt die Frage des<br />
Sieges über die Sünde. Oder ganz genau gesagt, ging es um die Art und Weise des Sieges über Sünde.<br />
War es denn wirklich richtig, dass allein durch den Glauben, die Sünde besiegt werden konnte. Musste<br />
<strong>Stefan</strong> <strong>Fuchser</strong> IGW International 7.11.2008
PT 7496 <strong>Diplomarbeit</strong>: Carl Heinrich <strong>Rappard</strong> und die <strong>Heiligungsbewegung</strong> A–45<br />
man einfach „moment by moment“ an die Erlösungskraft Christi glauben, und volles Vertrauen auf<br />
Christus setzen („Jesus errettet mich jetzt“), um dann zu erleben, wie die Lust zum Sündigen<br />
verschwindet – ganz ohne eigene Anstrengung?<br />
Meines Erachtens fasst die Meinung dieses mystischen Heiligungsverständnisses der Heiligungs-<br />
Theologe Theodor Jellinghaus in seinem dogmatischen Lehrbuch „das völlige Heil durch Christum“<br />
zusammen. Er sagt (Jellinghaus 1898 :615) über den Christen, der im Glauben die Heiligung in<br />
Christus erkannt hat:<br />
Nachdem er sich nun Christo als gehorsames Eigentum zur Heiligung<br />
übergeben, kommt durch den vom heiligen Geiste gewirkten und erhaltenen<br />
Glauben die Kraft des Blutes und Todes Christi in ihm zur Wirksamkeit. Sein<br />
alter Mensch wird und bleibt durch Christi Todeskraft mit Christo gekreuzigt<br />
und Christi Blut reinigt und belebt sein Herz und bewahrt es rein von<br />
Sündenschuld und Sündenschmutz, so lange er im Lichte, d.h. in völliger<br />
Hingabe und völligem Vertrauen an dem ihm im Worte und den<br />
Verheissungen des Evangeliums offenbaren und gegenwärtigen Erlöser treu<br />
und aufrichtig wandelt. Indem so Christi Wort, Blut und Geist in seinem<br />
Herzen wohnt, bleibt er durch Trauen und Treusein, auch bei den<br />
wechselnden Gefühlen und nicht ausbleibenden Versuchungen und inneren<br />
Ermattungen, in Christo und Christo in ihm. Auf diese Weise werden und<br />
bleiben die bösen Lüste aus seinem Herzen ausgetrieben oder, um genauer zu<br />
sein, die Wurzeln der bösen Lüste werden in einem Zustand der<br />
Unwirksamkeit und des Gestorbenseins gebracht und erhalten.<br />
Der totale Sieg über die Sünde, ohne eigene Anstrengung, einzig und allein im Vertrauen auf Jesu Tod<br />
und Auferstehung, wurde hier deutlich proklamiert. Die <strong>Heiligungsbewegung</strong> stand in Gefahr, sich in<br />
eine überschwängliche, fast mystische Bewegung zu verwandeln, in der Heiligung durch „richtig<br />
Glauben“ erreicht werden sollte. Ein voller Sieg über Sünde konnte erwartet werden. Es war nur noch<br />
eine Frage der Zeit, bis die kühnsten Vertreter dieser Bewegung in Sünde fielen, und das Gegenteil<br />
bewiesen.<br />
Nebenbei erwähnt wurde die Heiligung nach wie vor in Bezug zur Sünde gesehen (negative<br />
Heiligung), und das positive Handeln des Christen in der Liebe (positive Heiligung) zu wenig betont.<br />
Dazu kam auch, dass der Eintritt in die Heiligung als zweite Stufe des Glaubens angesehen wurde. Das<br />
Stufendenken des Glaubens, wie es bereits bei Wesley gelehrt wurde, fand seine Fortsetzung. Die<br />
Gefahr, dass Rechtfertigung und Heiligung auseinandergerissen wurden, war relativ gross.<br />
<strong>Rappard</strong>, der überaus positive Erlebnisse mit der <strong>Heiligungsbewegung</strong> gemacht hatte, und der Christus<br />
und sein Werk neu entdeckt hatte, ohne in extreme „heilistische“ 44 Gedanken zu verfallen, wollte<br />
durch seine Veröffentlichungen die <strong>Heiligungsbewegung</strong> positiv prägen, und Irrwege korrigieren. Im<br />
nachfolgenden Abschnitt wollen wir untersuchen, wie <strong>Rappard</strong> versucht hat, die Bewegung zu<br />
44 Die Bewegung wurde „heilistisch“ genannt, weil sie sich so stark auf die Heiligung durch den Glauben<br />
konzentrierte. So z.B. Th. Jellinghaus in „das völlige Heil durch Christum, S.435.<br />
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PT 7496 <strong>Diplomarbeit</strong>: Carl Heinrich <strong>Rappard</strong> und die <strong>Heiligungsbewegung</strong> A–46<br />
beeinflussen, und wie er in seinen Veröffentlichungen im „Christlichen Glaubensweg“ Stellung zu den<br />
missverständlichen Lehren genommen hat.<br />
2.4.2 Seine Abgrenzung zu R.P.Smith und seine differenzierte Haltung zur Heiligung.<br />
Nach den Entgleisungen Smiths, als er in England sehr euphorische Reden hielt, und von der<br />
„Verlobung mit Christus“ (Lange 1990:42) sprach, nahm <strong>Rappard</strong> im „Glaubensweg“ Stellung zu den<br />
Vorfällen. <strong>Rappard</strong> übernahm schnell die Rolle des geistlichen Leiters, der die Christen durch die<br />
Krise hindurchführen wollte. Folgende Erkenntnisse aus den Verirrungen Smiths wurden<br />
veröffentlicht (<strong>Rappard</strong> im CGW 1876: S.44/Bd 2): 45<br />
- Wir beugen uns beim Bewusstsein unserer mannigfachen Fehler und<br />
Mängel.<br />
- Dass man im Reden von sich selbst und seinen Erfahrungen recht<br />
Mass halten soll.<br />
- Wir wundern uns nicht, dass eine Sache, die des Herrn ist, einer<br />
Sichtung unterworfen ist.<br />
- Wir können und sollen uns nicht zu sehr wundern über die<br />
Verirrung eines Bruders.<br />
- Wir können nicht anders, als den Herrn loben, dass er es mit seinem<br />
Knecht so genau genommen hat.<br />
- Sie bleiben unerschütterlich stehen, die Wahrheiten, die der heilige<br />
Geist – wenn auch durch fehlbare Knechte Gottes – unsern Herzen<br />
nahegebracht , und wir uns im Glauben angeeignet haben: Jesus<br />
Christus will wahrhaftig sein Volk erlösen von ihren Sünden.<br />
<strong>Rappard</strong> verteidigte also die Heiligungslehre, verurteilte aber die Verirrungen von R.P.Smith, und tat<br />
sozusagen stellvertretend Busse. In den Erklärungen kommt schön zum Ausdruck, das auch ein<br />
Vorbild wie Smith in Sünde fallen konnte. Das hatte man eigentlich nicht erwartet. Das Bewusstsein,<br />
dass jeder Christ, wenn er in der völligen Heiligung lebt, sündigen kann, wurde wieder neu deutlich.<br />
<strong>Rappard</strong> benutzte die Gelegenheit um klarzustellen, dass der Kampf gegen die Sünde unerlässlich sei.<br />
Dass Vertrauen in die Auferstehungskraft Jesu als Vorbedingung zur Heiligung sollte nicht<br />
geschmälert werden, aber der persönliche Kampf gegen die Anfechtung neu betont werden. Im<br />
Christlichen Glaubensweg nahm er ausführlich Stellung. Er sagt z.B. im folgenden Abschnitt<br />
(<strong>Rappard</strong>, 1876:46/Bd2):<br />
Die Heiligung ist daher nicht eine schwere Last, sondern ein sanftes Joch,<br />
unter welchem es allerdings durch immer tiefere Vernichtung des eigenen<br />
Lebens und durch mancherlei Sterbensprozesse der Natur geht, das aber dem<br />
völlig ergebenen Kinde dennoch ein seliges Liebesjoch ist.<br />
45 Nur auszugsweise wiedergegeben<br />
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Mit dieser Aussage wollte <strong>Rappard</strong> verhindern, dass die Anhänger der <strong>Heiligungsbewegung</strong> plötzlich<br />
wieder zurückkehren zu einem krampfhaften selbstbezogenen Kampf gegen die Sünde. Andererseits<br />
kommt klar zum Ausdruck, dass das aktive Handeln gegen die Sünde, und ein Leben in der Busse<br />
unabdinglich sind. Das war schon eine leichte Korrektur der Lehre, und eine Ermahnung für die<br />
überschwänglichen Vertreter der <strong>Heiligungsbewegung</strong>.<br />
2.4.2.1 <strong>Rappard</strong>s differenzierte Haltung zur Heiligung durch Glauben.<br />
