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unimagazin 1/08 - Unitectra

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Interview<br />

«Der Elfenbeinturm<br />

ist ein Mythos»<br />

Das gilt insbesondere für die Studierenden,<br />

die auf das höhere Lehramt hinarbeiten, aber<br />

auch für die Ärzte und Anwälte. Damit erfüllt<br />

die Universität eine ganz wichtige öffentliche<br />

Aufgabe.<br />

Die Universität Zürich feiert ihr 175-jähriges Bestehen. Rektor Hans Weder und<br />

sein Nachfolger Andreas Fischer über Chancen und Ziele der Hochschule – und<br />

über die heutige Rolle des Rektors. Interview Thomas Gull und Roger Nickl<br />

Die Universität Zürich feiert in diesem<br />

Jahr ihr 175-jähriges Bestehen. Das<br />

Jubiläum steht unter dem Motto «Wissen<br />

teilen». Herr Weder, Herr Fischer, wie<br />

kann eine Universität Wissen teilen?<br />

Hans Weder: Wissen teilen ist ein reziproker<br />

Vorgang. Die Studierenden beispielsweise<br />

kaufen nicht einfach Wissen an der Universität,<br />

sondern sie bringen auch ihr Wissen,<br />

ihre Fragen, ihre Erfahrungen in den Prozess<br />

der Erkenntnisfindung ein. Sie nehmen<br />

also nicht nur, sondern geben auch. Diesen<br />

reziproken Aspekt wollen wir im Blick auf<br />

die Stadt und den Kanton Zürich zeigen: Wir<br />

denken über Wissen nach, das von ausserhalb<br />

kommt, und umgekehrt stellen wir unser Wissen<br />

zur Debatte. Es ist nicht nur Sache einer<br />

Universität, Wissen zu produzieren. Wichtig<br />

ist, dass sie Wissen reflektiert und auslotet.<br />

Wie kommt Wissen zustande? Was birgt es<br />

für Versprechen, für Abgründe in sich? Ich<br />

glaube zwar nicht, dass Wissen das einzige Gut<br />

ist, das sich vermehrt, wenn man es teilt, wie<br />

dies die österreichische Schriftstellerin Marie<br />

von Ebner-Eschenbach einst formuliert hat.<br />

Aber Wissen gehört sicherlich zu den wenigen<br />

Gütern, bei denen dies der Fall ist.<br />

Andreas Fischer: Für mich hat das Motto<br />

zwei Aspekte. Zum einen tauschen die Forschenden<br />

an der Universität ihr Wissen untereinander<br />

aus und teilen es mit den Studierenden.<br />

Für das Jubiläum kommt eine weitere<br />

Bedeutung hinzu: Im Rahmen der Feierlichkeiten<br />

zeigt die Universität der Öffentlichkeit,<br />

wie sie mit Wissen umgeht und wie Sachverhalte<br />

entdeckt, Befunde hinterfragt und<br />

Kenntnisse erweitert werden. Die Universität<br />

teilt während des Jubiläums ihre Arbeits- und<br />

Denkweise mit der Öffentlichkeit.<br />

Sehen Sie das Jubiläum auch als eine<br />

Chance für die Uni versität, aus dem<br />

Elfenbeinturm herauszutreten?<br />

Weder: Die Vorstellung von der Universität<br />

als Elfenbeinturm ist ein Mythos. Solche<br />

Vorurteile halten sich aber hartnäckig. Man<br />

sieht das bei der Medizin: Die Öffentlichkeit ist<br />

immer noch daran, die Götter in Weiss zu stürzen,<br />

die gar nicht mehr existieren. Wir müssen<br />

aber auch dazu stehen, dass die Universität<br />

ein Stück weit ein Elfenbeinturm ist und sein<br />

muss. Sie sollte immer wieder auf Distanz<br />

zum alltäglichen Handgemenge gehen. Die<br />

Wissenschaft muss einen Schritt zurücktreten<br />

und die Dinge mit einem gewissen Abstand<br />

betrachten, um dann wieder zu Fragen der<br />

