Transkript S. Lauter (PDF-Download) - Haus der Demokratie und ...
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steht meine Mutter auf, <strong>und</strong> ruft in den Saal, sie hat keinen Sohn Stefan mehr. Also<br />
da war nicht nur die Stimmung plötzlich im Arsch, da vor Gericht, also die<br />
Verhandlung ist sofort unterbrochen worden. Ich war in Tränen aufgelöst. Und ich<br />
weiß nicht, ob das Gericht, also ich kenne die Richterin seit Jahren, also auch<br />
danach. Wir waren auch sozusagen befre<strong>und</strong>et. Und sie hat mir das nie wirklich<br />
bestätigt, aber ich glaube man wollte mich eigentlich schon zur Haftstrafe, also ohne<br />
Bewährung, direkt an diesem Tage eigentlich verurteilen. Und aufgr<strong>und</strong> des<br />
Auftretens meiner Mutter <strong>und</strong> auch meines Stiefvaters, <strong>der</strong> sich da unmöglich<br />
aufgeführt hat an diesem Tag, hat man mich dann doch zur Bewährung verurteilt.<br />
Und dann bin ich in das Jugendwohnheim gekommen, noch am selben Tag. Und da<br />
haben sich mein Verteidiger <strong>und</strong> die Staatsanwältin <strong>und</strong> die Richterin mit den Chefs<br />
zusammengesetzt <strong>und</strong> das noch mal diskutiert <strong>und</strong> dann ist die Verhandlung schnell<br />
beendet worden. Und da war ich am selben Abend noch in Prenzlauer Berg in einem<br />
sogenannten sozialistischen Jugendwohnheim. (00:17:01-4)<br />
…<br />
Und ab dem Zeitpunkt, da bin ich 15 ½ Jahre alt, da bin ich Heimkind. Nichts ist mehr<br />
mit sich in <strong>der</strong> Freizeit zu erholen von den kommunistischen Parolen, die man in <strong>der</strong><br />
Schule hat o<strong>der</strong> sonst irgendwann seine .. Lieblingsmusik zu hören. Ich konnte<br />
plötzlich nicht mehr West-Radio hören, was eigentlich vollkommen normal war, für<br />
uns Ostberliner Jugendliche. Ich konnte nicht einfach in, in den Gruppenraum gehen,<br />
den Fernseher anmachen <strong>und</strong> ARD o<strong>der</strong> ZDF gucken. Das hätte ein riesen Theater<br />
in diesem Wohnheim gegeben. (00:17:36-9) …<br />
Also neben meinen politischen Aktivitäten, die ich gemacht habe o<strong>der</strong> meinem<br />
jugendlichen Rebellentum, das ist ja so eine Mischung eigentlich. Mit 15 Jahren ist<br />
man noch nicht ausgereift als Persönlichkeit, dass man das jetzt als bewussten<br />
Wi<strong>der</strong>stand einordnen könnte, wie es eben auch bekannte Bürgerrechtler wie Bärbel<br />
Bohley o<strong>der</strong> Rainer Eppelmann o<strong>der</strong> wie sie alle heißen, da gemacht haben. Das ist<br />
mit 15 Jahren natürlich eine ganz an<strong>der</strong>e Qualität, ne? Das ist alles zusammen<br />
gekommen <strong>und</strong> meine Mutter hat sich distanziert von mir <strong>und</strong> plötzlich bin ich im<br />
Heim. (00:18:15-8)<br />
…<br />
Ich habe mich komplett verweigert. Also erst mal war es sowieso ziemlich schwierig,<br />
dieses Bewusstsein, dass ich jetzt nicht mehr mein eigenes Zimmer habe zu <strong>Haus</strong>e.<br />
Und meine ganzen Poster, die ich in meinem Zimmer hatte zu <strong>Haus</strong>e, die durfte ich<br />
nicht mit ins Wohnheim nehmen. Die hätte ich da nicht aufhängen können. Also ich<br />
hatte Poster von Bands aus Westeuropa <strong>und</strong> Amerika, Kiss, Pink Floyd, Stones,<br />
AC/DC <strong>und</strong> sonst irgendwas hing bei mir zu <strong>Haus</strong>e. Und wer das Logo von <strong>der</strong> Band<br />
Kiss kennt, <strong>der</strong> weiß, dass da die SS-Runen benutzt werden, um eben irgendwie<br />
Aufregung o<strong>der</strong> sonst was zu erreichen. Das hätte ich im Wohnheim niemals<br />
aufhängen dürfen. Das wäre eine Straftat für die gewesen. Und .., ja das habe ich<br />
alles vermisst. Und wenn ich aus <strong>der</strong> Schule gekommen bin, ich konnte da meine<br />
Schule doch noch zu Ende machen. Da war ich dann ja schon im Heim. Da habe ich<br />
mich möglichst in meiner Freizeit nicht im Heim aufgehalten. Ich habe angefangen<br />
mich rumzutreiben auf dem Berliner Alexan<strong>der</strong>platz zum Beispiel. Hab da auch<br />
an<strong>der</strong>e junge Menschen kennen gelernt, die <strong>der</strong> Ostberliner Punkszene zum Beispiel<br />
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