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fortbildung<br />

Langeooger Fortbildungswochen<br />

rapie postuliert, gehe die Schematherapie<br />

ebenfalls davon aus, dass erst<br />

nach einer Problemaktualisierung in<br />

der Therapie Emotion und Reflexion zusammenfinden<br />

könnten.<br />

Professor Dr. phil. Dr. rer. pol. habil.<br />

Rolf Haubl aus Frankfurt beschäftigte<br />

sich mit der Frage „Leben wir in einer<br />

Neidgesellschaft?“ Mithilfe eines Modells<br />

zur Neiddynamik stellte er dar,<br />

dass Neid eine tabuisierte Emotion sei,<br />

die jedoch nicht ausschließlich destruktive,<br />

sondern auch überraschend<br />

positive Seiten haben könne. Bei dem<br />

Neidgefühl handele es sich um eine gemischte<br />

Emotion, die sich aus Ärger<br />

und Traurigkeit zusammensetze – bei<br />

Männern in der Regel mehr aus Ärger,<br />

bei Frauen stärker aus Traurigkeit.<br />

Neid könne auch maskiert auftreten, etwa<br />

bei „schüchternen Narzissten“, und<br />

sich in Form von überschwänglichem<br />

Lob, kleinteiligem Kritisieren oder auch<br />

der Abwehr jeglicher eigener Bedürfnisse<br />

äußern. Professor Haubl arbeitete<br />

drei psychodynamische Varianten<br />

der Erscheinungsform von Neid heraus:<br />

a) eine depressiv-lähmende, b) eine<br />

feindselig-schädigende und c) eine<br />

ehrgeizig-stimulierende Form. Diese<br />

Unterscheidung habe auch soziodynamische<br />

Implikationen, so zeichne sich<br />

eine moderne Gesellschaft, die von permanenter<br />

Innovationen geprägt sei,<br />

durch eine „ständige Anstachelung der<br />

ehrgeizig-stimulierenden Form des Neides“<br />

aus; mit dem Leistungsprinzip solle<br />

soziale Ungleichheit legitimiert werden.<br />

Politischer Brennstoff entstehe<br />

nach Professor Haubl immer dann,<br />

wenn soziale Ungleichheit nicht überzeugend<br />

legitimiert werden könne.<br />

Professor Dr. rer. nat. Babette Renneberg<br />

aus Berlin berichtete in ihrem Referat<br />

„Wahrnehmung sozialer Zurückweisung<br />

und psychische Störungen“<br />

über eigene sozialwissenschaftliche<br />

Forschungsbefunde, die hohe interindividuelle<br />

Unterschiede in der Zurückweisungsempfindlichkeit<br />

belegen<br />

konnten. Ostrazismus – also der absichtliche<br />

Ausschluss und/oder das<br />

Ignorieren einer anderen Person<br />

und/oder Gruppe – gelte seit der Antike<br />

als eine der schlimmsten aller erdenklichen<br />

Strafen. Im klinischen Bereich<br />

scheinen insbesondere Borderline-Patienten<br />

angesichts ihrer ängstlichen<br />

Erwartungshaltung harmlose Interaktionen<br />

negativ zu interpretieren<br />

und auf der Grundlage ihrer Wahrnehmungsverzerrung<br />

mit Rückzug oder<br />

Aggression zu reagieren. Implikationen<br />

für die therapeutische Praxis sieht<br />

Professor Renneberg unter anderem<br />

darin, durch Psychoedukation Borderline-Patienten<br />

mit ihrer Wahrnehmungsstörung<br />

vertraut zu machen.<br />

Über Videofeedback könne man ihnen<br />

ihren häufig gemischten und widersprüchlichen<br />

mimischen Emotionsausdruck<br />

spiegeln, der ein großes Problem<br />

für die interpersonelle Beziehungsgestaltung<br />

darstelle. Darüber hinaus empfahl<br />

