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Themen und Termine<br />
bezirksstellen<br />
Suppenküchen im Schlaraffenland<br />
Hannover. Die Armutsquoten sind im<br />
reichen Deutschland nach wie vor hoch.<br />
Aufwachsen und leben in Armut begünstigt<br />
Fehlernährung mit schwerwiegenden<br />
langfristigen gesundheitlichen<br />
Folgen. Das Thema Ernährungsarmut<br />
stand am 5. Juni im Mittelpunkt<br />
einer Fachtagung der <strong>Ärzte</strong>kammer<br />
Niedersachsen (ÄKN) in Kooperation<br />
mit der Deutschen Gesellschaft für Ernährung,<br />
Sektion Niedersachsen, und<br />
der Landesvereinigung für Gesundheit<br />
und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen.<br />
Dr. Thomas Lampert vom Robert Koch-<br />
Institut stellte die immer stärkere Auseinanderwicklung<br />
der Lebensverhältnisse<br />
und deren Folgen vor. Menschen<br />
mit Armutsrisiko litten im Vergleich<br />
zur ökonomisch am besten gestellten<br />
Bevölkerung vermehrt unter chronischen<br />
Krankheiten wie Herzinfarkt,<br />
Schlaganfall und Diabetes mellitus<br />
und hätten zudem eine geringere Lebenserwartung<br />
von etwa zehn Jahren.<br />
Geringqualifizierte, Langzeitarbeitslose<br />
und Alleinerziehende seien dabei<br />
besonders betroffen.<br />
Um eine mögliche Abhängigkeit und<br />
somit den Kreislauf der Armut zu verhindern,<br />
seien weitere Lösungsstrategien<br />
notwendig. Rainer Müller-Brandes<br />
vom Diakonischen Werk und Angelika<br />
Kleideiter, Caritasverband für<br />
die Diözese Hildesheim, betonten hingegen<br />
die Notwendigkeit der Tafeln.<br />
Eine Ausweitung des Angebots und<br />
die Idee, dass Supermärkte überschüssige<br />
Lebensmittel einsammeln<br />
und als Fertigprodukte am nächsten<br />
Tag verkaufen oder verschenken<br />
könnten, befürworteten sie.<br />
äkn<br />
Marion Renneberg überbrachte als Mitglied<br />
des Vorstands der ÄKN ein Grußwort,<br />
in dem sie unter anderem ausführ -<br />
te: „Als Hausärztin erlebe ich im täglichen<br />
Umgang mit vielen Patienten, dass<br />
sie Schwierigkeiten haben, ein gesundes<br />
preiswertes Essen zuzubereiten. So<br />
können auch ihre Kinder kein sicheres<br />
Gespür dafür entwickeln, wie wichtig<br />
eine gesunde Ernährung ist. Auch die<br />
Schulverpflegung wird den qualitativen<br />
Ansprüchen nicht immer gerecht.“<br />
Renommierte Experten stellten außer<br />
alarmierenden Zahlen auch gelungene<br />
Konzepte gegen Ernährungsarmut vor.<br />
Viele Menschen sehen in den Tafeln eine<br />
Reaktion auf einen erkennbaren Hilfebedarf.<br />
Tafeln sind aber auch ein<br />
prägnantes Indiz dafür, dass die soziale<br />
Spaltung zunimmt und Gesundheit<br />
wie Teilhabe beeinflusst. In den Vorträgen<br />
und Diskussionen wurden die<br />
Suppenküchen im Schlaraffenland kritisch<br />
hinterfragt und überlegt, ob nicht<br />
vielmehr eine gute, kostenfreie oder zumindest<br />
kostengünstige Verpflegung<br />
nach hohem Standard beispielsweise in<br />
Kindertagesstätten und Schulen erstrebenswerter<br />
sei. Teilgenommen haben<br />
70 <strong>Ärzte</strong>, Fachkräfte aus Gesundheitswesen,<br />
Bildung, Jugendhilfe, Soziales<br />
und der Politik.<br />
Professor Dr. med. Hans Konrad Biesalski,<br />
Universität Hohenheim, widmete<br />
sich ebenfalls den Auswirkungen<br />
von Ernährungsarmut auf die Gesundheit.<br />
Knapp ein Drittel der<br />
Menschheit könne sich aufgrund starker<br />
Armut hauptsächlich nur von Brot<br />
beziehungsweise Getreide ernähren,<br />
was zwar sättigend sei, jedoch nicht<br />
ausreichend essentielle Mikronährstoffe<br />
liefere. Die gravierenden Folgen<br />
dieser Mangelernährung würden oft<br />
erst sehr spät sichtbar und vor allem<br />
Schwangere und Kinder betreffen. Um<br />
den Hungerkreislauf aus Mangelernährung,<br />
Krankheit und schlechter<br />
Entwicklung zu durchbrechen, sei eine<br />
gesunde Ernährung gerade für Kinder<br />
aus armen Familien wichtig.<br />
Untersuchungsergebnisse zum Thema<br />
Tafeln standen im Vortrag von<br />
Professor Dr. phil. Stefan Selke, Hochschule<br />
Furtwangen, im Vordergrund,<br />
der das System der Tafeln grundsätzlich<br />
kritisch hinterfragte. Für die Bedürftigen<br />
bedeuteten sie Überleben,<br />
aber auch absolute Armut und Demütigung.<br />
Aufgrund der Abhängigkeit<br />
von Spenden und Freiwilligen seien<br />
Tafeln angebots- statt bedarfsorientiert<br />
und somit gerade in den ärmsten<br />
Gegenden am wenigsten anzutreffen.<br />
Gen Ende der Tagung ging es um<br />
Schulverpflegung und Kinderarmut.<br />
Laut Professor Dr. Ulrike Arens-Azevedo,<br />
Mitglied im DGE-Präsidium, seien<br />
Angebot und Qualität der Speisen<br />
in vielen Schulen sehr verbessert worden,<br />
das Ziel einer ausgewogenen Verpflegung<br />
in angenehmer Atmosphäre<br />
für alle aber noch lange nicht erreicht.<br />
Viele Schulen scheuten aus Kostengründen<br />
die Einführung eines geregelten<br />
Mittagessens. Professor Arens-<br />
Azevedo zeigte Wege auf, den Preis<br />
maßgeblich mitzugestalten. Wie sich<br />
ideal Einfluss auf die Ernährungssituation<br />
von Kindern und Jugendlichen<br />
– unabhängig von sozialen Unterschieden<br />
– nehmen lässt, stellten Tobias<br />
Hunfeld, stellvertretender Schulleiter<br />
der KGS Neustadt, und Monika<br />
Frank-Ohls, stellvertretende Schulleiterin<br />
der IGS Wilhelmshaven, dar. Beide<br />
betonten, dass die Zahlen von ärmeren<br />
Kindern angestiegen seien und<br />
das Verpflegungsangebot in der Schule<br />
oftmals die einzige warme Mahlzeit<br />
am Tag sei.<br />
Autorinnen:<br />
Jasmin Jäger, Helga Strube<br />
DGE-Sektion Niedersachsen e.V.<br />
E-Mail: strube@dge-niedersachsen.de<br />
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8 | 2013 niedersächsisches ärzteblatt<br />
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