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Determinismus bei Nietzsche Moralische Implikationen und ...

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wickeln wird, in dem es dann keine Zustandsänderung mehr erfährt: der Wäremetod<br />

des Universums. Diese erstaunliche <strong>und</strong> vielleicht erschütternde Folgerung hat unter<br />

Naturforschern <strong>und</strong> Philosophen eine Rege Debatte ausgelöst. 71 Im Jahre 1875<br />

verfasst Hans Vaihinger einen Artikel für die Konferenz des Philosophischen Vereins<br />

von Leipzig. In einer von Neokantismus <strong>und</strong> Positivismus geprägten Zeit ist ”<br />

Der<br />

gegenwärtige Stand des kosmologischen Problems“ von zwei Strömungen zu seiner<br />

Lösung beherrscht: der mechanistischen, die an die Gültigkeit der physikalischen Gesetze<br />

glaubt <strong>und</strong> der sich Thomson, Helmholtz <strong>und</strong> Clausius angeschossen hatten<br />

<strong>und</strong> der organisch-teleologischen von Otto Caspari, der dem Universum die Charakteristiken<br />

eines lebenden Organismus zuschreibt. 72 Wenn das Universum nach<br />

unendlicher Zeit in den Gleichgewichtszustand des Wärmetodes übergeht, so versucht<br />

Caspari die mechanistische Beschreibung zu widerlegen, dann müsste es sich<br />

bereits in diesem Zustand befinden, da es schon seit einer Ewigkeit bestünde. 73 ” Also<br />

kann das Universum nicht als Mechanismus betrachtet werden: [. . . ] aber jede<br />

Einheit von Teilen, die sich in Bezug auf die eigene Bewegung nach einem nichtmechanischen<br />

Gesetz verhalten, muss als Organismus betrachtet werden. Die Atome<br />

von Caspari, unter Berufung auf den Leibniz der Monadologie, verhalten sich wie<br />

eine Art biologische Monaden, die mit einem inneren Zustand ausgestattet sind.<br />

Jedes Atom gehorcht dem ethischen Imperativ, zur Erhaltung des gesamten Organismus<br />

<strong>bei</strong>zutragen, <strong>und</strong> folgt in seiner Bewegung neben der reinen physikalischen<br />

Wechselwirkung, auch einer apriorischen Norm, durch die es das termische Gleichgewicht<br />

vermeidet, das aus jeder rein mechanischen Wechselwirkung unausweichlich<br />

folgt.“ 74<br />

Wenn man den Atomen solche organischen Eigenschaften zugesteht, versteht man<br />

auch, wie der Wille zum Leben ihren Bewegungen zugr<strong>und</strong>eliegen kann. Entscheidend<br />

an diesem Weltbild ist aber die Gegenüberstellung von mechanistischdeterministischer<br />

<strong>und</strong> organisch-ethischer Sichtweise. Ethische Ansprüche widersprechen<br />

also den deterministischen <strong>und</strong> umgekehrt, was ein entscheidender Punkt<br />

zum Verständnis des <strong>Determinismus</strong>begriffes <strong>Nietzsche</strong>s ist.<br />

4.2.2 Ablehnung der Naturwissenschaften<br />

Neben ihrer Untersuchung von Objekten, die für <strong>Nietzsche</strong> eigentlich nur Gegenstand<br />

eines Gr<strong>und</strong>irrtums sein können, kritisiert er das Bedürfnis der Naturwissenschaften,<br />

ein ewiggültiges Naturgesetz aufzustellen, also eine klassische Wahrheit,<br />

die jeder Perspektive enthoben <strong>und</strong> jeder historischen Wertung entzogen ist, als eigentlich<br />

metaphysisches Bedürfnis, weil ”<br />

es immer noch ein metaphysischer Glaube<br />

71 Eine ausführliche Darstellung der naturwissenschaftlichen <strong>und</strong> philosophischen Diskussion der<br />

kosmologischen Frage“ findet sich <strong>bei</strong> [6]<br />

” 72 S. [6, S. 111ff.]<br />

73 Freilich ist man in der mathematischen Kosmologie mittlerweile der Ansicht, dass es einen<br />

zeitlichen Beginn des Universums gegeben habe, den Urknall, über dessen Existenz schon zu Zeiten<br />

der kosmologischen Frage philosophisch spekuliert worden ist. Dem Argument von Caspari ist<br />

also heute der Boden entzogen. Ein andere physikalische Spekulation, nach der das Universum<br />

nach langer Zeit der Ausdehnung wieder in sich zusammenstürzen könnte, scheint nach neueren<br />

Erkenntnissen unwahrscheinlich. Damit wird der Wärmetod wieder als Ende des Universums<br />

erwartet.<br />

74 Ergo, l’universo non può essere considerato un meccanismo: [. . . ]. Ma ogni communità di parti<br />

che in relazione al proprio movimento segua una norma non meccanica, deve essere considerata<br />

”<br />

un organismo. Gli atomi di Caspari, in un richiamo al Leibniz della Monadologia, vengono così a<br />

configurarsi come una sorta di monadi biologiche, dotate di stati interni. Ogni atomo obbedisce<br />

all’imperativo etico di contribuire alle conservazione dell’organismo generale e nel suo movimento<br />

segue, accanto alla pura interazione fisica, anche una norma datagli a priori, attraverso la quale<br />

viene evitato l’equilibrio termico, immancabile risultato die ogni interazione puramente meccanica.“[6,<br />

S. 171f.]<br />

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