Lebenspraxis zurückzukehren. Anlässlich des<br />

Jubiläums wollen wir mit Veranstaltungen auf<br />

der Sechseläutenwiese oder im Hauptbahnhof<br />

auf die Gesellschaft zugehen.<br />

Welche gesellschaftliche Rolle<br />

spielt die Universität heute?<br />

Weder: Die Universität Zürich versorgt<br />

die Region, aber auch das Ausland mit hoch<br />

qualifizierten Arbeitskräften. Zudem leistet<br />

die Universität Zürich wichtige Beiträge zur<br />

Lösung von gesellschaftlichen Problemen.<br />

Fischer: Die Universität Zürich bildet in<br />

einem doppelten Sinn die Spitze des kantonalen<br />

Bildungssystems: Einerseits ist sie<br />

altersmässig die höchste Stufe, andererseits<br />

ist sie eine Schule für die – positiv verstandene<br />

– Elite. Hier werden die wirklich hellen<br />

Köpfe aus- und weitergebildet. Die Universität<br />

ist einem doppelten Auftrag verpflichtet: Sie<br />

macht zum einen Grundlagenforschung, zum<br />

anderen ist sie auch eine Berufsschule beziehungsweise<br />

eine berufsvorbereitende Schule.<br />

Wenn Sie zurückblicken: Wie hat sich<br />

die Rolle der Universität in Gesellschaft<br />

und Wissenschaft verändert?<br />

Fischer: Die Autonomie, die das Universitätsgesetz<br />

von 1998 mit sich brachte, hatte weit ­<br />

reichende Folgen. Die Universität, die vorher<br />

Teil des kantonalen Schulwesens war, hat an<br />

Freiheit gewonnen. Sie hat sich im Gegenzug<br />

etwas vom Kanton entfernt. Der Kantonsrat<br />

spricht jedes Jahr beträchtliche Gelder und<br />

hat vielleicht das Gefühl, er wisse nicht mehr<br />

so genau, was mit diesem Geld geschieht. Deshalb<br />

ist die Universität mehr als früher verantwortlich<br />

dafür, zu sagen, was sie tut und was<br />

nicht. Zudem hat sich das Wissen im Gegensatz<br />

zu früher weiter ausdifferenziert. Selbst eine<br />

breit diversifizierte Universität wie die Universität<br />

Zürich kann nicht mehr alle Bereiche<br />

abdecken. Sie muss sich deshalb umso genauer<br />

überlegen, was sie tut und warum. Und sie<br />

muss diese Entscheide den Stakeholders – den<br />

Bürgern und dem Kanton –, aber auch der<br />

Scien tific Community plausibel machen.<br />

Weder: Was die Qualität der Arbeit an der<br />

Universität betrifft, so hat Mitte der Achtzigerjahre<br />

eine entscheidende Wende stattgefunden.<br />

Seither genügt es nicht mehr, eine Sache<br />

einfach gut zu machen. Man muss zusätzlich<br />

immer auch noch sagen und beweisen,<br />

dass man sie gut macht. Deshalb haben wir<br />

ein Evaluations system eingeführt, das uns<br />

objektive Informationen verschafft, mit denen<br />

wir die Verlässlichkeit und Qualität der Universität<br />

belegen können. Der Trend, alles zu<br />

evaluieren, birgt aber auch Gefahren: Solche<br />

Beweisführungen können so intensiv<br />

betrieben werden, dass sie mehr kosten als<br />

nützen. Nüchtern betrachtet, ergeben Evaluationen<br />

sicher eine Verbesserung der Qualität,<br />

aber viel wirksamer ist die Rekrutierung<br />

von guten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern.<br />

Man sollte letztlich nicht mehr<br />

Geld in den Beweis der Qualität stecken als<br />

in die Qualität selbst.<br />

94 UNIMAGAZIN 1/<strong>08</strong><br />

Bilder Ursula Meisser

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