Transkript S. Lauter (PDF-Download) - Haus der Demokratie und ...

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Jugendwerkhof. Sexueller Missbrauch. Aber auch viele andere Heimeinrichtungen, angefangen von normalen Kinderheimen, aber vor allem in den Spezialkinderheimen oder Jugendwerkhöfen soll es häufig zu solchen Fällen gekommen sein. Und da sprechen wir hier nicht von ehemals zwanzig Opfern oder hundert Opfern. Das sind Hunderte. Und diese Ermittlungen und, und die Recherchen zu diesem Thema sind noch lange nicht beendet. Viele schweigen bis heute aus Scham, aus Angst, aus weiß ich nicht. (01:59:18-3) … (…) Der Kelch der sexuellen, des sexuellen Missbrauchs oder der der ...bis hin zur Vergewaltigung. Das ist an mir vorübergegangen. Also das ist mir erspart geblieben. Also weder in der, in der Strafhaft noch U-Haft noch, noch später im offenen oder geschlossenen Werkhof. Das ist mir nicht passiert. Weiß ich nicht warum. Gott sei dank. Ich habe es ja bei anderen in der Haftanstalt erlebt. Und .. und .. und ich konnte nicht einschreiten, weil ich sonst vielleicht fällig gewesen wäre. Die auch von anderen Insassen vergewaltigt worden sind. Da gab es ja in den Schlafräumen auch zwanzig bis dreißig Jungs. Da gab es bis hin zur Vergewaltigung alles. Das meiste lief natürlich im Bereich des der sexuellen Nötigung ab, ne? (02:00:25-6) … SL: Ja. Also nicht nur, dass sich dort [im Jugendstrafanstalt Halle] Jugendliche, meist zu viert oder zu fünft oder so, auch meist in der Nachtruhe. Aber manchmal auch nach der Arbeit in der Gruppenfreizeit sozusagen. Wenn kein Knastbruder in der Nähe war, kam es ja auch häufig zu Schlägereien und so war es in der Haftanstalt. So was mitzuerleben das ist schon schlimm genug. Aber wenn man dann erlebt, wie da ein 14-Jähriger von zwei 18-, 19-, 20-Jährigen vergewaltigt wird, das ist dann nicht mehr lustig. Solche Sachen habe ich halt in Halle auch erlebt. In Torgau übrigens, zu meiner Zeit, nicht. Also .. ich war ja in zwei verschiedenen Schlafräumen. Also vor der ersten Dauerarreststrafe von zehn Tagen, da war ich erst in dem Schlafraum A und danach in dem Schlafraum B untergebracht. Warum auch immer. Da gab es keine sexuellen Übergriffe unter den Jungs. Aber es gab solche Geschichten auch. Sexueller Missbrauch unter den Insassen selbst. Solche Einzelfälle gab es auch. Übrigens nicht nur bei den Jungs. Mädchen können da ziemlich grausam sein. Untereinander. Ja aber wie gesagt, solche Übergriffe von, von irgendwelchen, denen ich mal anvertraut war, also Erziehern oder sonst was, ist mir persönlich erspart geblieben. Und dafür danke ich Gott. (02:01:54-1) Pause (02:01:59-0) SL: Und ich bin Atheist. (lacht) (02:02:03-3) 4.5. Entlassung: „Am liebsten würde ich dich noch länger hier behalten. Bei dir ist das Erziehungsziel nicht erreicht“ (…) Ich bin ganz genau einen Tag vor meinem 18. Geburtstag entlassen worden. Also am 28. Mai 1985 an einem Vormittag. Die Uhrzeit weiß ich nicht genau. Ich www.hausderdemokratie.de/unverzichtbar 30
hatte ja keine Uhr. Im Regelfall war das so, dass man vor der Entlassung, ohne den Tag genau zu kennen, ein sogenanntes Vorbereitungsgespräch bei dem Direktor hatte. Also es gab drei re...reguläre, nach seinem Erziehungssystem, vorgeschriebene direkte Gespräche beim Direktor. Eine Eins-zu-eins-Situation. Das war kurz nach der Einweisung, wo der Direktor dir gesagt hat, warum du überhaupt da bist, was die Einweisungsgründe sind und dass jetzt Schluss ist hier mit lustig. Und dann gab es ... ja ein sogenanntes Zwischengespräch, das war dann meist so