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Transkript S. Lauter (PDF-Download) - Haus der Demokratie und ...

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Sanitärtrakt, also Duschen, Toiletten <strong>und</strong> Waschräume. Ja <strong>und</strong> dem gegenüber, ein<br />

paar Meter entfernt, stand eine zweite langgezogene Steinbaracke, <strong>und</strong> da war die<br />

Verwaltung untergebracht, also Direktion <strong>und</strong> trallala. Und <strong>der</strong> Umklei<strong>der</strong>aum, wo<br />

man seine Arbeitsklamotten vor <strong>der</strong> Arbeit angezogen hat. Und dann gab es noch<br />

einen Schulungsraum dort, eine Klei<strong>der</strong>kammer <strong>und</strong> eine ganz, ganz kleine<br />

Sporthalle, die ich nie gesehen habe. Also von innen. Zu meiner Zeit. Und das<br />

nannten die Jugendwerkhof. Das nannten die Umerziehung. (00:38:58-1)<br />

…<br />

In <strong>der</strong> DDR war ja eigentlich eine zehnjährige Schulpflicht. Aber in den<br />

Jugendwerkhöfen war es <strong>der</strong> Regelfall, dass man nur den Abschluss <strong>der</strong> achten<br />

Klasse machen konnte <strong>und</strong> anschließend eine Teilfacharbeiterausbildung. Um das<br />

für heutige Begriffe zu übersetzen, ist das eine Anlerntätigkeit. Das ist wirklich so, als<br />

wenn jemand von <strong>der</strong> Hauptschule entlassen wird ohne Abschluss <strong>und</strong> dann in einen<br />

Betrieb kommt <strong>und</strong> dort eine ja berufsför<strong>der</strong>nde Maßnahme o<strong>der</strong> irgendwas macht,<br />

um später eine Tätigkeit auf Anlernniveau im großen Betrieb ausführen zu können.<br />

Um es mal etwas global zu bezeichnen. Das hatte keinen, keinen großen Wert diese,<br />

diese Ausbildung. Und das war ja in meinem Fall dann sowieso alles null <strong>und</strong> nichtig.<br />

Ich habe da zwar arbeiten müssen in diesem Stahlwerk <strong>und</strong> auch an diesem<br />

Berufsschulunterricht teilnehmen müssen. Und ansonsten habe ich mich komplett<br />

dort verweigert. Also ich bin ja auch abgehauen aus, aus Freital recht schnell nach<br />

Ostberlin geflüchtet in einer Nacht- <strong>und</strong> Nebelaktion. Da hat man mich dann wie<strong>der</strong><br />

aufgegriffen <strong>und</strong> wie<strong>der</strong> zurück gebracht. Ich habe mich dort permanent allen Sachen<br />

verweigert. Also ich hatte damals schon Knieprobleme. Schon als junger Mensch.<br />

Und habe mich so oft wie es ging krankschreiben lassen vom Arzt. Und, <strong>und</strong> mich<br />

also <strong>der</strong> Arbeit teilweise dort verweigert. Ich habe mich dieser, dieser<br />

Umerziehungsversuche <strong>der</strong> Erzieher total verweigert. Ich habe von meinem ersten<br />

bis zu meinem letzten Tag, die den ich dort verbracht habe in dieser Einrichtung alle<br />

Erzieher geduzt bis hin zum Direktor. Also morgens raus: „Wie war die Nacht?“, <strong>und</strong><br />

nichts hier mit „Ja Herr“, weiß ich nicht, „Müller“ o<strong>der</strong> so. Und ich habe die richtig<br />

provoziert. Also richtig auf die Palme gebracht. Die wollten mich wie<strong>der</strong> gegen<br />

meinen Willen in die FDJ einglie<strong>der</strong>n. Die wussten also aus den Unterlagen, dass ich<br />

aus <strong>der</strong> FDJ ausgetreten war <strong>und</strong>, <strong>und</strong>, <strong>und</strong>. Und dass ich staatsfeindlich eingestellt<br />

war. Das wollten die natürlich än<strong>der</strong>n in dem Werkhof. Ich habe immer nein gesagt.<br />

Also ich habe vorher in meinem Leben nie so oft dieses Wort benutzt <strong>und</strong> auch<br />

später nicht. Ich habe dort mindestens am Tag fünfzigmal das Wort nein gesagt,<br />

einfach nein. Und das konnten die sich auf Dauer nicht gefallen lassen. Und da diese<br />

Aufsässigkeiten, wie sie es nannten, von mir also die Frechheiten <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

Wi<strong>der</strong>stand auch noch gruppendynamisch wurde. Ich war dann irgendwann nicht<br />

mehr <strong>der</strong> einzige Jugendliche in meiner Gruppe o<strong>der</strong> von an<strong>der</strong>en Gruppen machten<br />

das auch einige nach. Die dann guten Morgen Horst gesagt haben <strong>und</strong> gelächelt<br />

haben. Und das hat einfach um sich gegriffen. Und .. ich habe auch eine<br />

Massenflucht organisiert. Wirklich mit dreißig Jugendlichen, ungefähr dreißig. Ich<br />

habe gar nicht gezählt. Wir sind aus dem Werkhof unerlaubt raus gegangen <strong>und</strong><br />

haben uns versteckt irgendwo <strong>und</strong> haben dann genüsslich zugeguckt wie die<br />

Erzieher <strong>und</strong> die DDR-Volkspolizei durch, also wirklich mit Blaulicht durch die Stadt<br />

gerast sind, um uns zu suchen <strong>und</strong> wie<strong>der</strong> einzufangen. Und wir haben uns wirklich<br />

köstlich amüsiert. Dann sind wir wie<strong>der</strong> zurück in den Werkhof <strong>und</strong> haben uns da<br />

totgelacht. Über die Erzieher. Und da waren noch viele, viele an<strong>der</strong>e Sachen. Ich<br />

www.haus<strong>der</strong>demokratie.de/unverzichtbar 12

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