Besonders in den späteren Aufsätzen von 1876/77 kommt <strong>Rappard</strong> zu erklärenden Aussagen über sein<br />
Verständnis von Heiligung. Es wird deutlich, dass er sich damit vom quietistischen Gedankengut der<br />
aufkommenden neueren <strong>Heiligungsbewegung</strong> distanzieren wollte. Er wollte nicht in ein<br />
überschwängliches Christsein verfallen. Er verwarf die Idee, dass durch die Anrufung des Namens<br />
Jesu, sozusagen immer alle Sünde und Anfechtung wie durch ein Wunder verschwinden sollte. So sagt<br />
er z.B. in einer Ansprache (1876:182/Bd2):<br />
Ich möchte deshalb Jedem ins Gewissen hineinrufen, Reisse im Aufblick auf<br />
Jesum deinen Willen los von der Sünde oder sündigen Gewohnheit, die dir<br />
anklebt; denn solange du darin gebunden bleibst, kommst du nicht vom<br />
Fleck.<br />
Immer im Aufblick auf Jesus, sollte gehandelt werden. Wie bereits erwähnt, hat <strong>Rappard</strong> das<br />
menschliche Handeln nicht ausgeschlossen, sondern das persönliche Handeln, als Folge eines<br />
geistgewirkten, auf Jesus bezogenen Handelns, gesehen.<br />
Noch im gleichen Jahrgang des „Glaubensweg“ gibt <strong>Rappard</strong> tieferen Einblick in sein Verständnis des<br />
Kampfes gegen die Sünde. Er kommentiert die Bibelstelle aus Kol 3,3 und 5, wo steht: „Denn ihr seid<br />
gestorben, und euer Leben ist verborgen mit Christus in Gott. So tötet nun die Glieder, die auf Erden<br />
sind, Unzucht, Unreinheit, schändliche Leidenschaft, böse Begierde, und die Habsucht, die<br />
Götzendienst ist.“<br />
Dazu schreibt <strong>Rappard</strong> (1876:222/Bd2):<br />
Nur wo der Tod des Gekreuzigten und das Leben des Auferstandenen eine<br />
aufgerichtete Macht im Herzen geworden ist, kann das tägliche und vielfache<br />
Tödten der verschiedenen Glieder eine Realität sein.<br />
Er hat durch diese Erklärungen die Prioritäten dargestellt. Zuerst gilt es, dass sich der Mensch im<br />
Glauben ganz Christus übergibt. Jesu Tod und Auferstehung sind die Grundvoraussetzungen, damit<br />
ein Mensch in der Heiligung leben kann. Es braucht eine neue Autorität. Es ist die Rechtfertigung des<br />
Sünders durch Jesus Christus. Auf der Basis dieses täglichen Lebens „in Christus“, wird dann ein<br />
ethisches Handeln möglich, wobei das Handeln aktiv ist, und nicht wie durch ein Wunder automatisch<br />
geschieht.<br />
Wenn wir diese Aussagen mit den Auslegungen von H.W. Smith vergleichen, dann sehen wir die<br />
Unterschiede. H.W.Smith hatte den Weg der Heiligung als ein sehr mystisches Geschehen<br />
<strong>Stefan</strong> <strong>Fuchser</strong> IGW International 7.11.2008
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beschrieben, was eben zu Missverständnissen führen konnte. Sie sagte in ihrem Buch über die<br />
Selbstlosigkeit Gottes (H.W.Smith 1910:191):<br />
Aber wir wussten jetzt, dass der Herr tatsächlich uns aus jeder Versuchung<br />
erretten konnte und wollte, wenn wir es ihm nur zutrauten[...].Wir sahen<br />
ferner ein, dass der Glaube und der Glaube allein der Weg zum Siege ist, und<br />
dass unser Kämpfen und Ringen nicht zum Ziele führe. Von unserer Seite<br />
war Glaube und Hingabe an Gott notwendig, das übrige durften wir ihm<br />
überlassen.<br />
Wir sehen hier die Nuancen und verstehen jetzt besser, wenn R.P. Smith später gesagt hat (zitiert bei<br />
<strong>Rappard</strong> 1910:108): „Ich habe nicht zu viel, aber vielleicht zu ausschliesslich das Vertrauen auf Gott<br />
betont und nicht genug auf das Wachen hingewiesen.“<br />
<strong>Rappard</strong> versuchte diese Gefahr abzuwenden, indem er immer wieder auf beide Elemente hinwies.<br />
Einerseits betonte er die Gegenwart des Erlösers im Lebens des Christen, der die richtigen<br />
Vorraussetzungen gibt, andererseits verlangte er die willentliche Bereitschaft jedes Christen, im<br />
Namen Jesu gegen die Sünde anzukämpfen. Tausende von Lesern des „Glaubensweg“ versuchte er so<br />
zu beeinflussen, um ein falsches Bild von Heiligung zu korrigieren. Ob es ihm gelungen ist, ist schwer<br />
zu sagen.<br />
2.4.2.2 Kritik am Heiligungsverständnis C.H.<strong>Rappard</strong>s<br />
<strong>Rappard</strong> hat es in seinen Stellungnahmen verpasst, klar anzugeben, wie denn nun die Verbindung von<br />
Bekehrung, Wiedergeburt und Heiligung zu verstehen sei. Zwar hat er erklärt, wie wir gesehen haben,<br />
dass die Heiligung aus der Rechtfertigung herauswächst, und in ihr begründet ist, aber der Ruf nach<br />
Heiligung hätte verlangt, deutlicher zu zeigen, dass die Bekehrung auch ein Anfang in der Heiligung<br />
darstellt, und dass jeder bekehrte Christ in der Heiligung lebt, wenn er Christus wirklich Raum gibt.<br />
Dadurch, dass er dies nicht getan hat, hat er Tür und Tor für ein Stufendenken geöffnet, was die<br />
Vertreter der <strong>Heiligungsbewegung</strong> dann rege getan haben. Für <strong>Rappard</strong> war das Erlebnis in Oxford<br />
schlicht eine Erneuerung im Glauben an Jesus gewesen, indem er die Kraft Christi für die<br />
Rechtfertigung und Heiligung neu entdeckt hatte. Smith und vor allem Jellinghaus haben aber dieses<br />
Erlebnis als einmaliges Heiligungserlebnis deklariert, das den Eintritt in das sogenannte „higher life“<br />
ermöglicht, und das ganz gesondert von der Rechtfertigung zu verstehen war.<br />
Hier hätte <strong>Rappard</strong> deutlicher Stellung nehmen sollen. Wahrscheinlich ist sich <strong>Rappard</strong> erst später<br />
bewusst geworden, dass theologische Klärung nötig gewesen wäre. <strong>Rappard</strong> blieb konsequent dabei,<br />
dass er die neuen Erkenntnisse in der Heiligung als Erneuerung durch Gottes Geist, und allgemeine<br />
Vertiefung des Glaubens sah. Er schreibt im „Glaubensweg“ (1875:141/Bd1):<br />
Der Hauptsegen jener Tage war für Viele aus uns ein klareres, festeres<br />
Erkennen dessen, was wir früher schon gehört, geglaubt und erfahren<br />
hatten[...].Es wurde uns klarer, als je, dass die verschiedenen Benennungen,<br />
die in den vielfach verbreiteten Schriften vorkommen, als da sind: Die Ruhe<br />
des Glaubens, das volle Heil, die Geistestaufe, die Fülle des Geistes, das<br />
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höhere christliche Leben, die völlige Liebe, das Leben in der Kraft des<br />
Glaubens – alle auf das Eine herauskommen, nämlich auf das Innewohnen<br />
des heiligen Geistes, auf das Offenbarwerden des Lebens Jesu in uns.<br />
Mit diesem theologischen Rundumschlag offenbarte er zwar seine Sicht, die beweist, dass er die<br />
Erlebnisse als eine allgemeine geistliche Erneuerung sah, aber damit waren viele Fragen ungeklärt.<br />
Eine weitere Kritik, die ich schon mehrmals angetönt habe, ist der einseitige Schwerpunkt der Sünde.<br />
Wie wir in der nachfolgenden exegetischen Arbeit sehen werden, ist Heiligung mehr als nur ein Sieg<br />
über böse Leidenschaften und klebrige Sünde. Der Kampf gegen die Sünde ist die eine Seite, die<br />
andere Seite ist das Leben unter der Führung Gottes, das positive Früchte hervorbringt. Wenn Paulus<br />
in Römer 6,11 sagt: „Lebet Gott in Christus Jesus“ dann meint er eben, dass wir unser Leben in den<br />
Dienst Gottes stellen, und mit neuen Vorzeichen, als Befreite und als vom Geist geleitete Menschen,<br />
„eure Glieder Gott als Waffen der Gerechtigkeit“ (Röm 6,13), zur Verfügung stellen. Heiligung sollte<br />
