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Determinismus bei Nietzsche Moralische Implikationen und ...

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gergleichung, beschreibt, wie sich ein Zustand des physikalischen Systems in einen<br />

nächsten entwickelt <strong>und</strong> zwar mathematisch wohlverstanden. Die Quantenmechanik<br />

führt zu Resultaten, die mit Experimenten übereinstimmen, es gibt sogar kein Experiment,<br />

das sich mit Hilfe der Quantenmechanik nicht erklären ließe. Das Problem<br />

besteht darin, wie man den ”<br />

Zustand des physikalischen Systems“ mathematisch<br />

beschreibt, denn statt ”<br />

Orten“ <strong>und</strong> ”<br />

Impulsen“ benutzt man hier ”<br />

Zustandsfunktionen“<br />

oder ”<br />

Wellenfunktionen“, die sich nicht mehr auf Objekte der Alltagserfahrung<br />

beziehen wie eben ”<br />

Teilchen“. Die Frage, wie aus Zustandsfunktionen die<br />

reale Welt entsteht, ist noch nicht beantwortet 55 , es ist noch nicht einmal klar, ob<br />

sie beantwortet werden muss. 56 In einer Weiterentwicklung der Quantenmechanik<br />

zur Quantenfeldtheorie, die die Quantenmechanik mit der speziellen Relativitätstheorie<br />

in Einklang bringt, werden die Wellenfunktionen zu Gunsten der Teilchen<br />

wieder abgeschafft, allerdings zum Preis, dass sich die Teilchen nicht mehr wie in<br />

der klassischen Physik verhalten, sondern unendlich viele verschiedene Wege gleichzeitig<br />

nehmen. 57 Dennoch bleibt der Zustand des physikalischen Systems zu jedem<br />

Zeitpunkt durch einen vorhergehenden Zustand <strong>und</strong> die Randbedingungen determiniert.<br />

Auch wenn auf die Unterschiede des <strong>Determinismus</strong>begriffs in den einzelnen physikalischen<br />

Theorien nicht eingegangen werden kann, so läßt sich doch verstehen,<br />

dass physikalische Gesetze, die mathematisch mit Hilfe von Differentialgleichungen<br />

ausgedrückt werden, wesenhaft beschreiben, wie sich physikalische Objekte von einem<br />

Zustand zu einem anderen entwickeln. Es gibt Minimalanforderungen an das<br />

Wissen über das zu betrachtende System, die genügen, um durch die Anwendung<br />

des Gesetzes das künftige Verhalten sowie die Vergangenheit zu berechnen. 58<br />

4.2 <strong>Nietzsche</strong> <strong>und</strong> die Naturwissenschaft<br />

Es steht fest, dass sich <strong>Nietzsche</strong> intensiv mit den naturwissenschaftlichen Positionen<br />

seiner <strong>und</strong> früherer Zeit auseinandergesetzt hat. Dies lässt sich neben den<br />

zahlreichen Verweisen, die sich in seinen Texten finden, auch anhand der Ausleihen<br />

bestätigen, die er in der Baseler Universitätsbibliothek getätigt hat. 59 Er beschäftigte<br />

sich gleichermaßen mit Physik (Boscovich, Helmholtz, Mädler, Mohr, Pouillet,<br />

Zöllner), Chemie (Kopp, Ladenburg) <strong>und</strong> Physiologie (Funke). Weit weniger offensichtlich<br />

ist, welches Verhältnis <strong>Nietzsche</strong> zu den Aussagen der Naturwissenschaften<br />

einnahm. ”<br />

Unklar ist vor allem das Verhältnis von <strong>Nietzsche</strong>s aufrichtigem oder rhetorischem<br />

Bekenntnis zur Wissenschaft in seiner sogenannten ’<br />

positivistischen Phase‘einerseits<br />

<strong>und</strong> seiner gr<strong>und</strong>sätzlichen Erkenntnisskepsis andererseits“ 60 Insbeson-<br />

55 Einige Mathematiker <strong>und</strong> Naturphilosophen sind der Meinung, die Schrödingergleichung<br />

müsse durch ein Führungsfeld ergänzt werden. In der sog. Bohmschen Mechanik werden damit<br />

neben den Wellenfunktionen auch den Teilchen deterministische Entwicklungen zugewiesen. Vgl.<br />

[7]<br />

56 Z.B. Kojève [14] ist der Meinung, dass Zustandsfunktionen die eigentlich konkreten Objekte<br />

der Welt sind.<br />

57 [9]<br />

58 Es lässt sich nun auch verstehen, warum sich <strong>Nietzsche</strong> entgegen der Meinung von Kirchhoff<br />

[13, 1.5, S. 23] nicht in Widerspruch zu wesentlichen Gr<strong>und</strong>positionen der modernen Physik <strong>und</strong><br />

der Physik des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts bringt. Physikalische Gesetze beschreiben wesenhaft die Entwicklung<br />

der Dinge, also deren Werden. Die sogenannten Naturkonstanten stehen dazu nicht im<br />

Widerspruch. Zum einen gilt es mittlerweile als nicht unwahrscheinlich, dass sie gar nicht für alle<br />

Ewigkeit konstant sind sondern sich im Laufe der Geschichte des Universums langsam ändern,<br />

zum anderen werden sie <strong>bei</strong> der Untersuchung physikalischer Gesetze meist einfach weggelassen.<br />

Sie sind im wesentlichen nur Umrechnungsfaktoren“, die die mathematisch relevanten Einheiten<br />

”<br />

in die Einheiten der Beobachtung umwandeln.<br />

59 Vgl. [4]<br />

60 [29, S. 404]<br />

15

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