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Determinismus bei Nietzsche Moralische Implikationen und ...

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gar kein Problem darstellt.<br />

Was aber bedeutete eine solche Position der Wissenschaft für unsere Frage nach<br />

dem <strong>Determinismus</strong>? Eine Naturwissenschaft, die keinen Objektivitätsanspruch an<br />

die von ihr betrachteten Gegenstände stellte, wäre keine Wissenschaft mehr über die<br />

Welt, sondern über Konzepte, die vielleicht einer Ökonomie des Denkens entsprungen<br />

sind. Wenn sie darüberhinaus auch noch den Anspruch der strengen Notwendigkeit<br />

ihrer Naturgesetze leugnete, wäre die aus ihr abzuleitende Gesetzmäßigkeit<br />

nur mehr ein empirischer <strong>Determinismus</strong>, der <strong>bei</strong> Hume sogar zur Vorbedingung<br />

der menschlichen Freiheit wird. Auf alle Fälle erfüllte sie keine der Bedingungen für<br />

<strong>Determinismus</strong> mehr, die wir in 4.1 festgelegt haben, weil weder die ”<br />

Dinge“ Teil<br />

der Welt sind, noch ein ”<br />

Naturgesetz“ deren Entwicklung lenkt. Mit einer Wissenschaftsauffassung,<br />

wie <strong>Nietzsche</strong> sie akzeptierte, kann <strong>Determinismus</strong> nicht gerechtfertigt<br />

werden. 81<br />

5 Naturwissenschaft <strong>und</strong> Moral<br />

Mag das Verhältnis <strong>Nietzsche</strong>s zur Naturwissenschaft ambivalent sein, wie wir gesehen<br />

haben, zur Moral scheint der Philosoph, der als vermeintlich großer Kritiker<br />

des Christentums <strong>und</strong> seiner ”<br />

Sklavenmoral“ berühmt geworden ist, eindeutige Positionen<br />

zu beziehen. Den Menschen durch oktroyierte Moralvorstellungen zu unterdrücken,<br />

wurde von ihm abgelehnt.<br />

Zur Begründung des moralischen Anspruchs an die Handlungen eines Menschen<br />

bedarf es zumindest zweier Gr<strong>und</strong>annahmen. Zum einen müssen die Werte, auf die<br />

sich die Handlungsnormen stützen, letztbegründet werden, das heißt, derjenige, der<br />

eine Norm verficht, sei es ein Philosoph, ein Kirchenfürst oder die graue Masse der<br />

Gesellschaft, muss sie von einem Wert ableiten, von dem selbst hinwiederum gesagt<br />

werden muss, warum er allgemeingültig, ewig <strong>und</strong> der menschlichen Disposition<br />

entzogen ist. Eine solche transcendentale Verortung wurde immer wieder aus dem<br />

christlichen Glauben heraus versucht, was <strong>Nietzsche</strong> zusammen mit den ”<br />

ewigen<br />

Glaubenswahrheiten“ ablehnte. Zum anderen kann eine Handlung nur dann moralisch<br />

bewertet werden, wenn ihr Urheber gestalterischen Einfluss auf sie hatte, wenn<br />

er sie in dieser oder anderer Weise hätte ausführen können, wenn er sich überhaupt<br />

für oder gegen sie entscheiden konnte, wenn also der Mensch mit einem freien Willen<br />

über seine Handlungen ausgestattet ist. Am Anfang aller Moralphilosophie steht<br />

das Aristoteleswort:<br />

Da nun die Tugend sich auf Leidenschaften <strong>und</strong> Handlungen bezieht<br />

”<br />

<strong>und</strong> da Lob <strong>und</strong> Tadel das Freiwillige treffen, das Unfreiwillige aber<br />

Verzeihung erlangt, gelegentlich sogar Mitleid, so muß derjenige, der<br />

nach der Tugend forscht, wohl auch das Freiwillige <strong>und</strong> Unfreiwillige<br />

bestimmen.“ 82<br />

Moralisch oder unmoralisch handelt also nur, wer für seine Tat Lob oder Tadel<br />

erwarten kann. Wer aber keine Wahl, kann schlechterdings getadelt werden <strong>und</strong><br />

trägt auch keine Verantwortung. 83 .<br />

Moralphilosophie <strong>und</strong> Naturwissenschaft treffen sich dort, wo naturwissenschaftlicher<br />

<strong>Determinismus</strong> so weit geht, dass er auch den Menschen als physisches Wesen<br />

mitsamt seinem Denken <strong>und</strong> Handeln erfasst. Des Menschen Handeln ist dann wie<br />

81 Vgl. [29, Wissenschaft, S. 355f.]<br />

82 [2, 1109 b 30 – 34, S. 149]<br />

83 Vgl. [8]<br />

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