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Determinismus bei Nietzsche Moralische Implikationen und ...

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stellt werden können. Vor allem gilt das für die menschliche Vernunft. So schreibt<br />

<strong>Nietzsche</strong> wider Kant:<br />

Woran liegt es doch, dass von Plato ab alle philosophischen Baumeister<br />

in Europa umsonst gebaut haben? Dass Alles einzufallen droht oder<br />

”<br />

schon in Schutt liegt, was sie selber ehrlich <strong>und</strong> ernsthaft für aere perennius<br />

hielten? Oh wie falsch ist die Antwort, welche man jetzt noch<br />

auf diese Frage bereit hält, weil von ihnen Allen die Voraussetzung<br />

’<br />

versäumt war, die Prüfung des F<strong>und</strong>amentes, eine Kritik der gesammten<br />

Vernunft‘– jene verhängnisvolle Antwort Kant’s [. . . ] (– <strong>und</strong> nachträglich<br />

gefragt, war es nicht etwas sonderbar, zu verlangen, dass ein Werkzeug<br />

seine eigne Trefflichkeit <strong>und</strong> Tauglichkeit kritisiren solle? dass der Intellekt<br />

selbst seinen Werth, seine Kraft, seine Grenzen erkennen‘solle? war<br />

’<br />

es nicht sogar ein wenig widersinnig? –)“ 17<br />

Auf welche Prämissen sich ein jeder Philosoph einlässt, ist subjektiv oder, lapidar<br />

ausgedrückt, Geschmackssache. ”<br />

Eine Philosophie ist der Ausdruck des innersten<br />

Charakters eines Menschen“, so William James 18 , <strong>und</strong> seiner moralischen Verblendung,<br />

denn: ”<br />

Der Wille zum System: <strong>bei</strong> einem Philosophen moralisch ausgedrückt<br />

eine feinere Verdorbenheit, eine Charakter-Krankheit, unmoralisch ausgedrückt,<br />

sein Wille, sich dümmer zu stellen, als man ist“ 19 .<br />

<strong>Nietzsche</strong> kommt auf eine philosophische Welt, die Kant in die Welt der Erscheinungen<br />

<strong>und</strong> die Welt der Dinge an sich geschieden hat. 20 Diese Teilung begründet sich<br />

durch den Satz vom Widerspruch: ”<br />

Der Satz vom Widerspruch gab das Schema: die<br />

wahre Welt, zu der man den Weg sucht, kann nicht mit sich in Widerspruch sein,<br />

kann nicht wechseln, kann nicht werden, hat keinen Ursprung <strong>und</strong> kein Ende.“ 21<br />

Eine wahre Welt, aus der die Gegensätze getilgt sind, ist starr, denn ”<br />

wie kann Etwas<br />

aus seinem Gegensatz entstehen, zum Beispiel Vernünftiges aus Vernunftlosem,<br />

Empfindendes aus Todtem, Logik aus Unlogik, interesseloses Anschauen aus begehrlichem<br />

Wollen, Leben für Andere aus Egoismus, Wahrheit aus Irrthümern?“ 22<br />

<strong>Nietzsche</strong> aber erkennt in der Annahme der Gegensätzlichkeit ein Vorurteil der Metaphysik,<br />

gegen das er damit eintritt, ”<br />

dass es keine Gegensätze sind, ausser in der<br />

gewohnten Übertreibung der populären oder metaphysischen Auffassung <strong>und</strong> dass<br />

ein Irrthum der Vernunft dieser Gegenüberstellung zu Gr<strong>und</strong>e liegt.“ 23<br />

In der klassischen Erkenntnisphilosophie ist Wahrheit apriorisch <strong>und</strong> jeder Subjektivität<br />

vorgegeben. Erkenntnis der Wahrheit ist da<strong>bei</strong> interesselos <strong>und</strong> setzt daher<br />

ein nicht-individuelles erkennenes Subjekt voraus. 24 Für <strong>Nietzsche</strong> aber, ”<br />

giebt es,<br />

streng gefasst, weder ein unegoistisches Handeln, noch ein völlig interesseloses Anschauen,<br />

es sind <strong>bei</strong>des nur Sublimirungen, <strong>bei</strong> denen das Gr<strong>und</strong>element fast verflüchtigt<br />

erscheint <strong>und</strong> nur noch für die feinste Beobachtung sich als vorhanden<br />

erweist.“ 25 Klassische Wahrheit beansprucht Allgemeingültigkeit, denn in der Welt<br />

des Absoluten gibt es zu jeder Frage nur eine wahre Antwort <strong>und</strong> diese Antwort<br />

gilt für alle Subjekte. Dagegen setzt <strong>Nietzsche</strong> die Priorität der Perspektive, die der<br />

Betrachter in der neuen Philosophie einnimmt:<br />

17 [24, M, Vorrede 3, S. 13]<br />

18 A Pluralistic Universe, nach [12, S. 93]. Vgl. hierzu <strong>und</strong> zum Folgenden [12, <strong>Nietzsche</strong>s Methode,<br />

S. 84–11]<br />

19 [21, 9 [188], S. 450]<br />

20 Vgl. [10]<br />

21 [22, 14 [153], S. 336]<br />

22 [23, MA I, 1, S. 23]<br />

23 [23, MA I, 1, S. 23]<br />

24 Vgl. zum Folgenden [10]<br />

25 [23, MA I, 1, S. 23f.]<br />

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