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Determinismus bei Nietzsche Moralische Implikationen und ...

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zen soll uns wider den Geschmack gehen! Überlassen wir dies Geschwätz<br />

<strong>und</strong> diesen üblen Geschmack Denen, welche nicht mehr zu thun haben,<br />

als die Vergangenheit um ein kleines Stück weiter durch die Zeit zu<br />

schleppen <strong>und</strong> welche selber niemals Gegenwart sind, - den Vielen also,<br />

den Allermeisten! Wir aber wollen Die werden, die wir sind, - die Neuen,<br />

die Einmaligen, die Unvergleichbaren, die Sich-selber-Gesetzgebenden,<br />

die Sich-selberSchaffenden! Und dazu müssen wir die besten Lerner <strong>und</strong><br />

Entdecker alles Gesetzlichen <strong>und</strong> Nothwendigen in der Welt werden: wir<br />

müssen Physiker sein, um, in jenem Sinne, Schöpfer sein zu können, -<br />

während bisher alle Werthschätzungen <strong>und</strong> Ideale auf Unkenntnis der<br />

Physik oder im Widerspruch mit ihr aufgebaut waren. Und darum: Hoch<br />

die Physik! Und höher noch das, was uns zu ihr zwingt, – unsre Redlichkeit!“<br />

99<br />

6 Fazit <strong>und</strong> Kritik<br />

Moral <strong>und</strong> <strong>Determinismus</strong> gehen also <strong>bei</strong> <strong>Nietzsche</strong> eine zerstörerische ”<br />

Dysbiose“<br />

ein. Vom Geist der ”<br />

Umwertung aller Werte“ getrieben, der ihn Verachtung für alle<br />

unterdrückende Moral empfinden läßt, die den Menschen davon abhält, seinem<br />

Willen zur Macht in Selbstüberhöhung zu entsprechen, läßt <strong>Nietzsche</strong> die Gr<strong>und</strong>mauern<br />

der Moralphilosophie vom <strong>Determinismus</strong> untergraben, bis sie schließlich<br />

auf ihn niederstürzt <strong>und</strong> erschlägt. Ist der ”<br />

Nihilist“ <strong>Nietzsche</strong>, dem alle ewigen<br />

Wahrheiten ein Grauen sind, also sogar bereit, das Schafott des <strong>Determinismus</strong> aufzurichten,<br />

um das über die Moral gefällte Todesurteil zu vollziehen? Hat er ganz<br />

übersehen, dass er seine Seele an Materialismus <strong>und</strong> den Glauben an ewige Gesetzmäßigkeit<br />

verkauft, wenn er mit dem ”<br />

Teufel“ <strong>Determinismus</strong> paktiert? Stimmt<br />

er ein, in die Sophistische Tradition: erlaubt ist jedes Argument, das mir nützt?<br />

Sicherlich griffe es zu kurz, <strong>Nietzsche</strong> Selbstwidersprüchlichkeit oder Unehrlichkeit<br />

vorzuwerfen. Die Anwendung des <strong>Determinismus</strong> ist bestimmt nicht nur ein rhetorisches<br />

Scheinargument, das er seinen Lesern unterzujubelen trachtet, um sie für seine<br />

Dekonstruktion der Moral empfänglich zu machen. Zu sehr war er sich der Problematik<br />

eines Erkenntnisprozesses bewußt, der ohne jede feste Wahrheit auskommen<br />

muss. Zu scharf setzte er das logische Rasiermesser an, um <strong>bei</strong>de Ideen, Moral wie<br />

<strong>Determinismus</strong>, aus seinem Weltbild herauszuschneiden. Zu unfertig schließlich, zu<br />

unsystematisch ist seine philosophische Hinterlassenschaft, als dass sie überhaupt<br />

die Suche nach ihren letzten Aussagen <strong>und</strong> den Widersprüchen in ihnen zuließe.<br />

Damit aber verletzt er die Fairness gegenüber seinem Leser <strong>und</strong> den anderen Philosophen.<br />

Man kann nicht umhin, <strong>Nietzsche</strong> eine Immunisierungsstrategie vorzuhalten:<br />

wenn es vielleicht auch als das einzig Systematische seiner Philosophie erscheint,<br />

so entzieht er doch jeder möglichen Kritik den Boden. Er beweist selbst nicht den<br />

” Muth [. . . ], sich <strong>und</strong> sein Werk langweilig finden zu lassen.“100 Denn welchen Angriffspunkt<br />

ließe er zu? Die Naturwissenschaften nicht, denn die benutzt <strong>und</strong> stutzt<br />

er selbst. Keine ihrer Beobachtungen <strong>und</strong> sorgfältigen Experimente könnte etwas gegen<br />

ihn einwenden, denn sie wären immer nur Zeugen eines f<strong>und</strong>amentalen Irrtums<br />

über die materielle Welt <strong>und</strong> einer falschen Gr<strong>und</strong>konzeption unserer Wahrnehmung.<br />

Gegen jede greifbare Gesetzmäßigkeit führt er das Schwert der Vergänglichkeit.<br />

Ein letztes Argument hierfür muss er freilich schuldig bleiben, denn es hieße<br />

im absoluten Werden eine absolute Wahrheit zu begründen. Ebensowenig kann eine<br />

Transzendentalphilosophie gegen ihn ausrichten, denn sie vermag ihre absoluten<br />

99 [24, FW 335, S. 563f.]<br />

100 [23, MA II, Vermischte Meinungen <strong>und</strong> Sprüche 25]<br />

24

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