auch ein Streben nach positivem ethischen Handeln hervorbringen, und zu missionarischem Eifer<br />
anspornen. <strong>Rappard</strong> hat allerdings durch sein Leben selbst bewiesen, dass die Heiligung positive<br />
Konsequenzen hat. Er ist ein feuriger Evangelist, und ein gütiger Leiter der Gemeinschaftsbewegung<br />
geworden.<br />
<strong>Stefan</strong> <strong>Fuchser</strong> IGW International 7.11.2008
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3 SCHLUSSTEIL<br />
3.1 Thesen zur Bedeutung von C.H. <strong>Rappard</strong> für die Evangelikalen.<br />
Das Erbe der Väter unserer christlichen Gemeinden ist gewaltig. Es lohnt sich, ihre Verdienste zu<br />
entdecken. Die Bedeutung <strong>Rappard</strong> ist bis heute wahrscheinlich unterschätzt worden. Es ging in dieser<br />
Arbeit darum, zu untersuchen, wie die Erneuerung durch die <strong>Heiligungsbewegung</strong> am Ende des<br />
19.Jh’s auf unseren Kontinent gekommen ist, und wie <strong>Rappard</strong> davon erfasst wurde, und wie er zur<br />
Verbreitung beigetragen hat. Interessant ist zu sehen, wie <strong>Rappard</strong> die neue Bewegung begleitet, und<br />
unterstützt hat. Die Früchte seiner Arbeit sind vielfältig.<br />
3.1.1 C.H. <strong>Rappard</strong> hat eine geistliche Erneuerung in die Schweiz gebracht.<br />
Die Erweckung, die durch die Konferenz vom 29.August-7.September 1874 in Oxford ausgelöst<br />
wurde, brachte C.H. <strong>Rappard</strong> in eine neue Glaubensbeziehung zu Jesus. <strong>Rappard</strong> erkannte, wie viele<br />
andere Teilnehmer auch, dass Jesu Tod und Auferstehung nicht nur von Schuld befreit, und ein neues<br />
Leben schenkt, sondern dass Jesus der Sünde die Macht genommen hat. Das war frische Luft für die<br />
Seele vieler Pietisten, die in mühsamer eigener Anstrengung gegen die schlechten Gewohnheiten<br />
ankämpften. Eine Neuhingabe an Jesus, den Sieger über Schuld und anklebender Sünde wurde<br />
gefordert. <strong>Rappard</strong> kam mit dieser Buss- und Siegesnachricht in die Schweiz zurück, und forderte in<br />
vielen Versammlungen in der ganzen Schweiz die Christen dazu auf, sich dem Erlöser von Sünde in<br />
Busse und Vertrauen neu hinzugeben, um von seiner Geisteskraft erfüllt zu werden. Tausende von<br />
Menschen gaben in Versammlungen in Bern Basel, Schaffhausen, St.Gallen, Genf ihr Leben neu in<br />
die Hand des Erlösers, so dass eine wahre Erneuerung durchs Land ging. Die Pastoren Stockmayer,<br />
J.J. Riggenbach und seine Frau begleiteten ihn bei den Vorträgen und sprachen auch zum Thema<br />
Heiligung durch den Glauben.<br />
3.1.2 C.H. <strong>Rappard</strong> war ein Pionier der Evangelisationsversammlungen.<br />
<strong>Rappard</strong> war ein Evangelist. Früher evangelisierte er in der Mission in Aegypten, dann begann er als<br />
Inspektor und später als Reiseevangelist in der Schweiz und Deutschland zu evangelisieren. In Basel<br />
wurde der Verein zur Evangelisation und Gemeinschaftspflege gegründet, dem <strong>Rappard</strong> angehörte.<br />
Ein Freund (zitiert bei D.<strong>Rappard</strong> 1919:141) von <strong>Rappard</strong> schreibt über die Evangelisationsideen<br />
<strong>Rappard</strong>s: „Er war unter den Ersten, die in Basel die Evangelisation neben der Kirche als ein Organ<br />
geistlicher Seelepflege bei uns einführten.“<br />
<strong>Rappard</strong> selbst schrieb, dass Menschen zu Jesus zu rufen „meine Lust“ war. (D.<strong>Rappard</strong> 1919:141).<br />
<strong>Rappard</strong> führte viele Menschen zum lebendigen Glauben an Gott.<br />
<strong>Stefan</strong> <strong>Fuchser</strong> IGW International 7.11.2008
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3.1.3 C.H. <strong>Rappard</strong> hat das stagnierende Chrischonawerk zu grosser Entfaltung geführt.<br />
Als <strong>Rappard</strong> 1968 als Inspektor nach Chrischona kam, sanierte er zuerst die Finanzen des von<br />
C.F.Spittler gegründeten und in einer Krise steckenden Werkes. Dann verstärkte er die theologische<br />
Ausbildung. Die Oxforder Bewegung führte auch auf Chrischona zu einer Erweckung und<br />
Erneuerung.<br />
Besonders die Evangelisationen <strong>Rappard</strong>s und die Tätigkeiten der Pilgermissionare in Deutschland,<br />
Oesterreich, Frankreich und der Schweiz brachten ihre Früchte. Die Zahlen sprechen eine deutliche<br />
Sprache. Am 1.August 1909, wenige Wochen vor seinem Tod, eröffnete <strong>Rappard</strong> im Thurgau das 62.<br />
Vereinshaus der Pilgermission (D. <strong>Rappard</strong> 1910:175). In der Schweiz wurde 1869 der erste Missionar<br />
ausgesendet. 1872 konnte in Mattwil die erste Kapelle der Pilgermission in der Schweiz eröffnet<br />
werden. Rund 30 Stationen entstanden in der Schweiz bis zum Tod <strong>Rappard</strong>s. <strong>Rappard</strong> gilt als<br />
Begründer der Gemeinschaftsarbeit in der Schweiz, Frankreich und Deutschland.<br />
3.1.4 C.H. <strong>Rappard</strong> hat es geschafft, Theologie und Praxis in der Ausbildung zu verbinden.<br />
Die Theologische Ausbildungsstätte St.Chrischona wurde von <strong>Rappard</strong> erneuert und geprägt. Er<br />
förderte die Ausbildung von biblischem Wissen, Charakter und praktischen Uebungen in Predigt und<br />
Lehre. Es war eine Jüngerschaftsschule, die darauf ausgerichtet war, junge Menschen auf die<br />
Aufgaben der inneren und äusseren Mission vorzubereiten (D.<strong>Rappard</strong> 1910:94). <strong>Rappard</strong> legte<br />
grossen Wert auf die Bildung des Charakters. Die Lebensgemeinschaft auf Chrischona war dazu<br />
geeignet.<br />
3.1.5 Carl Heinrich <strong>Rappard</strong> gehört zu den Vätern der Gemeinschaftsbewegung<br />
Insgesamt kann <strong>Rappard</strong> als geistlicher Vater der Heiligungs- und Gemeinschaftsbewegung angesehen<br />
werden. Er hat rund vierzig Jahre für die Anliegen der Mission, der Evangelisation, der theologischen<br />
Ausbildung und des Gemeindebaus in der Schweiz, Deutschland und Frankreich investiert. Durch<br />
seine Reisen und Vorträge, sowie durch seine Schriften ist er überall als Förderer und Vater der<br />
christlichen Gemeinde bekannt geworden. Seine Liebe zu Jesus hat viele Menschen angesteckt. Die<br />
Erneuerung von Oxford ist ganz bestimmt ein Schlüsselerlebnis gewesen, das ihn motiviert hat, und<br />
wo Gott ihn besonders ausgerüstet hat.<br />
<strong>Stefan</strong> <strong>Fuchser</strong> IGW International 7.11.2008
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3.2 Was ist biblische Heiligung gemäss Römer 6-8?<br />
Die <strong>Heiligungsbewegung</strong> hat viel dazu beigetragen, dass darüber nachgedacht wurde, wie ein Christ<br />
leben soll. Glücklicherweise wurde Christus immer ins Zentrum gestellt. Viele Menschen wurden<br />
erneuert und erweckt. Viele unserer heutigen Gemeinden sind aus dieser Zeit entstanden. Meines<br />
Erachtens ist es sehr wichtig, dass auch heute die Christen auf allen Ebenen überlegen, wie ein Leben<br />
mit Gott aussehen soll. Christliche Gemeinden sollen deutliche Anleitung geben und Lehre vermitteln.<br />
Es genügt bestimmt nicht, dass wir stundenlang um Erweckung beten, ohne zu überlegen und in der<br />
Bibel zu forschen, welche Bedingungen an eine Erweckung oder Erneuerung geknüpft sind.<br />
Am Schluss dieser Arbeit möchte ich deshalb die biblischen Grundlagen der Heiligung beschreiben,<br />
um nicht nur von menschlichen Erfahrungen zu berichten. Es ist mir wichtig, verschiedene<br />
