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Determinismus bei Nietzsche Moralische Implikationen und ...

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– ungehindert durch definitive Aussagen – unterstellt. Einige sind sogar<br />

der Ansicht, den ”<br />

wahren“ <strong>Nietzsche</strong> fände man in den Nachlaßnotizen,<br />

während sein veröffentlichtes Werk lediglich ein äußerst kunstvolles<br />

Verwirrspiel darstelle.“ 11<br />

Wie aber stünde der Philosoph selbst dazu? Er würde ”’<br />

alle seine Fre<strong>und</strong>e verpflichten,<br />

nichts von ihm nach seinem Tode herauszugeben als was er selbst für die<br />

Publication bestimmt <strong>und</strong> fertiggestellt hätte; denn wenn man sich sein ganzes Leben<br />

geplagt hätte, nur Ausgear<strong>bei</strong>tetes <strong>und</strong> Ganzes vor das Volk zu bringen, möchte<br />

man doch nicht dann im Hauskleid erscheinen‘– so <strong>Nietzsche</strong> in Nizza zu Siegm<strong>und</strong><br />

Freuds Fre<strong>und</strong> J. Paneth.“ 12<br />

Es bleibt die Frage, ob man Wichtiges über <strong>Nietzsche</strong>s Denken aus seinem Nachlaß<br />

lernen kann. Kaufmann vertritt die Meinung: ”<br />

Bei der Abfassung späterer Bücher<br />

nicht benützte Aufzeichnungen hielt <strong>Nietzsche</strong> fast immer deswegen zurück, weil er<br />

meinte, sie noch nicht genug durchdacht zu haben; sie waren noch nicht weit genug<br />

entwickelt, daß er bereit gewesen wäre, dafür einzustehen.“ 13 . Darüberhinaus<br />

ist es wichtig zu beachten, ”<br />

daß <strong>Nietzsche</strong> seine Gedanken im Nachlaß thetischer<br />

formuliert, was viele Interpreten dazu verleitet, aus den isolierten Notizen ’<br />

letzte<br />

Lehren‘zu rekonstruieren <strong>und</strong> zu Dogmen zu verdinglichen. Im publizierten Werk<br />

kommen diese vermeintlichen Lehren, wenn überhaupt, ästhetisch kontextualisiert<br />

vor <strong>und</strong> werden dadurch zumeist auf vielfältige Weise ironisiert, gebrochen <strong>und</strong> unterlaufen.<br />

<strong>Nietzsche</strong> formuliert hier hypothetisch, doppelbödig <strong>und</strong> vielschichtig; er<br />

operiert mit zahllosen Anspielungen <strong>und</strong> Verweisungen, durch welche die einzelnen<br />

Gedanken in einem komplexen Beziehungsgeflecht situiert werden, bzw. durch dieses<br />

erst konstituiert werden. Den veröffentichten Schriften eignet somit qua Form<br />

ein Reflexionsgrad mehr als den nachgelassenen Aufzeichungen.“ 14<br />

Die vorliegende Ar<strong>bei</strong>t wird trotz aller Bedenken <strong>und</strong> Unsicherheiten auf ein gelegentliches<br />

Zitieren aus dem Nachlass nicht verzichten können. Es muss da<strong>bei</strong> aber die<br />

skizzierte Problematik beachtet <strong>und</strong> versucht werden, Interpretationen, die sich aus<br />

dem Nachlaß ergeben, durch Aphorismen aus den publizierten Werken zu stützen.<br />

3 <strong>Nietzsche</strong>s Erkenntnismethode<br />

3.1 Ablehnung philosophischer Systeme<br />

Ihr aphoristischer Stil ist nicht nur der Gr<strong>und</strong>, warum ein systematischer Zugang<br />

zu <strong>Nietzsche</strong>s Philosophie nicht möglich ist, er ist vielmehr das Bekenntnis der<br />

Ablehnung all jener ”<br />

glänzenden Lufterscheinungen, die man ’<br />

philosophische Systeme‘nennt:<br />

sie zeigen mit zauberischer Kraft der Täuschung die Lösung aller Räthsel<br />

<strong>und</strong> den frischesten Trunk wahren Lebenswassers in der Nähe;“ 15 An anderer Stelle<br />

heißt es sogar: ”<br />

Ich mißtraue allen Systematikern <strong>und</strong> gehe ihnen aus dem Weg.<br />

Der Wille zum System ist ein Mangel an Rechtschaffenheit.“ 16 Dieses Misstrauen<br />

liegt darin begründet, dass ein System sich notwendigerweise auf Voraussetzungen<br />

stützt, die sich innerhalb seiner selbst verabsolutieren <strong>und</strong> nicht mehr in Frage ge-<br />

11 [S. 12f.][30]<br />

12 [29, S. 169]<br />

13 [12, S. 90]<br />

14 [29, S. 138f.]. Hier findet sich auch eine gute Übersicht über die unterschiedlichen Positionen<br />

zum Gewicht des Nachlasses <strong>und</strong> Verweis auf umfangreiche Literatur.<br />

15 [23, MA II, Vermischte Meinungen <strong>und</strong> Sprüche 31] Vgl. hierzu auch den Beginn von [10]<br />

16 [26, GD, Sprüche <strong>und</strong> Pfeile 26]<br />

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