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Determinismus bei Nietzsche Moralische Implikationen und ...

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” Sind es neue Fre<strong>und</strong>e der Wahrheit‘, diese kommenden Philosophen?<br />

’<br />

Wahrscheinlich genug: denn alle Philosophen liebten bisher ihre Wahrheiten.<br />

Sicherlich aber werden es keine Dogmatiker sein. Es muss ihnen<br />

wider den Stolz gehn, auch wieder den Geschmack, wenn ihre Wahrheit<br />

gar noch eine Wahrheit für Jedermann sein soll: was bisher der<br />

geheime Wunsch <strong>und</strong> Hintersinn aller dogmatischen Bestrebungen war.<br />

Mein Urtheil ist mein Urtheil: dazu hat nicht leicht auch ein Anderer<br />

’<br />

das Recht‘“ 26<br />

Jeder relativistische Standpunkt birgt logische Probleme, so auch hier. Wenn Perspektive<br />

Prinzip des Erkennens ist, dann ist das Erkennen zumindest in einem<br />

Aspekt der Perspektive entzogen, nämlich genau in diesem. 27 Wir werden sehen,<br />

dass ”<br />

Perspektive“ für <strong>Nietzsche</strong> nicht Beliebigkeit im Sinne des homo-mensura-<br />

Satzes bedeutet. Allerdings schließt sie die Logik mit ein, so dass ein logisches<br />

Gegenargument schon von Vornherein entkräftet wäre.<br />

3.2 Gegenepistemologie<br />

<strong>Nietzsche</strong>s Gegenentwurf zu klassischen Epistemologien ist die subjektive Experimentalphilosophie.<br />

Für ihn ist jede Beobachtung <strong>und</strong> Erkenntnis perspektivisch geprägt:<br />

Du solltest das Perspektivische in jeder Werthschätzung begreifen lernen<br />

– die Verschiebung, Verzerrung <strong>und</strong> scheinbare Teleologie der Hori-<br />

”<br />

zonte <strong>und</strong> was Alles zum Perspektivischen gehört; [. . . ] Du solltest die<br />

nothwendige Ungerechtigkeit in jedem Für <strong>und</strong> Wider begreifen lernen,<br />

die Ungerechtigkeit als unablösbar vom Leben, das Leben selbst als bedingt<br />

durch das Perspektivische <strong>und</strong> seine Ungerechtigkeit.“ 28<br />

Wenn dem Menschen auch die Erkenntnis einer objektiven Realität verwehrt ist,<br />

weil die Perspektive Aspekt des Lebens ist, so gibt es doch einen Weg der Welterkenntnis<br />

über die Selbsterkenntnis, denn der Mensch als Teil der Welt spiegelt deren<br />

Gr<strong>und</strong>gefüge wieder. <strong>Nietzsche</strong> ermutigt:<br />

Vorwärts. – Und damit vorwärts auf der Bahn der Weisheit, guten<br />

”<br />

Schrittes, guten Vertrauens! Wie du auch bist, so diene dir selber als<br />

Quell der Erfahrung! Wirf das Missvergnügen über dein Wesen ab, verzeihe<br />

dir dein eignes Ich, denn in jedem Falle hast du an dir eine Leiter<br />

mit h<strong>und</strong>ert Sprossen, auf welchen du zur Erkenntnis steigen kannst.<br />

[. . . ] Und indem du mit aller Kraft vorauserspähen willst, wie der Knoten<br />

der Zukunft noch geknüpft wird, bekommt dein eigenes Leben den<br />

Werth eines Werkzeuges <strong>und</strong> Mittels zur Erkenntniss. Du hast es in der<br />

Hand zu erreichen, dass all dein Erlebtes [. . . ] in Deinem Ziele ohne Rest<br />

aufgeht.“ 29<br />

Eine solche Art der Erkenntnis stellt eine Erinnerung des Subjekts an seinen eigenen<br />

Ursprung im kosmischen Werden dar. 30 Kirchhoff bezeichnet dies als die neue<br />

26 [25, JGB, Der freie Geist 43, S. 60]<br />

27 Siehe hierzu auch [29, S. 300] Umstritten ist jedoch da<strong>bei</strong> die Frage, ob N., wenn er die Perspektivität<br />

als Erkenntnisbedingung benennt, nicht selbst wieder einen Metastandpunkt einnimmt,<br />

”<br />

von dem aus er erst die Beschränktheit der Perspektiven beschreiben kann, die: Perspektive des<br />

’<br />

Perpektivismus ‘.“<br />

28 [23, MA Vorrede 6, S. 20]<br />

29 [23, MA I 292, S. 236]<br />

30 Vgl. zu diesem Zugang [13, S. 16]. Kirchhoff bemerkt hier<strong>bei</strong>: Mit der zweiten These [der<br />

”<br />

Möglichkeit von Erkenntnis durch Selbsterkenntnis] wird er [<strong>Nietzsche</strong>] selbst zum Metaphysiker,<br />

ohne dies offen einzugestehen <strong>und</strong> ohne sich dessen voll bewußt zu sein.“ Lustigerweise bemerkt<br />

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