exegetische Ansichten zu Wort kommen zu lassen, und eine richtungsweisende theologische<br />
Grundlage für diese Frage der Heiligung darzustellen. Was hat Paulus gemeint, als er die Grundlagen<br />
der Heiligung, und das Verhältnis zur Rechtfertigung in Römer 6-8 beschrieb? Ich beschränke meine<br />
Arbeit auf diese drei wichtigen Kapitel aus dem Römerbrief.<br />
3.2.1 Wir sind der Sünde abgestorben „apeyanomen“<br />
Röm 6,2: „Wir, die wir der Sünde abgestorben sind, wie sollten wir noch in ihr leben?“<br />
Das ist die Herausforderung der Heiligung: Der Mensch ist der Sünde abgestorben. Nicht die Sünde ist<br />
gestorben, sondern der Mensch, der an Christus glaubt, identifiziert sich mit dem gekreuzigten Jesus.<br />
Er ist mit Christus gestorben. Die Sünde ist bezahlt. Die Sünde hat das Gericht empfangen und ist nun<br />
vergeben. Sie hat keine Macht mehr. Zuerst ist dies einmal eine objektive Feststellung, die uns auch an<br />
anderen Stellen des Neuen Testaments begegnet (Kol 3,3; 1.Petr 2,24), und uns zeigt, wie radikal das<br />
Vergebungs – und Erlösungswerk Christ ist. Es handelt sich also schlichtweg um ein „Todsein“ für die<br />
Sünde.<br />
Wenn der Gläubige diesen Tatbestand der Schuldbefreiung erkennt, und zum ersten Mal begreift, dass<br />
dieser Tod Christi für ihn geschehen ist, dann sieht er sich durch Christus vor Gott ganz gerechtfertigt,<br />
und heil gemacht. Es geschieht eine Trennung von der Sünde durch Christus, was im praktischen<br />
täglichen Leben eindeutig Konsequenzen haben wird. Christus hat alles weggetan, was Sünde heisst.<br />
Der Gläubige hat durch den Glauben Anteil an dieser Tatsache. Der Sünder ist durch den Glauben mit<br />
Christus gestorben. Jetzt soll sich dies im Lebenswandel langfristig beweisen. J.Calvin hat den<br />
langfristigen Charakter der Veränderung angetönt, wenn er in seinem Kommentar zu Römerbrief<br />
(1855:99) schreibt:<br />
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Car par ce mot ENCORE, qui singifie un temps à venir, il monstre quel<br />
changement doit d’ensuyvre depuis que la justice de Christ nous est<br />
communiquée. 46<br />
Das Abgestorbensein und die Rechtfertigung vor Gott muss also praktische Folgen haben. Ein Leben<br />
der Heiligung folgt aus der Rechtfertigung. Wie könnte man noch in der Sünde weiterleben, wenn man<br />
ihr doch „in Christus“ abgestorben ist<br />
Dass Paulus die Frage stellt: „...wie sollten wir noch in ihr leben?“ zeigt, dass der Mensch diesen Tod<br />
Christi für den Sünder nicht ernst nehmen könnte. Der Mensch kann diese Tatsache also vergessen. Es<br />
ist verbunden mit dem Glauben, ob der Gläubige den Tod Christi für den Sünder ernst nehmen will.<br />
Der Glaube erstarkt in diesem Festhalten, dass die Sünde keine Macht mehr hat, weil wir mit Christus<br />
der Sünde abgestorben sind. Luther sagt in seinem Römerbriefkommentar (1515:226) dazu : „Wenn<br />
wir in die verkehrten Lüste nicht einwilligen, dann stehen wir in der Gnade und die Sünde herrscht<br />
nicht in unserem Leibe.“<br />
Luther hat richtig geschrieben, dass die verkehrten „menschlichen Lüste“, unser Körper, der Leib mit<br />
seelischen und geistigen Regungen noch da sind, aber im Widerspruch mit der Tatsache, dass der<br />
Mensch mit Christus der Sünde abgestorben ist, und deshalb die Macht der Sünde gebrochen ist.<br />
Adolf Schlatter hat es in seinem Kommentar zum Römerbrief noch schöner gesagt (1935:200):<br />
Befreiung von der Sünde gibt es nur durch den Tod. Nur der Gestorbene<br />
besitzt die Vollmacht, nicht mehr beim Sündigen zu bleiben, und ein<br />
Gestorbener ist der Glaubende deshalb, weil der für ihn gestorben ist, an den<br />
er glaubt.<br />
Wenn der Mensch durch Busse und Bekehrung zu Gott kommt und erkennt, dass Christus für ihn und<br />
seine Sünde gestorben ist, dann beginnt sofort die Abkehr von der Sünde.<br />
Die Frage stellt sich noch, inwiefern, oder wann genau, sich dieses Gestorbensein, und diese Leben in<br />
Christus verwirklicht. Dazu aber mehr in der folgenden Auslegung zum „Mitgestorbensein“ in Römer<br />
6,4.<br />
Fazit: Es ist deutlich, dass die Heiligung mit der Rechtfertigung unzertrennlich verwoben ist. „Der<br />
Sünde abgestorben“ ist also ein objektiver Tatbestand, der Christus geschaffen hat. Der Christ beginnt<br />
am ersten Tag seines neuen Christenlebens, sich gegen die aufkommende Versuchung mit aller Kraft<br />
zu wehren, indem er aller Versuchung erklärt, dass er der Sünde abgestorben ist. Auch wenn er diese<br />
Tatsache erst später im Leben erkennt, will dies nicht heissen, dass erst dann die Heiligung beginnt.<br />
Die Heiligung basiert auf der Tatsache der Rechtfertigung, auch wenn der Christ erst viel später, nach<br />
seiner Bekehrung, damit zu leben, zu glauben und zu kämpfen anfängt. Heiligung heisst, täglich in der<br />
46 Uebersetzung: Denn dieses Wort „noch“ das auf eine zukünftige Zeit hinweist, zeigt, dass eine Veränderung<br />
stattfinden muss, seit die Gerechtigkeit Gottes uns vermittelt wurde.<br />
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Rechtfertigung zu leben. Oder anders gesagt: Täglich damit zu leben, dass er der Sünde abgestorben<br />
ist, und dass die Sünde kein Anrecht mehr hat.<br />
3.2.2 Wir sind mit Christus mitgestorben „sunetafhmen“<br />
Römer 6,4: „So sind wir nun mit ihm begraben worden durch die Taufe in den Tod.“<br />
Dies zeigt die Wichtigkeit der Taufe für die Rechtfertigung und Heiligung. In der Taufe wird der<br />
Christ hineingenommen in den Tod Christi. Er ist „mithineingenommen“ oder wie Schlatter<br />
(1935:203) sagt „hineingepflanzt“ in den Tod Christi. Der Gläubige hat den Tod des Sünders nicht<br />
selbst gemacht, sondern Christus ist für ihn gestorben, und der Gläubige ist mit dabei. Der Mensch mit<br />
seinem Hang zum Sündigen ist wie ein Samenkorn gestorben (Jh 12,24), und wird nun zu einem neuen<br />
Leben erwachen.<br />
Die Frage stellt sich, wie dieses „hineingepflanzt“ und „Mitgestorbensein“ zu verstehen ist? Ist es ein<br />
symbolhaftes Geschehen, oder entsteht hier eine fast körperlich, seelische Veränderung? Ist die<br />
Rechtfertigung und der Eintritt in die Heiligung eine „Neuschaffung“ des Menschen oder bloss eine<br />
Frage der „inneren Perspektive“, ein innere Haltung gegenüber der Sünde. Die <strong>Heiligungsbewegung</strong><br />
hat ja zum Teil geglaubt, dass der Christ, wenn er sich im Glauben auf Christus beruft, eine Kraft<br />
bekommt, die physisch-magisch zu verstehen ist.<br />
Ganz im Gegensatz dazu hat z.B. Albert Ritschl (1882:229) die Erklärungen von Paulus in Römer 6,4<br />
nur als Bild für den Tod Christi gedeutet, als er schrieb:<br />
So ist zugleich noch deutlicher erwiesen, dass die durch die Deutung der<br />
Taufe vermittelte Abspiegelung der Ereignisse des Todes und der<br />
Auferstehung Christi im einzelnen Gläubigen zu nichts weniger geeignet ist,<br />
als zur Erklärung des Sinnes vom Opfer Christi.<br />
Er meint sogar, dass Paulus schwierig zu verstehen sei, und kritisiert (Ritschl 1882:227): „Ich brauche<br />
nicht hervorzuheben, dass diese Argumentation, so bedeutsam sie für Paulus gewesen sein muss,<br />
starke Ansprüche für unsere Einbildungskraft macht.“<br />
Da kommt mit Martin Luther (zitiert bei Karl Barth 1919:214) ein ganz anderer Einblick in das<br />