während der Mitte oder kurz über der Mitte der Haftdauer, wo der Jugendliche nicht wusste, dass jetzt die Mitte erreicht ist oder sonst was. Der wurde einfach bloß zum Direktor geführt, hatte ein Gespräch und wurde wieder zurückgeführt. Zack. Und kurz vor der Entlassung wurde ein Gespräch geführt. Und bei mir hat dieses Entlassungsgespräch auch drei oder vier Tage vor meiner tatsächlichen Entlassung stattgefunden. Und ich war schon für drei Wochen auf Dauerarrest. Ich war bis zum Moment meiner Entlassung die letzten Wochen nur noch von der Gruppe weggesperrt. Wurde lediglich rausgeholt, um die acht Stunden mitzuarbeiten, also die vier Tage in der Woche. Ansonsten war ich dauerisoliert von der Gruppe. (…) Der Grund war, dass sie Angst hatten, dass mein aufmüpfiges Verhalten, obwohl das ziemlich gedämpft war, also so wie ich es vorhin von, von Freital, dem offenen Werkhof, erzählt habe, das habe ich mir in Torgau alles nicht getraut. Aber ich habe angefangen, mich irgendwie verbal zu wehren. Das haben sie mitgekriegt. Die sind ja nicht blöd gewesen, die Erzieher. Die haben mich von der Gruppe dauerisoliert. Also wenn die am Nachmittag nach der Arbeit, wie gesagt, diese Sportübungen oder über die Sturmbahn. Ich war auf Einzelarrest. Ich war in der Einzelarrestzelle. In der Nachtruhe war ich nicht im Schlafraum, wo zehn, zwölf oder sechzehn Jugendliche waren, ich war in der Einzelarrestzelle. Nur die acht Stunden an vier Tagen die Woche, wo meine Gruppe zur Arbeit geführt wurde, da wurde ich mit zur Gruppe zugeführt, sollte mitarbeiten, nach der Arbeit gleich wieder weggeschlossen. Ja .. bei meinem Entlassungsgespräch hat mir der Direktor so ein paar Sätze um die Ohren gehauen. Das dauert auch bloß ein paar Minuten. Der meinte, dass meine Entlassung unmittelbar bevorsteht. Stefan, du wirst ja 18 und so weiter. Das weißt du. Also er hat mich prinzipiell geduzt dort. Und er meinte, dass ich noch einmal nach Freital zurückkomme, für einen Tag, und dort eben meine Unterlagen, meine Papiere bekomme und Entlassungsgespräche, meine persönlichen Gegenstände, Sachen, mein Eigentum, und dass ich dann in Berlin oder nach Berlin fahren soll und zu meiner Mutter zu gehen habe. Und die hätte einen Arbeitsvertrag, das wisse er schon alles von meinem Jugendamt aus, aus Berlin. Meine Mutter hätte für mich einen Arbeitsvertrag auf dem Tisch zu liegen und ein Wohnungs-, Mietvertrag und einen Wohnungsschlüssel. Und meine erste Wohnung, also eine Einraumwohnung mit Küche und Innen-WC, die wäre schon eingerichtet, von meiner Mutter und so. Und dann hat er noch mir an den Kopf geknallt: „Am liebsten würde ich dich noch länger hier behalten. Bei dir ist das Umerziehungsziel, das Erziehungsziel nicht erreicht.“ Das ist der einzige Satz, wo er aus meiner Sicht aus meiner rückblickenden Sicht heute nicht gelogen hat. Also das Umerziehungsziel war bei mir nicht erreicht. Also in dem Moment war mir das nicht nur bewusst, sondern ich hatte auch schon wieder die innere Stärke. Und er meinte wirklich, am liebsten würde er mich noch drei Jahre hier behalten damit er auch mich kriegt. Und das klingt wirklich, wenn ich das, ja wenn ich daran zurück denke heute, das klingt wirklich so, als hätte er fast jeden dort knacken können. Bei mir war er traurig oder sauer, dass er es, dass er nicht ausreichend Zeit hatte. Das war mein Entlassungs..gespräch. Und dann kam ich da wie gesagt noch für zwei drei Tage auf Einzelarrest bis der Entlassungstag war. Und www.hausderdemokratie.de/unverzichtbar 31
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