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Determinismus bei Nietzsche Moralische Implikationen und ...

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4 <strong>Determinismus</strong>-Begriff <strong>bei</strong> <strong>Nietzsche</strong><br />

Der Versuch, den Begriff des Determinsmus mit <strong>Nietzsche</strong>s Philosophie in Einklang<br />

zu bringen, ist problematisch. Zum einen lädt das eben Dargelegte nicht unbedingt<br />

dazu ein, in einer perspektivischen Philosophie ein absolutes Gesetz zu verorten,<br />

wie es der <strong>Determinismus</strong> per definitionem ist (s.u.). Zum anderen finden sich viele<br />

einschlägige Äußerungen dazu in jener problematischen Zusammenstellung, die<br />

ihre Herausgeber ”<br />

Wille zur Macht“ nannten <strong>und</strong> die mehr zum Zerrbild als zum<br />

Verständnis <strong>Nietzsche</strong>s <strong>bei</strong>getragen hat. 45 Wir müssen also den Umweg über Belege<br />

aus den veröffentlichten Schriften nehmen, um eine Überbewertung der Nachlass-<br />

Aphorismen zu vermeiden.<br />

Man könnte die Untersuchung sofort abbrechen, verließe man sich auf ein Stelle aus<br />

dem Nachlass, die mit ”<br />

Zur Bekämpfung des <strong>Determinismus</strong>“ überschrieben ist:<br />

Daraus, daß etwas regelmäßig erfolgt <strong>und</strong> berechenbar erfolgt, ergiebt<br />

”<br />

sich nicht, daß es nothwendig erfolgt. Daß ein Quantum Kraft sich<br />

in jedem bestimmten Falle auf eine einzige Art <strong>und</strong> Weise bestimmt<br />

<strong>und</strong> benimmt, macht ihn nicht zum unfreien Willen‘. Die mechanische<br />

Nothwendigkeit‘ist kein Thatbestand: wir erst haben sie in das<br />

’ ’<br />

Geschehn hinein interpretirt. Wir haben die Formulierbarkeit des Geschehens<br />

ausgedeutet als Folge einer über dem Geschehen waltenden<br />

Necessität.“ 46<br />

Allerdings lassen sich ebenso Stellen anführen, in denen <strong>Nietzsche</strong> genau das Gegenteil<br />

dessen behauptet:<br />

Am Wasserfall. - Beim Anblick eines Wasserfalles meinen wir in den<br />

”<br />

zahllosen Biegungen, Schlängelungen, Brechungen der Wellen Freiheit<br />

des Willens <strong>und</strong> Belieben zu sehen; aber Alles ist nothwendig, jede Bewegung<br />

mathematisch auszurechnen. So ist es auch <strong>bei</strong> den menschlichen<br />

Handlungen; man müßte jede einzelne Handlung vorher ausrechnen<br />

können, wenn man allwissend wäre, ebenso jeden Fortschritt der<br />

Erkenntniss, jeden Irrthum, jede Bosheit. Der Handelnde selbst steckt<br />

freilich in der Illusion der Willkür; wenn in einem Augenblick das Rad<br />

der Welt still stände <strong>und</strong> ein allwissender, rechnender Verstand da wäre,<br />

um diese Pausen zu benützen, so könnte er bis in die fernsten Zeiten die<br />

Zukunft jedes Wesens weitererzählen <strong>und</strong> jede Spur bezeichnen, auf der<br />

jenes Rad noch rollen wird. Die Täuschung des Handelnden über sich,<br />

die Annahme des freien Willens, gehört mit hinein in diesen auszurechnenden<br />

Mechanismus.“ 47<br />

Neben dem vordergründig klaren Bekenntnis zu Materialismus <strong>und</strong> <strong>Determinismus</strong><br />

ist hier die daraus gefolgerte Negation des freien Willens wichtig. Wir werden im<br />

Folgenden untersuchen, wie <strong>Nietzsche</strong> seine Vorstellung von <strong>Determinismus</strong> aus seiner<br />

Beschäftigung mit den zeitgenössischen Naturwissenschaften gewonnen hat <strong>und</strong><br />

welche Konsequenzen für den freien Willen <strong>und</strong> die Moralphilosophie sich daraus<br />

ergeben.<br />

45 Kaufmann schreibt: ”<br />

Die wichtigsten einschlägigen Texte findet man im Nachlaß. Die Herausgeber<br />

des Willens zur Macht haben sie zu einem Abschnitt zusammengefaßt (WM 618-639). Der<br />

größere Teil von ihnen stammt aus den Jahren 1885 <strong>und</strong> 1886, der Rest aus späterer Zeit. Bei der<br />

Abfassung seiner späteren Werke hat <strong>Nietzsche</strong> diese Aufzeichnungen nicht benutzt. Man kann<br />

sagen, daß er in ihnen seine ’<br />

Physik‘skizziert hat. Seine Thesen sind nicht voll durchdacht, <strong>und</strong> er<br />

hat sie auch nicht zu völliger Übereinstimmung mit seiner sonstigen Philosophie gebracht – das<br />

gilt für fast alle Aufzeichnungen, die er später nicht mehr benutzt hat.“ [12, S. 306]<br />

46 [21, 9 [91], S. 386]<br />

47 [23, MA I, 106]<br />

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