Verständnis des Mitgestorbenseins, als er in einer Predigt, am 6. Sonntag nach Trinitatis über Römer<br />
6,3-11 sagte:<br />
Darum so du dich taufen lässt, so gibst du dich unter das gnädige Ersäufen<br />
und barmherzige Töten deines lieben Gottes und sprichst: ersäufe und<br />
erwürde mich, lieber Herr, denn ich will nunfort gerne mit deinem Sohn der<br />
Sünde gestorben sein.<br />
Wenn ich Luther recht verstanden habe, geht es ihm darum, dass der Christ sich in seinem Kampf<br />
gegen die Sünde auf den Akt der Taufe beruft. Es ist ein inneres Festhalten an dem, was im Glauben<br />
erfasst, und äusserlich in der Taufe demonstriert wurde.<br />
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Der Neuenburger Theologe Frédéric Godet sieht dabei noch einen weiteren Aspekt. Er sagt (Godet<br />
1968:13/Bd2) in seinem Kommentar zu Römer 6:<br />
La sentence de la mort dont Dieu a frappé en Christ le péché du monde se<br />
répercute pour ainsi dire dans notre conscience comme la sentence de mort de<br />
notre péché. Nous nous sentons contraints de rompre avec le péché pour<br />
lequel Christ a subi cette mort. 47<br />
Godet hebt den Aspekt des Gewissen hervor. Der Tod Christi ist sozusagen „ins Gewissen“<br />
eingetragen, so dass der Gläubige gezwungen wird, mit der Sünde aufzuhören.<br />
Obschon Karl Barth wahrscheinlich nicht daran gedacht hat, dass das Mitgestorbensein ein physisches<br />
Geschehen ist, hat er doch in der Römerbriefauslegung das „Mitgestorbensein“ noch mehr als nur eine<br />
Gewissensveränderung gesehen (K.Barth 1919:215):<br />
...dass wir in Christus nicht in eine mystische Leere, und nicht in ein<br />
buddhistisches Nirwana, sondern positiv in eine neue, bessere Daseins- und<br />
Lebensgestalt übergegangen sind. Die Wiederherstellung von Gedanken,<br />
Gewohnheiten und Taten, die uns als Kindern Adams natürlich waren, ist uns<br />
peinlich und schrecklich geworden, weil wir im Christus nicht nur einen<br />
neuen Sinn, ein neues Gewissen und dergleichen, sondern, wie er selbst in<br />
seiner Auferstehung, eine neue Natur empfangen haben.<br />
Barth versteht unter „neue Natur“ nicht eine physische neue Natur, sondern andere<br />
Lebensbedingungen, weil die Herrlichkeit Gottes in unser Leben getreten ist (1919:215). Das ist eine<br />
mutmachende, sehr positive Sicht für die Heiligung.<br />
Fazit 1: Es kommt nochmals deutlich zum Ausdruck, dass die Rechtfertigung durch den Glauben, auch<br />
der Beginn der Heiligung darstellt. Der Gläubige ist sich täglich bewusst, dass die Sünde bei ihm<br />
nichts mehr zu suchen hat, weil er im Glauben und in der Taufe auf Christus, mit der Sünde gebrochen<br />
hat. Ich bin mit Frédéric Godet einig, dass es vorerst ein „Einpflanzen“ dieser Wahrheit ins Gewissen<br />
des Menschen ist, wobei man sein Gewissen auch verdrängen kann, und dadurch wieder in Sünde<br />
verfallen kann. Das Gewissen „ermahnt“ uns, wenn wir darauf hören.<br />
Besonders wichtig scheint mir aber, dass der Gläubige erkennt, dass das Mitgestorbensein, ein<br />
Abschluss der alten Abhängigkeiten ist, und dadurch neue Hoffnung zum Ausdruck kommt. Es<br />
entsteht ein neues Leben ohne alte Bindungen. Es entstehen neue Lebensbedingungen. Die<br />
Herrlichkeit eines neuen Lebens unter Gottes Führung ist möglich, weil wir ja vor Gott gerechtfertigt<br />
sind, was grosse Möglichkeiten eröffnet. „Gott mit uns“ bringt Hoffnung. Das ist der positive Aspekt<br />
der Rechtfertigung und Heiligung, was wir im weiteren sehen werden.<br />
47 Uebersetzung: Das Todesurteil, welches Gott durch Christus über der Sünde ausgesprochen hat, wirkt sich<br />
sozusagen auch in unserem Gewissen als Todesurteil über die Sünde aus. Wir fühlen uns gezwungen mit der<br />
Sünde zu brechen, für welche Christus gestorben ist.<br />
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Fazit 2: Niemand kann behaupten, die Sünde sei in zwei Kategorien einzuteilen: In bewusste und<br />
unbewusste Sünde, wobei eine schlimmer sei als die andere, und dass ich nur Busse tun müsse für die<br />
bewusste Sünde, so wie dies R.P. Smith (1875:72) sagte: „Insofern ich die Sünde erkenne und meine<br />
Zuflucht zu Christus nehme, habe ich ein reines Gewissen.“ Das reine Gewissen habe ich, weil<br />
Christus für mich als Sünder gestorben ist, und die Sünde beseitigt hat, ob es nun unbewusste oder<br />
bewusste Sünde ist. Auch die unbewusste Sünde ist Sünde. Bei der Bekehrung tue ich Busse für meine<br />
unbewussten und bewussten Sünden, dann kann ich aber getrost meinen Weg gehen.<br />
3.2.3 Wir stellen unser Leben dem Auferstandenen zur Verfügung<br />
Römer 6,19b: „Denn wie ihr eure Glieder als Sklaven der Unreinheit und der Gesetzlosigkeit zur<br />
Gesetzlosigkeit zur Verfügung gestellt habt, so stellt jetzt eure Glieder zur Verfügung als Sklaven der<br />
Gerechtigkeit zur Heiligkeit.“<br />
Das ist der positive und neue Aspekt der Tatsache, das wir nicht nur mit Christus gestorben, sondern<br />
auch mit ihm auferstanden sind (6,4b). Dass wir auch mitauferstanden sind, hat Konsequenzen für<br />
unser Leben. Wir leben unser Leben ab sofort für den Auferstandenen und geben unseren Leib oder<br />
unsere Glieder (melh) in seinen Dienst. Edouard Lohse (2003:202) sagt: „Der Imperativ, der aus der<br />
schon gefallenen Entscheidung folgt, lautet daher: „Haltet euch für solche, die ihre Glieder bereits als<br />
Knechte der δικαιοσύυη zur Verfügung gestellt haben.“ Es geht darum, dass sich nun die Veränderung<br />
im Leben praktisch vollzieht.<br />
Es ist ein bewusstes Indienststellen unserer Fähigkeiten in Gottes Absichten. Paulus gebraucht hier das<br />
Wort „Dienen“ für den Haushalter im Haus des Hausherrn. Wie ein Mitarbeiter im Haus, damals ein<br />
Sklave oder Diener, so stellt sich der Christ mit Leib und Leben in den Dienst des Meisters hinein. Er<br />
lebt täglich im Haus der Gerechtigkeit und ist ein Diener diese Gerechtigkeit geworden. Auch wenn er<br />
den Ansprüchen nicht immer entspricht, er ist dem Haus der Sünde entflohen, oder besser gesagt<br />
abgestorben, um nun im Haus der Gerechtigkeit, wo Christus Herr und Meister ist, dieser<br />
Gerechtigkeit zu dienen. Ueber den „Dienst des Christen“ hat besonders Adolf Schlatter einen sehr<br />
positiven Beitrag geschrieben.<br />
F.Godet fordert, dass wir unser Leben genauso radikal dem Auferstandenen zur Verfügung stellen, wie<br />
wir es vorher dem Bösen zur Verfügung gestellt haben (1968:60). Es soll ein aktives Leben für Gott<br />
und das Gute entstehen. Kein passives Ausruhen auf einer biblischen Wahrheit. Er betont also die<br />
menschlich aktive Heiligung, die aus der Auferstehung Christi möglich wird.<br />
Barth sagt dazu (1919:238):<br />
Die Freiheit, die euch im Messias geschenkt wurde, und für die ihr euch in<br />
ihm entschieden habt, ist nicht ein loser, oder, schwankender Zustand,<br />
sondern ein schöpferisches, gestaltendes, formendes und organisierendes<br />
Prinzip, sie ist die Freiheit zum Guten, die nach ihrer eigenen immanenten<br />
Gesetzlichkeit das Gute und nur das Gute hervorbringen wird. Der Dienst,<br />
den ihr erwählt habt, prädestiniert euch für ein Leben unter des gestaltenden<br />
Machte des Guten.<br />
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Barth spricht richtig positiv vom neuen Leben, das sich schöpferisch auswirkt, und nicht nur gegen das<br />
Böse kämpft, aber mir sind diese Erklärungen zu wenig an Christus orientiert. Barth spricht von einem<br />
