Claudia Reusch, Veterinärmedizinerin 22
Veterinärmedizin «Für das Tier bin ich immer die Heldin» Haustiere sind für immer mehr Menschen Partnerersatz. Woher kommt diese exzessive Liebe? Und: Welchen Sinn macht Spitzenmedizin für Vierbeiner? Mit der Veterinärmedizinerin Claudia Reusch sprach Paula Lanfranconi. Frau Reusch, besitzen Sie selber auch Tiere? Claudia Reusch: Im Moment habe ich nur eine Reitbeteiligung bei einem Pferd, für mehr reicht meine Zeit nicht. Aber ich möchte wieder einen eigenen Hund haben. Und später wahrscheinlich auch ein Pferd. Wenn Ihr Tier krank würde: Löst das bei Ihnen als Veterinärin auch Ängste aus? Reusch: Ja, ganz klar. Ich bin keineswegs cooler als die Besitzer unserer Patienten, vielleicht sogar schlimmer (lacht). Sie sind spezialisiert auf Hormon erkrankungen bei Hunden und Katzen. Einer Ihrer Forschungsschwerpunkte ist Diabetes bei Katzen. Wie merke ich als Halterin, dass Mizzi Zucker hat? Reusch: Wenn die Katze viel zu trinken beginnt und dann auch viel Urin absetzt, ist das ein typisches Symptom. Meistens hat sie auch einen viel grösseren Appetit, verliert aber trotzdem an Gewicht. Benötigen auch zuckerkranke Katzen ihre tägliche Insulinspritze? Reusch: Ja, die Behandlung besteht in 99 Prozent der Fälle aus Insulingaben. Zur Zeit kann man Insulin nur mittels Spritze verabreichen. Wichtig ist auch eine spezielle Diät. Es gibt auf dem Markt inzwischen diätetische Katzennahrung, die sehr wirksam ist. Welche Besitzer nehmen denn so viel Auf wand auf sich – wäre es manchmal nicht vernünftiger, das Tier einzuschläfern? Reusch: Fast alle Tierhalter, die zu uns kommen, sind bereit, diese Spritzen zu geben und auch den eigenen Lebensrhythmus dem Tier anzupassen. Einem kranken Tier Sorge zu tragen, ist für viele Menschen auch etwas Schönes und Sinngebendes. Zuckerkranke Katzen konnte man sich vor 50 Jahren kaum vorstellen: Was ist passiert? Reusch: Dass es heute so viele diabetische Katzen gibt, hängt mit den Lebensgewohnheiten zusammen. Früher ernährten sich Katzen von Vögeln und Mäusen, einem Futter mit sehr wenig Kohlehydraten. Heute werden sie mit leicht verdaulichem kommerziellem Futter ernährt. Der Körper muss fast keine Verdauungsarbeit mehr leisten. Und der Kohlehydratanteil ist viel höher, die Tiere setzen mehr «Tiere lieben ‹ihren› Menschen, egal, ob er nun arm ist und Falten hat oder ob er schön und reich ist.» Fett an. Vor 30 Jahren noch wog eine normale Katze rund 3,5 Kilo, heute sind es 5 bis 5,5 Kilo. Übergewicht ist auch bei Katzen einer der Risikofaktoren für Diabetes. 60 Prozent unserer diabetischen Katzen sind übergewichtig. Unsere Tierliebe ist ein Riesengeschäft. Allein für die rund 1,5 Millionen Katzen werden in der Schweiz jährlich 300 Millionen Franken aufgewendet. Es gibt Fressnäpfe von Gucci und Tierkrematorien mit Hotlines für die trauernden Hinter bliebenen. Woher kommt diese abgöttische Liebe zu unseren Haustieren? Reusch: Wir haben vor ein paar Jahren eine Analyse gemacht: Etwa 60 Prozent der Besitzer, die ans Tierspital kommen, betrachten ihr Haustier als Familienmitglied oder als Partner. Tiere lieben «ihren» Menschen, egal, ob er nun arm ist und Falten hat im Gesicht oder ob er schön und reich ist. Für das Tier bin ich immer die Heldin. Und: Tiere sind nicht falsch. Bei einem Menschen weiss man ja nie, ob er berechnend ist. Ein Tier hat diese Doppelbödigkeit nicht. Sind Tierbesitzer glücklichere Menschen? Reusch: Zumindest haben Haustiere einen gesundheitsfördernden Effekt auf ihre Besitzer. Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass Spitalaufenthalte bei Tierhaltern viel kürzer sind als bei Menschen ohne Tier. Und: Wer einen Hund hat, geht viel öfter spazieren. Ich habe in einem Vortrag einmal etwas provokativ gesagt, man könnte die Gesundheitskosten um die Hälfte reduzieren, wenn sich jeder einen Hund halten würde ... Haustiere haben offenbar auch einen positiven Effekt auf Herz- Kreislauferkrankungen? Reusch: Studien zeigen, dass Menschen, die mit Tieren leben, eine niedrigere Herzfrequenz haben, einen niedrigeren Blutdruck, niedrigere Blutfettwerte. Macht es Ihnen keine Mühe, zu sehen, wie mancher Besitzer sein Tier buchstäblich zu Tode füttert? Reusch: Wir versuchen natürlich, darauf einzugehen und zu sagen: Ihr Tier ist übergewichtig, es hat, zum Beispiel, Diabetes. Sie wirken auch ein bisschen erzieherisch? Reusch: Genau, wir versuchen, nicht nur mit Medikamenten auf die Krankheit einzuwirken, sondern auch über eine Gewichtsreduktion. Eine übergewichtige diabetische Katze sollte zum Beispiel pro Woche etwa ein Prozent Gewicht verlieren. Sie wird gewogen, und wir verordnen eine eiweissreiche und kohlehydratarme Diät. Das führt auch dazu, dass die Katze UNIMAGAZIN 1/<strong>08</strong> Website www.kltmed.uzh.ch Bild Tom Haller 23
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