sie das Skillstraining der Dialektisch-Behavioralen<br />

Therapie (DBT) oder<br />

die Modusarbeit der Schematherapie,<br />

um korrigierende Erfahrungen zu ermöglichen<br />

und negative Skripte zu<br />

überschreiben.<br />

Privatdozent Dr. med. Thorsten Kienast<br />

aus Berlin gab in seinem Vortrag „Gefühl<br />

und Motivation – DBT und emotionale<br />

Instabilität“ einen Überblick<br />

über zentrale Patienten- und Therapeutenfertigkeiten,<br />

mit denen in der<br />

DBT die Borderlinedynamik überwunden<br />

und die Eigenverantwortung der<br />

Patienten gestärkt werden soll. Dabei<br />

sei es von zentraler Bedeutung, die Motive<br />

der Patienten zu „übersetzen“ und<br />

so dysfunktionale Kreisläufe zu unterbrechen.<br />

Auf Therapeutenseite unterscheide<br />

man sechs Validierungsstrategien.<br />

Diese würden in der Gestaltung<br />

der Kommunikation differenziert eingesetzt,<br />

um einen Zugang zum Patienten<br />

zu erreichen und technisch kompetent<br />

zu gestalten. Das Fertigkeitentraining<br />

der Patienten bestehe aus fünf<br />

Modulen: Achtsamkeit, Umgang mit<br />

Beziehungen, Umgang mit Gefühlen,<br />

Stresstoleranz und Selbstwertregulation.<br />

In dem Abschlussvortrag, der traditionsgemäß<br />

den Fokus über die psychotherapeutische<br />

Perspektive hinaus erweiterte,<br />

zeigte Professor Dr. med. Stephan<br />

Doering aus Wien auf, dass die<br />

Liebe insbesondere im Film in all ihren<br />

Erscheinungsformen und Facetten immer<br />

wieder sehr eindrücklich dargestellt<br />

worden sei. Neben oberflächlichen<br />

und kitschigen Produktionen gebe<br />

es solche, die insbesondere die Themen<br />

„Scheitern von Beziehungen“ und<br />

„Eifersucht“ sehr differenziert oder gar<br />

paradigmatisch behandeln. Anhand<br />

von Videos und anschließenden psychoanalytischen<br />

Interpretationen zeigte<br />

Professor Doering auf, wie Ingmar<br />

Bergmann uns in seinem Film „Szenen<br />

einer Ehe“ die Dynamik einer narzisstischen<br />

Kollusion in ihren unterschiedlichsten<br />

Facetten vor Augen<br />

führt und ihr damit einen allgemeingültigen<br />

Eindruck verleihen konnte.<br />

Auch das Thema „destruktive Eifersucht“<br />

sei im Film häufig aufgegriffen<br />

worden, unter anderem in der Verfilmung<br />

des Romans von Philipp Roth<br />

„Das sterbende Tier“. Es gebe faszinierende<br />

(Literatur-)Verfilmungen zu den<br />

Themen „Liebe und Tod“ (zum Beispiel<br />

„Romeo und Julia“), „Liebe und Sex<br />

(„Die unerträgliche Leichtigkeit des<br />

Seins“) und zur sehnsuchtsvollen Liebe<br />

(„Was vom Tage übrig blieb“). Erstaunlicherweise<br />

finde man kaum Darstellungen<br />

von glücklichen Liebesbeziehungen<br />

jenseits von Langeweile<br />

oder Verklärung, vielleicht am ehesten<br />

noch in dem Film von Mike Lee „An -<br />

other Year“. Professor Doering entließ<br />

sein Publikum mit der Frage nach den<br />

Ursachen dieses Phänomens: „… oder<br />

gibt es die vielleicht gar nicht?“<br />

Autoren:<br />

Dr. phil. Elke Daudert<br />

Dipl. Psych. Peter Döring<br />

Für den Arbeitskreis der Langeooger<br />

Psychotherapiewoche<br />

<<br />

20 niedersächsisches ärzteblatt 8 | 2013

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