Prinzip. Ich meine aber, dass das Prinzip nur funktioniert, wenn der Gläubige gemäss Joh 15 ganz<br />
nahe am Weinstock (Jesus) bleibt.<br />
Fazit für die Heiligung:<br />
- Die Heiligung ist das Leben im Heil. Geist, Seele, und Leib werden durch das vollbrachte Heil<br />
in Christus geformt. Godet hat schön gesagt (1968:Bd 2/7): „la justification par la foi et<br />
l’entrée dans le salut, et la sanctification le salut lui même. 48 » Das geschaffene Heil schafft<br />
Heiligung des Menschen. Es findet konkret dort statt, wo ich ganz bewusst meinen Leib, Seele<br />
und Geist in den Dienst der Gerechtigkeit und des Heils stelle, die mir durch Jesu<br />
Auferstehung geschenkt worden sind. Der Christ stellt sein Leben ganz in diesen Dienst. Es ist<br />
ein bewusstes Streben danach. Es ist ein aktives ethisches Ausrichten nach Gottes Massstäben.<br />
Es geht darum, dass ich die Früchte der Gerechtigkeit suche. Es geht also nicht nur um ein<br />
Festhalten an der Tatsache, dass ich der Sünde abgestorben bin, um der Versuchung zu<br />
widerstehen, sondern um ein positives „zur Verfügung stellen“ meines ganzen Lebens für<br />
Gottes Sache. Das ist ein wichtiger Aspekt, der in der <strong>Heiligungsbewegung</strong> manchmal<br />
vergessen wurde. Es geht nicht nur um uns, und um den Kampf gegen die Versuchung,<br />
sondern um das Leben, das Früchte bringt (Gal 5,22), weil wir unseren Leib in den Dienst<br />
Gottes stellen.<br />
- Das Leben der Heiligung ist nicht ein passives Geschehen. Wenn es heisst, dass wir unsere<br />
Glieder als Werkzeuge oder Instrumente (oplon) zur Verfügung stellen sollen, dann ist dies<br />
auch so aktiv gemeint. Hier kommt der Gehorsam und die Liebe zum Herrn zum Ausdruck.<br />
Weil wir ihn lieben und ihm gehorsam sein wollen, stellen wir ihm alles, was wir haben zur<br />
Verfügung, sozusagen als Opfer (Röm 12,2). Wir verändern uns, weil wir jetzt alles für den<br />
Auferstandenen tun, und ihm alles zur Verfügung stellen, was wir haben.<br />
- Die Heiligung ist nicht antinomistisch. Ganz im Gegenteil: wir sind Sklaven der Gerechtigkeit<br />
Gottes geworden (Röm 6,18).<br />
- Die Heiligung ist im Werden begriffen (6,19): „eiv agiasmon“ meint, dass unsere Glieder zur<br />
Heiligung zur Verfügung gestellt werden sollen. Luther übersetzt: „...dass sie heilig werden.“<br />
3.2.4 Das Gesetz ist gut, aber es vollbringt nichts Gutes, wenn der Mensch fleischlich lebt.<br />
Paulus erklärt im Kapitel 7 das Verhältnis zwischen Gesetz und Sünde. Er beschreibt, wie es dazu<br />
kommt, dass der Mensch trotzdem sündigt. Er möchte klarstellen, dass der fleischliche Christ unter<br />
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das Gesetz kommen kann, wenn er zur Sünde verführt wird, ganz im Gegensatz zum geistlichen<br />
Christen, der dem „Neuen Gesetz des Geistes“ (Vers 6) dient.<br />
Römer 7,7: „Was sollen wir nun sagen? Ist das Gesetz Sünde? Das sei ferne! Aber die Sünde hätte ich<br />
nicht erkannt als nur durch Gesetz.“<br />
Römer 7,10: „Und das Gebot, das zum Leben gegeben, gerade das erwies sich mir zum Tod.“<br />
Das Gesetz, das eigentlich gut und von Gott eingesetzt ist (7,12), hat die Funktion, dass es uns klar<br />
sagt, was recht und falsch ist. Die Leidenschaften unseres Leibes möchten anders handeln, als das<br />
Gesetz es verlangt. Die Schwachheit unsers sündigen Leibes führt dazu, dass wir trotzdem sündigen,<br />
obschon wir doch erkannt haben, dass wir es nicht tun sollten.<br />
Das Gesetz hat also zwei Funktionen. Einerseits beschreibt es Gottes Plan für unser Leben.<br />
Andererseits wird es uns zum Anlass der Sünde, weil unser Leib es nicht einhalten kann. Wer in<br />
diesem Kreislauf drinsteckt, und immer versucht, mit eigener Kraft das Gesetz zu erfüllen, der wird<br />
nie die Forderungen des Gesetzes erfüllen können. Wir müssen erkennen, dass Christus für diesen<br />
Kreislauf von Gesetz, Fleisch, und Sünde gestorben ist. Christus hat selbst dieses Gesetz, das uns<br />
verdammt, in seinen Tod hineingenommen: „Jetzt sind wir von dem Gesetz losgemacht, da wir dem<br />
gestorben sind, worin wir festgehalten wurden“ (Röm 7,6).<br />
Fazit: Wer unter dem Gesetz lebt, und sich nicht bewusst macht, dass er ja den neuen Geist Gottes hat,<br />
und mit dem Auferstandenen leben kann, der kommt in den Kreislauf des Gesetzes und der daraus<br />
resultierenden Sünde, weil das Fleisch (der ganze lebende Mensch) schwach ist. Die Gebote Gottes<br />
entsprechen aber dem Plan Gottes. Sie sind nicht aufgehoben. Der Christ hat genaugleich nach ihnen<br />
zu leben, aber er kann es auf fleischliche Art und Weise versuchen, was ihn dazu bringt, dass er das<br />
Gesetz nie ganz einhalten wird. Darum noch einmal: Heiligung kann nicht antinomistisch sein. Es ist<br />
ein Leben „in der Gerechtigkeit“ Gottes, indem der Christ sich vom Geist Gottes leiten lässt..<br />
3.2.5 Der Kampf des geistlichen Menschen, wenn er aus eigener Kraft kämpft<br />
Römer 7,18: „Denn ich weiss, dass in mir, das ist in meinem Fleisch, nichts Gutes wohnt; denn das<br />
Wollen ist bei mir vorhanden, aber das Vollbringen des Guten nicht.“<br />
Es entsteht ein Kampf zwischen dem Fleisch, also der menschlichen Begier und den Leidenschaften,<br />
und dem fordernden Gesetz. Das Gesetz wünscht, dass der Mensch kämpft, damit er erreicht, was das<br />
Gesetz will, aber der Mensch unterliegt in diesem Kampf sehr oft. Paulus sagt von sich, dass er das<br />
Gute tun will, aber stattdessen tut er das Schlechte, das er nicht tun will, also die Sünde (7,19).<br />
Schlatter sagt dazu (1935:241):<br />
Dem aber, in dessen Herzen unabtreibbar die Begier sitzt, die aus dem<br />
Fleisch entsteht, ist es unmöglich, sich mit dem Willen des Gesetzes so zu<br />
einigen, dass er diesen einzig und beharrlich bis zur Vollendung des<br />
48 Uebersetzung: Die Rechtfertigung durch den Glauben ist der Eintritt ins Heil, und die Heiligung ist das Leben<br />
im Heil.<br />
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Gebotenen festhielte. Immer hat er neben dem Willen, den das Gesetz in ihm<br />
erweckt, das leibliche Begehren in sich, und dieser Zwiespalt lässt kein<br />
Vollbringen des Guten zu.<br />
Mit Luther und Schlatter bin ich einig, dass hier vom geistlichen Menschen die Rede ist. Der geistliche<br />
Mensch kann allerdings fleischlich leben, also mit eigener menschlicher Kraft und mit gesetzlichen<br />
Massstäben. Besonders der Wechsel von der 3.Person in die 1. Person (ab Vers 7) beweist meines<br />
Erachtens, dass Paulus gerade von sich spricht. Paulus hat dies als Christ und Apostel von sich<br />
geschrieben. Genau so kann es geschehen, wenn der Christ trotzdem sündigt. Er gerät in den Kreislauf<br />
von Gesetzesforderungen und Sünde. Sein Fleisch ist dazu fähig, weil es noch nicht gestorben ist. Der<br />
Kampf gegen die Sünde ist erst dann gewonnen, wenn der Christ lernt, dass er mit Christus der Sünde<br />
und den Forderungen des Gesetzes abgestorben ist, und dass ein neuer Geist, nämlich der kräftige<br />
Geist des Auferstandenen in ihm wohnt, der ihm ganz neue Motivation und neue Vorraussetzungen<br />
schafft. Der Glaube rechnet nicht mehr mit Gesetz und Strafe, sondern mit Gottes Liebe und seiner<br />
Kraft. Schlatter sagt (1975:244):<br />
Vollzogen ist die Trennung des Menschen vom Sündigen erst dann, wenn er<br />
