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Transkript S. Lauter (PDF-Download) - Haus der Demokratie und ...

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irgendwas?“. Ich sagte: „Nein, nein fahren sie mal los. Ich muss zu meiner<br />

Schwester.“ Dann ist er losgefahren. (02:41:18-1)<br />

6. Durchgangsheim Alt-Stralau „Wir haben Händchen gehalten“<br />

SL: Also in meinem Fall war es ja so, dass ich das erste Mal im Durchgangsheim Alt-<br />

Stralau Ende 1982 war. Da war ich mitten im ersten Halbjahr <strong>der</strong> zehnten Klasse. Ich<br />

war also schulpflichtig <strong>und</strong> kam dann, weil meine Mutter mich nicht mehr aufnehmen<br />

wollte zu <strong>Haus</strong>e, noch vor, vor meinem Gerichtsverfahren für drei o<strong>der</strong> vier Wochen<br />

in dieses Durchgangsheim. Ja, ich konnte meine Schule dort drin nicht fortführen. Es<br />

gab keinen Schulunterricht, es gab keinen Schulunterricht, da gab es keinen Lehrer<br />

<strong>und</strong> keine Schulbücher <strong>und</strong> irgendwas. Jungs <strong>und</strong> Mädchen sind getrennt<br />

voneinan<strong>der</strong> aufbewahrt worden. Auf zwei unterschiedlichen Etagen. Und wir<br />

mussten dort arbeiten. Also alle, die 14 Jahre <strong>und</strong> älter waren, die haben dort<br />

tagsüber gearbeitet. Ich kann mich noch genau erinnern im Durchgangsheim Alt-<br />

Stralau, hier in Ostberlin, haben wir Diarahmen zusammen gesteckt. Also es gab mal<br />

eine Zeit auch im, noch vor dem Beamer <strong>und</strong> Filmprojektor o<strong>der</strong> ähnliches, da hat<br />

man Fotos gemacht <strong>und</strong> <strong>der</strong> Fotograf hat daraus Dias angefertigt, die man sich dann<br />

zu <strong>Haus</strong>e mit dem Diaprojektor an die Wand werfen konnte <strong>und</strong> seine Urlaubsfotos<br />

sich angucken konnte. Und die Plastikrahmen, die haben wir im Durchgangsheim als<br />

Kin<strong>der</strong> ohne Arbeitsentgelt, ohne irgendwas im Akkord zusammen gebastelt. Zu 25<br />

Stück waren das glaube ich immer. Und dann wurden die verkauft. Und davon hat<br />

man diese Heime mitfinanziert. Das ist ja wohl ein Witz. Also wir waren zum größten<br />

Teil schulpflichtige Kin<strong>der</strong>, o<strong>der</strong> zumindest Kin<strong>der</strong> o<strong>der</strong> Jugendliche, die in <strong>der</strong><br />

Ausbildung schon waren mit 15 o<strong>der</strong> 16 Jahren. Und diese, diese Geschichten<br />

fanden in diesen Durchgangsheimen nie statt. Und wie gesagt, <strong>der</strong> Name sagt es ja<br />

schon, Durchgangsheim, das war ja keine endgültige Heimunterbringung, son<strong>der</strong>n<br />

nur für den Zeitraum, wo das Jugendamt eben die die Zeit brauchte, um einen<br />

Heimplatz, einen regulären Heimplatz zu finden. So lange blieb man dort in diesem<br />

Durchgangsheim. Dann waren natürlich auch Kin<strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendliche da drin, die<br />

schon längst einen Heimplatz hatten, aber aus den offenen Heimeinrichtungen<br />

abgehauen sind. Und in <strong>der</strong> Stadt, wo sie aufgegriffen wurden, was ja recht schnell<br />

war in <strong>der</strong> DDR, bei <strong>der</strong> Polizeidichte <strong>und</strong> so weiter. Man hatte keine Papiere <strong>und</strong><br />

kein Geld. Da ist man recht schnell von <strong>der</strong> Polizei gef<strong>und</strong>en <strong>und</strong> aufgegriffen<br />

worden. Dann kamen wir in dieses Durchgangsheim. Und je nachdem wie schnell da<br />

ein Transport zusammengestellt werden konnte, wurde man in diese feste<br />

Stammeinrichtung wie<strong>der</strong> zurückgeführt. Und in <strong>der</strong> Zeit kein Kontakt zum an<strong>der</strong>en<br />

Geschlecht, kein Lachen, kein Spaß, kein, keine freie Bewegungsmöglichkeit. Nachts<br />

die Schlafräume zugeschlossen, kein Wasserklosett, kein Trinkwasser. Genauso wie<br />

in Torgau. Da steht auch bloß ein Kübel für die Notdurft. Für sechsjährige kleine<br />

Kin<strong>der</strong>, die von zu <strong>Haus</strong>e rausgelöst werden mussten, weil <strong>der</strong> Vater schwerer<br />

Alkoholiker war o<strong>der</strong> überhaupt asoziale Lebensumstände waren,<br />

Kindesmisshandlung o<strong>der</strong> sexueller Missbrauch in <strong>der</strong> Familie stattgef<strong>und</strong>en hat. Aus<br />

ähnlich dramatischen Familiensituationen herausgelöst werden mussten, die heute<br />

auch zu Heimunterbringung führen können. Die kommen vom Regen in die Traufe.<br />

Der Tagesablauf ist auch streng reguliert o<strong>der</strong> vorgegeben. Noch nicht so schlimm,<br />

wie ich es dann später im offenen <strong>und</strong> vor allem im geschlossenen Jugendwerkhof<br />

erlebt habe. Das war schon ein Stück weit entspannter. Die Erzieher haben dort nicht<br />

nur rumgebrüllt <strong>und</strong> sonst irgendwas. Aber für sogenannte Verstöße gegen die<br />

www.haus<strong>der</strong>demokratie.de/unverzichtbar 40

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