Häusliche Gewalt - Eidgenössisches Büro für die Gleichstellung von ...
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MARIANNE SCHWANDER<br />
Widerspruch steht. 70 Da aber der Bundesgesetzgeber über Artikel 28 ff. ZGB eine abschliessende<br />
Ordnung geschaffen hat, können <strong>die</strong> Kantone im Rahmen des Persönlichkeitsschutzes<br />
nur <strong>die</strong> Massnahmen gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> erlassen, <strong>die</strong> in Artikel 28b Absatz 4 ZGB<br />
verankert sind. Diesen Gesetzgebungsauftrag müssen sie aber wahrnehmen.<br />
Fazit: Die Kantone haben <strong>die</strong> zivilrechtlichen Instrumente, <strong>die</strong> in Artikel 28 ff. ZGB verankert<br />
sind, zu erlassen, indem sie ihre kantonale Gesetzgebung gemäss Artikel 28b Absatz 4 ZGB<br />
im Rahmen der entsprechenden Vorgaben des Berichts der Kommission <strong>für</strong> Rechtsfragen des<br />
Nationalrates ändern. Die Kantone haben den Gesetzgebungsauftrag wahrzunehmen.<br />
Laut Bericht der Kommission <strong>für</strong> Rechtsfragen des Nationalrates ergänzen sich <strong>die</strong> kantonal<br />
polizeilichen Massnahmen gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>, <strong>die</strong> den unmittelbaren Schutz des Opfers<br />
gewährleisten, und <strong>die</strong> zivilrechtlichen Instrumente, <strong>die</strong> dem Opfer kurz- und mittelfristigen<br />
Schutz bieten, ideal und deshalb sei es notwendig, dass in der ganzen Schweiz entsprechende<br />
Gesetzesänderungen vorgenommen werden. 71 Es stellt sich nunmehr <strong>die</strong> Frage, wie <strong>die</strong>s zu<br />
verstehen ist.<br />
Kantonale Polizeigesetze<br />
Die Wahrung der inneren Sicherheit obliegt nach Artikel 57 BV Bund und Kantonen gemeinsam,<br />
<strong>die</strong> Kantone sorgen aber primär und selbst <strong>für</strong> <strong>die</strong> öffentliche Sicherheit und Ordnung<br />
auf ihrem Hoheitsgebiet und sind deshalb auch zur abschliessenden Regelung der Organisation<br />
und der Verfahren der polizeilichen Sicherheitskräfte zuständig. 72 Nach den Regeln des<br />
Subsidiaritätsprinzips 73 fallen damit insbesondere <strong>die</strong> polizeilichen Massnahmen zum Schutz<br />
einzelner (Privat-)Personen in <strong>die</strong> Zuständigkeit der Kantone (Art. 3 BV) – dazu gehört auch<br />
der Schutz vor <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>. Denn <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> ist keine Privatsache mehr 74 und<br />
ist als eine <strong>von</strong> mehreren Aufgaben der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu verstehen.<br />
Die Kantone sind daher ermächtigt, polizeiliche Massnahmen, <strong>die</strong> der inneren Sicherheit, der<br />
Gefahrenabwehr sowie der Polizeiarbeit <strong>die</strong>nen, in ihren Polizeigesetzen zu verankern. Die<br />
Ermächtigung ist verpflichtend, <strong>die</strong> verankerten polizeilichen Massnahmen dürfen jedoch im<br />
Sinne <strong>von</strong> Artikel 6 Absatz 1 ZGB nicht dem „Sinn und Geist des Bundeszivilrechts“ 75 widersprechen.<br />
Beispielsweise können Kantone u.a. Form, Umfang, Aufgaben sowie Meldepflichten<br />
<strong>von</strong> Beratungsstellen gesetzlich regeln, oder <strong>die</strong> getrennte Befragung <strong>von</strong> gewalt-<br />
70 Zu den Ausführungen zu Artikel 6 Absatz 1 ZGB siehe TUOR PETER/SCHNYDER BERNHARD/SCHMID JÖRG/RUMO-JUNGO<br />
ALEXANDRA, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, Zürich/Basel/Genf 2002, Seite 28; HAUSHEER HEINZ/JAUN MANUEL,<br />
Die Einleitungsartikel des ZGB. Art. 1-10. Stämpflis Handkommentar, Bern 2003, Seite 215 ff.; MARTI ARNOLD,<br />
Kommentar zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch zu Art. 6, Rz. 1 ff.<br />
71 Siehe Parlamentarische Initiative Schutz vor <strong>Gewalt</strong> im Familienkreis und in der Partnerschaft. Bericht der Kommission<br />
<strong>für</strong> Rechtsfragen des Nationalrates vom 18. August 2005, BBl 2005 6880.<br />
72 Siehe dazu auch SCHWEIZER RAINER J./KÜPFER GABRIELA, St. Galler Kommentar zu Art. 57 BV, Rz. 2 und 6; GAMMA<br />
MARCO, Möglichkeiten und Grenzen der Privatisierung polizeilicher Gefahrenabwehr, Bern 2001, Seite 17.<br />
73 Zum föderalistischen Subsidiaritätsprinzip siehe LIENHARD ANDREAS/KETTIGER DANIEL, Gesetzgeberischer Handlungsbedarf<br />
der Kantone im Umweltrecht als Folge der Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung<br />
zwischen Bund und Kantonen NFA, Bern 2006, Seite 14 f.<br />
74 Siehe vorne Ziffer 2.2.<br />
75 TUOR PETER/SCHNYDER BERNHARD/SCHMID JÖRG/RUMO-JUNGO ALEXANDRA, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch,<br />
Zürich/Basel/Genf 2002, Seite 28.<br />
HÄUSLICHE GEWALT 27