MolekularBiologie «Wir werden mit Krebs leben können» Krebszellen können sich unsterblich machen. Das Wissen darüber, wie das geschieht, könnte zu wirkungsvollen Krebsmedikamenten führen. Mit dem Molekular biologen Michael Hengartner sprach Roger Nickl. Herr Hengartner, Krebs ist in der westlichen Welt nach wie vor eine der häufigsten Todesursachen. Sie erforschen biologische Mechanismen der Krebsentstehung. Wird es der Wissenschaft in Zukunft gelingen, Krebs von der Liste der lebensbedrohenden Krankheiten zu streichen? Michael Hengartner: Langfristig bin ich sehr optimistisch. Das Hauptproblem besteht darin, dass es sich bei Krebs nicht um eine, sondern um eine Vielzahl von Krankheiten handelt. Deshalb muss bei jedem Patienten jeweils individuell eruiert werden, welche Erkrankung genau vorliegt. Heutzutage verstehen wir schon viel besser, wie Krebs entsteht. Wir wissen mehr darüber, welche Tricks Krebszellen auf molekularer Ebene anwenden, um sich weiter zu vermehren, obwohl dies eigentlich nicht im Sinne des Gesamtorganismus ist. So entstehen immer mehr Angriffsflächen, um das Problem anzupacken und effizient bekämpfen zu können. Langfristig gesehen, werden wir Krebserkrankungen wohl kaum ganz ausradieren können. Es wird uns aber sicher gelingen, die Krankheit besser in Schach zu halten, damit man mit Krebs leben kann. Das heisst, Krebs wird als lebensbedrohende Krankheit langsam verschwinden. Sie haben es bereits angetönt: Bei Krebs handelt es sich nicht um eine, sondern um eine Vielzahl von Krankheiten. Was bedeutet dieser Umstand für die biologische Forschung? Hengartner: Diese Tatsache stimuliert und frustriert zugleich. Stimulierend ist, dass es so viele biologische Mechanismen und Möglichkeiten gibt, wie Krebs entstehen kann. Wenn man sich dafür interessiert, wie der Körper funktioniert und was bei solchen Prozessen schief gehen kann, kann man hier sehr viel über grundlegende körperliche Vorgänge lernen. Das Frustrierende dabei: Man kann ein Leben lang Mechanismen der Krebsentstehung studieren und hat am Ende vielleicht lediglich zwei Prozent aller möglichen Krebserkrankungen erklärt. Auf welche Krebsarten konzentriert sich Ihre Forschung? Hengartner: Unsere Grundlagenforschung konzentriert sich auf keine spezifischen Krebsarten. Damit eine Zelle zu einer Krebszelle wird, muss sie verschiedene Eigenschaften erwerben, um sich langfristig erfolgreich vermehren zu können. Eine dieser Eigenschaften ist die Unsterblichkeit. Um diese zu erreichen, müssen Krebszellen sich nicht nur ewig teilen können, sondern sie müssen auch dem Tod ausweichen. Letzteres erreichen Krebszellen, indem sie den Selbstmordmechanismus, den alle Zellen besitzen, irgendwie ausschalten. Wir interessieren uns für diesen Mechanismus. Wir wollen herausfinden, wie Zellen erfahren, dass sie sterben sollen, weil sie sonst den ganzen Körper in Gefahr bringen. Und wir wollen besser verstehen, wie eine Zelle überhaupt stirbt und was mit einer toten Zelle im Körper passiert. Könnte es künftig Medikamente geben, die auf einen solchen grundlegenden Mechanismus einwirken und so ein breites Spektrum von Krebsformen bekämpfen könnten? Hengartner: Man kann darauf hoffen. Das Problem ist hier wiederum, dass es auch bei Zellen mehrere Wege gibt, sich das Leben zu nehmen. Und verschiedene Zellen haben auch verschiedene Wege gefunden, um den Selbstmord zu hemmen. Wenn man eine Methode finden würde, mit der man die Krebsent stehung generell bekämpfen könnte, wäre das genial. Unsere Erfahrungen haben aber gezeigt, dass man auch auf diesem Weg wohl nur ganz spezifische Krebsformen behandeln kann. Was sind heute die grossen ungelösten Fragen der Krebsentstehung? Hengartner: Totale Black Boxes, schwarze Löcher im Wissen um die Krebsentstehung, gibt es heute nur noch wenige. Auf molekularer Eben begreift man die meisten Prozesse. Weitgehend ungelöst ist die Frage, wie sich Metastasen bilden. Wie gelingt es einer Zelle, an einem anderen Ort einen zweiten Tumor zu entwickeln? Was braucht es dazu? Welche Prozesse laufen zwischen dem Primär- und «Es wird uns gelingen, die Krankheit besser in Schach zu halten – Krebs wird als lebensbedrohende Krankheit langsam verschwinden.» dem Sekundärtumor, der Metastase, ab? Gibt es bei Krebs auch Stammzellen, wie es bei normalem Gewebe der Fall ist? Und wie kommt es, dass die Krebszellen vom Immunsystem nicht erkannt werden? An solchen Fragen wird heute intensiv gearbeitet. Was sind Ihrer Meinung nach die erfolgversprechendsten Strategien, wenn es um das Verständnis und die Bekämpfung von Krebs geht? Hengartner: Man versucht die Krebszelle spezifisch anzugreifen. Bei der Chemotherapie behandelt man den Körper mit Gift und hofft, das es für die Krebszelle giftiger ist als für die gesunden Zellen. Es gibt keinen Krebs, der auf diese Weise nicht getötet werden könnte. Leider tötet man damit aber manchmal auch 16 UNIMAGAZIN 1/<strong>08</strong> Website www.molbio.uzh.ch Bild Tom Haller
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