im Glauben mit dem Christus verbunden ist, der ihm sein Sündigen nicht nur<br />
verbietet, sondern für ihn seine Schuld getragen hat. Nun trennt den<br />
Glaubenden von der Sünde nicht nur ein Verbot, sondern Gottes rettende<br />
Kraft, 1,16.<br />
Der Christ steht in seinem Leben immer zwischen den beiden Tatsachen, die ihn zum Glaubenskampf<br />
(!) auffordern: Der noch sterbliche und begehrliche Leib mit seinem Forderungen, der durch das<br />
Gesetz herausgefordert ist, und der neue Geist Gottes, der mit Kraft die schwachen Glieder berühren<br />
will, so dass sie Gottes Gerechtigkeit gehorchen. Die Frage ist lediglich, worauf sich der Christ beruft,<br />
und wem er vertraut, und warum er kämpft. Römer 7,13-25 beschreibt was geschieht, wenn ein Christ<br />
im Kampf mit seinen eigenen Mitteln kämpft, um dem Gesetz zu gehorchen.<br />
Fazit: Römer 7 ist keine Beschreibung eines Nichtchristen oder Ungläubigen, oder Erweckten, der<br />
nach Befreiung sucht, wie dies die Keswick-Lehre dachte, sondern eine Beschreibung der Wirkungen<br />
des Gesetzes im Zusammenhang mit den Begierden des Fleisches, der realistische Kampf eines<br />
Christen, der mit seinen eigenen Mitteln kämpft.<br />
3.2.6 Der Kampf des geistlichen Menschen, wenn er mit der Kraft des Geistes rechnet.<br />
Röm 8,5: „Denn die, welche nach dem Fleisch sind, sinnen auf das, was des Fleisches ist; die aber, die<br />
nach dem Geist sind, auf das, was des Geistes ist.“<br />
Es gibt ein geistliches Leben, das besonders auf Christus schaut, und mit der Kraft Christi rechnet.<br />
Das Wort „sinnen“ (fronew) meint soviel wie „mit seinem Geist danach suchen mit ganzem Eifer“. 49<br />
49 Walter Bauer, Wörterbuch zum NT, 6.Auflage, Walter de Gruyter Berlin 1988, S.1726<br />
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Es ist ein Kampf der Sinne und Gedanken. Der Mensch stellt sein ganzes Denken auf die Seite des<br />
Geistes Gottes, der mit Kraft in ihm wirkt, und ihn freimacht vom Kreislauf des Gesetzes, den das<br />
Sündigen hervorruft.<br />
Röm 8,2 sagt: „Denn das Gesetz des Geistes des Lebens in Christus hat dich frei gemacht von dem<br />
Gesetz der Sünde und des Todes.“<br />
Das was der Geist Gottes bewirkt, ist weit stärker als das, was das Fleisch bewirkt. Während im<br />
Kapitel 7 die Macht des Gesetzes beschrieben ist, so wird im Kapitel 8, 1-17 die Uebermacht des<br />
Geistes Gottes beschrieben. Es ist also für den Weg der Heiligung sehr wichtig, dass der Mensch dem<br />
Geist Gottes Raum gibt, und mit diesem Geist lebt, so wird das Fleisch nicht dominieren.<br />
Röm 8,13: „Denn wenn ihr nach dem Fleisch lebt, so werdet ihr sterben, wenn ihr aber durch den<br />
Geist die Handlungen des Leibes tötet, so werdet ihr leben.<br />
Es ist sehr wichtig, dass der Mensch das Leben im Geist als Kampf versteht, aktiver Kampf. Paulus<br />
möchte klarmachen, dass es ein imperatives Töten „yanatoute“ der Begierden gibt, allerdings nicht<br />
aus irgend einem Verbot oder aus Forderung des Gesetzes, sondern aus der Kraft des Geistes, die uns<br />
der Auferstandene gibt. In der Anfechtung ist es nicht mehr das erhitzte Kämpfen aus Angst vor dem<br />
Gesetz, sondern das kindliche Rufen des Kindes: „AbbaVater“ (8,16), weil dort die Kraft und die Hilfe<br />
kommt. Selbst wenn der Gläubige unterliegt, und ihn das Fleisch betrügt, ist die Möglichkeit der<br />
Gnade aus der Hand des Vaters möglich. Der Gläubige lebt und handelt ethisch mit ganz neuen<br />
Vorzeichen. Wie bereits gesagt, weist Frédéric Godet darauf hin, dass der Gläubige innerlich gedrängt<br />
wird, weil das Gewissen in dazu auffordert, nach Gottes Massstäben zu handeln.<br />
Er sagt (Godet 1968:155):<br />
„Celui que l’Esprit conduit à aspirer aux choses de l’Esprit, est poussé par là à conformer sa conduite à<br />
la loi de l’Esprit dont ces biens sont le véritable but. 50 “<br />
Karl Barth sagt dazu (1919:303): „Im Christus ist das Tun des Guten Möglichkeit, für die, die im<br />
Christus sind, reale Wirklichkeit geworden.“<br />
Johannes Calvin meint (1855 :135): „Mais aussi qu’il nous vivifie par sa vigueur, jusqu’à ce que<br />
finalement il nous renouvelle parfaitement.“ 51<br />
Er ist nicht mehr unter dem Druck des Gesetzes, sondern unter der gütigen und kräftigen Hand Gottes<br />
und seines Geistes, wenn der Mensch sich verändert. Der Mensch muss aber immer wieder neu mit der<br />
Kraft des Geistes rechnen, und bereit sein, im Leben zu vollziehen, was er im Geist angefangen hat.<br />
Die Reformatoren hatten es eigentlich klar gesagt. In den Kommentaren von Frédéric Godet entdeckte<br />
ich neue vertiefende Anschichten zur Heiligung. Bei Adolf Schlatter sah ich besonders den positiven<br />
Aspekt der Heiligung.<br />
50 Derjenige, der vom Geist geführt wird, nach den Dingen des Geistes zu suchen, ist gefordert, seinen<br />
Lebenswandel dem Gesetz des Geistes anzupassen, wobei sein Inhalt das Ziel darstellt.<br />
51 Aber auch, dass er uns lebendig macht durch seine Kraft, bis er uns schlussendlich ganz erneuert.<br />
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3.2.7 Zusammenfassung über die Entdeckungen in Römer 6-8 bezüglich Heiligung<br />
- Rechtfertigung und Heiligung sind nicht voneinander zu trennen, sondern das eine ist<br />
Grundlage zum andern.<br />
- Ein Christ ist durch den Glauben an Jesus für die Sünde gestorben.<br />
- Ein Christ ist durch den Glauben mit Jesus zu einem neuen Leben unter Gottes Geistesleitung<br />
auferstanden (erweckt).<br />
- Ein Christ stellt seinen Körper (Glieder) und sein Können aktiv und positiv Gott zur<br />
Verfügung. Er tut im Gehorsam, was der Geist ihm sagt. Es gibt also kein ungesetzliches<br />
Leben, sondern ein Bestreben, Gott zu dienen, nur dass dies immer durch und für Christus<br />
geschehen soll.<br />
- Eine passive Haltung gibt es nicht, indem ich meine, Christus habe alles schon in mir<br />
vollbracht, und ich müsse mein Leben nicht umgestalten. Christ sein ist Kampf, gegen das<br />
Böse und für das Gute, jedoch mit der Kraft des Auferstandenen Christus, der in mir wohnt.<br />
- Ein Christ läuft Gefahr, ohne Christus im Glauben wachsen zu wollen. Er muss lernen, ganz<br />
auf den Geist Gottes zu vertrauen, der ihm Kraft gibt, wenn Versuchung kommt. Ansonsten<br />
wird ihn das Gesetz und die Sünde überraschen, was wie bei Paulus beschrieben (Kap 7),<br />
vorkommen kann.<br />
- Es gibt keine mehr oder weniger schlimme, bewusste oder unbewusste Sünde. Alles was<br />
Gottes Willen widerspricht ist Sünde. Von diesem Gesichtspunkt aus gesehen, kann ich<br />
täglich demütig vor ihn kommen und auf seine Vergebung vertrauen, weil mein Fleisch noch<br />
lebt, und mich gelegentlich zu Fall bringt, so wie dies Paulus beschrieben hat. Es gibt keine<br />
absolute Vollkommenheit oder Sündlosigkeit.<br />
Abschliessende Bemerkungen zum Umgang der <strong>Heiligungsbewegung</strong> mit Römer 6-8:<br />
Die <strong>Heiligungsbewegung</strong> hat neu entdeckt, wie wichtig es ist, im Glauben in der Kraft des Geistes<br />
Gottes zu sein und zu bleiben, und nicht nur auf seine eigenen Fähigkeiten zu schauen. Aktiver Glaube<br />
und daraus folgendes aktives Handeln ist nötig. Es ist ein Werden, das vom Geist geleitet ist, und<br />
durch unseren Gehorsam verwirklicht wird.<br />
Gerade der Theologe der <strong>Heiligungsbewegung</strong> Theodor Jellinghaus ist hier in eine ganz quietistische<br />
Haltung hineingerutscht als er sagte: „Dass der in dir, als seinen Tempel, wohnende Herr Jesus es auch<br />
übernommen hat, [...] in dir alle Sünde und sündiges Wesen von Augenblick zu Augenblick zu<br />
besiegen“ (Jellinghaus, zitiert im Glaubensweg, 1875:73). Dies zeigt den feinen Unterschied in der<br />
<strong>Heiligungsbewegung</strong>. Verschiedene Vertreter dieser Zeit verneinen den Kampf, wie er in Römer 6-8<br />
beschrieben ist, und fallen in eine falsche Haltung der Ruhe. Carl Heinrich <strong>Rappard</strong> hat meines<br />
Erachtens in seinen Veröffentlichungen „Des Christen Glaubensweg“ (1875-77) versucht,<br />
Einseitigkeiten zu verhindern. Er hat immer wieder zusammenfassend erklärt, wie er die Heiligung<br />
<strong>Stefan</strong> <strong>Fuchser</strong> IGW International 7.11.2008
PT 7496 <strong>Diplomarbeit</strong>: Carl Heinrich <strong>Rappard</strong> und die <strong>Heiligungsbewegung</strong> A–62<br />
versteht. Persönlich hat er mit grossem Respekt und grosser Liebe von Christus und seiner Kraft<br />
gesprochen.<br />
Meine Arbeit schliesse ich ab mit einem Wort von Adolf Schlatter (1984:473) zu unserem Thema:<br />
„Wie unsere Rechtfertigung Sündern die Gerechtigkeit gibt, so macht auch unsere Heiligung<br />
aus Sündern Täter des göttlichen Willens.“<br />
Gelobt sei Jesus Christus,<br />
Gestern<br />
Heute<br />
Und in Ewigkeit.<br />
Amen.<br />
<strong>Stefan</strong> <strong>Fuchser</strong> IGW International 7.11.2008
PT 7496 <strong>Diplomarbeit</strong>: Carl Heinrich <strong>Rappard</strong> und die <strong>Heiligungsbewegung</strong> A–63<br />
4 BIBLIOGRAPHIE<br />
4.1 Bibeln, Bibelhilfen und Bibel-Kommentare<br />
- Elberfelderbibel, 1985, 2.Auflage, R.Brockhaus Wuppertal.<br />
- Nestlé-Aland 1979 Novum Testamentum Graece, Bibelgesellschaft Stuttgart.<br />
- Nestlé, E 1987. Sprachlicher Schlüssel zum Griechischen Neuen Testament, Brunnen Verlag.<br />
- Bauer, W 1988. Wörterbuch zum NT, Walter de Gruyter Berlin.<br />
- Biblische Handkonkordanz, Gotthelfverlag Zürich 1984.<br />
- Calvin, J 1855. Commentaires sur le NT, Tome Troisième, Librairie de Ch. Meyrueis et<br />
Compagnie, Paris.<br />
- Ellwein, E (Hrsg) 1927. Kaiser Verlag München. Luther, M 1515/16. Vorlesungen über den<br />
Römerbrief.<br />
- Schlatter, A (Hrsg) 1917. Beiträge zur Förderung christl.Theologie, Gütersloh. Schlatter, A<br />
1917. Luthers Deutung des Römerbriefs, Gütersloh.<br />
- Schlatter, A 1935. Gottes Gerechtigkeit, Ein Kommentar zum Römerbrief, Calwer Verlag.<br />
- Schmidt, H (Hrsg.) 1985. 2. Akademische Werke, TVZ Zürich. Bart, K 1919 Der Römerbrief,<br />
(Erste Fassung).<br />
- Lohse, E 2003. Der Brief an die Römer, 1.Auflage dieser Auslegung, Vandenhoeck&Ruprecht.<br />
- Godet, F. 1968. Commentaires sur l’Epître aux Romains, Edition Labor et Fides Genève.<br />
- Ritschl, A 1882. Die christliche Lehre von der Rechtfertigung und der Versöhung, 2.verbesserte<br />
Auflage, Bonn, bei Adolph Marcus.<br />
- Schlatter, A 1984, 4. Auflage, Das christliche Dogma, Calwer Verlag.<br />
- Köberle, A 1929. Rechtfertigung und Heiligung, Dörffling und Franke.<br />
- Hanselmann, J, Rothenberg & S, Swarat, U (Hrsg) 1987. Fachwörterbuch Theologie,<br />
Brockhausverlag Wuppertal.<br />
4.2 Unveröffentlichte Quellen von Dora und C.H. <strong>Rappard</strong><br />
- Fortlaufendes Komiteeprotokoll ab 1874, Archiv St.Chrischona.<br />
- Mitteilungen aus der Korrespondenz der Pilgermission, Basel, 1862-1877, Archiv<br />
St.Chrischona.<br />
- <strong>Rappard</strong>, C.H. 1875-1877, Des Christen Glaubensweg, 3 Bände in einem Band, Spittler Verlag,<br />
Archiv St.Chrischona.<br />
- <strong>Rappard</strong>, C.H (Hrsg) 1897-1900, 1908-1909, Der Glaubensbote, Verlag auf St.Chrischona.<br />
<strong>Stefan</strong> <strong>Fuchser</strong> IGW International 7.11.2008
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4.3 Veröffentlichte Quellen von und über Dora und C.H. <strong>Rappard</strong><br />
- <strong>Rappard</strong>, D 1910. Carl Heinrich <strong>Rappard</strong> – ein Lebensbild von seiner Gattin, Buchhandlung der<br />
Pilgermission, Giessen.<br />
- <strong>Rappard</strong>, D (Hrsg) 1875. Brosamen, Allianzverammlungen in Basel, Spittler Verlag (Es ist<br />
nicht ganz sicher zu beweisen, dass Dora <strong>Rappard</strong> diese Zusammenschrift verfasst hat, aber es<br />
entspricht ihrem Stil. Es kommt ganz bestimmt aus der näheren Umgebung der Familie<br />
<strong>Rappard</strong>).<br />
- <strong>Rappard</strong>, C.H 1890. Fünfzig Jahre der Pilgermission, Spittler Verlag.<br />
- Veiel, 1940. Die Pilgermission von St.Chrischona 1840-1940, Brunnen Verlag Giessen<br />
- Bunke, E 1953. Carl Heinrich <strong>Rappard</strong>, ein Zeuge Jesu Christi, Brunnen Verlag Giessen.<br />
4.4 Literatur zum Thema Gemeinschafts- und <strong>Heiligungsbewegung</strong><br />
- Sauberzweig, H 1959. Er der Meister wir die Brüder, Geschichte der Gemeinschaftsbewegung,<br />
Gnadauer Verlag Denkendorf.<br />
- Ohlemacher, J (Hrsg) 2003. Fleisch, P 1932. Die Heiligunsbewegung, Brunnen Verlag<br />
- Lange, D 1990. Eine Bewegung bricht sich Bahn, TVG Brunnen Giessen<br />
- Voigt, K.H 1996. Die <strong>Heiligungsbewegung</strong> zwischen Methodistischer Kirche und<br />
Landeskirchlicher Gemeinschaft, R.Brockhaus Verlag Wuppertal<br />
- Mauerhofer, A 1987. Eine Erweckungsbewegung im 19.Jh, Brunnen Verlag Giessen<br />
- Schlatter, A (Hrsg) 1915. Beiträge zur Förderung christlicher Theologie. Cremer, E 1915. Das<br />
vollkommene gegenwärtige Heil, Eine Untersuchung zum Dogma der<br />
Gemeinschaftsbewegung, Güterloh<br />
- Hadorn, D 1902. Die Heiligung mit besonderer Berücksichtigung der <strong>Heiligungsbewegung</strong>,<br />
Buchhandlung Erziehungsverein Neukirchen<br />
- Jellinghaus, Th 1898. Das völlige gegenwärtige Heil durch Christum, Kober-Spittler Verlag<br />
Basel<br />
- Jellinghaus, Th. Erklärungen über meine Lehrirrungen, Verlag Brack &Co, Lichtenrade<br />
- Smith, H.W 1910. Die Selbstlosigkeit Gottes und wie ich sie entdeckte, Kober-Spittler Verlag<br />
Basel.<br />
4.5 Uebrige Literatur<br />
- Lerch, D 1941. Heil und Heiligung bei John Wesley, Christliche Vereinsbuchhandlung Zürich.<br />
- Lee, S.D 2003. Der deutsche Pietismus und John Wesley, TVG, Brunnen Verlag Giessen<br />
- Packer, J [1984] 1989. Auf den Spuren des Heiligen Geistes, aus dem amerikanischen<br />
übersetzt, Brunnen Verlag Basel<br />
- Mauerhofer, E. 1980. Der Kampf zwischen Fleisch und Geist, Trachsel Verlag Frutigen<br />
- Beyreuther, E 1962. Studien zur Theologie Zinzendorfs, Neukirchener Verlag<br />
<strong>Stefan</strong> <strong>Fuchser</strong> IGW International 7.11.2008
PT 7496 <strong>Diplomarbeit</strong>: Carl Heinrich <strong>Rappard</strong> und die <strong>Heiligungsbewegung</strong> A–65<br />
- Beyreuther, E 1986. Spener. P.J, Umkehr in die Zukunft, Pia desideria, TVG Brunen Verlag<br />
Basel<br />
- Neuer, W (Hrsg) 1991. Schlatter, A.. Der Dienst des Christen, Beiträge zu einer Theologie der<br />
Liebe,<br />
- Schmidt, M & Jannasch W (Hrsg) 1988. Klassiker des Protestantismus, Das Zeitalter des<br />
Piertismus, Brockhaus Verlag Wuppertal, photomechanischer Nachdruck von 1965, Carl<br />
Schüneman Verlag Bremen<br />
- Raupp, W 1987. Werkbuch Kirchengeschichte, Brunnen Verlag Basel<br />
<strong>Stefan</strong> <strong>Fuchser</strong> IGW International 7.11.2008