Transkript S. Lauter (PDF-Download) - Haus der Demokratie und ...
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abgeglichen, als junger Mensch. Und daraus haben sich ganz, ganz viele Fragen<br />
ergeben. Also ich kannte ja die Berliner Mauer. Ich wusste, dass ich zu meiner<br />
Verwandtschaft, meiner Großfamilie nach Hannover niemals werde reisen können,<br />
bevor ich nicht Rentner bin. Und ich habe die verfallenden Häuser hier in Prenzlauer<br />
Berg als junger Mensch gesehen – obwohl ich erst am Alexan<strong>der</strong>platz im<br />
Vorzeigeplattenbau wohnte. Und dann später in so einem schicken Einfamilienhaus.<br />
Ich habe die,.. die .. ja, die Diskrepanzen in <strong>der</strong> Wirklichkeit <strong>der</strong> DDR<br />
wahrgenommen. Endlich wahrgenommen, <strong>und</strong> das schon im Alter von 13, 14, 15<br />
Jahren. Ja, <strong>und</strong> im Endeffekt führte das dazu, dass ich mich Anfang <strong>der</strong> zehnten<br />
Klasse entschlossen hatte, aus <strong>der</strong> FDJ auszutreten, wo ich ja nun schon mittlerweile<br />
Mitglied war. Ist dieser Jugendverband <strong>der</strong> SED gewesen, um das mal zu<br />
verdeutlichen. Und das habe ich nicht still <strong>und</strong> leise gemacht an meiner Schule,<br />
son<strong>der</strong>n ich habe die Abschlussveranstaltung in <strong>der</strong> Schulaula benutzt, wo alle<br />
Schüler da waren, alle Lehrer <strong>der</strong> Schule, die Direktion <strong>und</strong> dann Vertreter <strong>der</strong> FDJ<br />
<strong>und</strong> SED-Kreisleitung. Jemand vom Jugendamt war dabei <strong>und</strong> von <strong>der</strong><br />
Staatssicherheit sogar. Und, da bin ich während ihrer dunkelroten Reden einfach<br />
aufgestanden, bin nach vorne gegangen, hab mein FDJ-Ausweis auf den Tisch<br />
geschmissen <strong>und</strong> habe gesagt: „Die Veranstaltung ist für mich vorbei.“ Und da waren<br />
nicht nur diese Schulveranstaltungen gemeint, son<strong>der</strong>n das wussten die auch, also<br />
meine Lehrer, dass ich jetzt ab sofort nicht mehr Mitglied <strong>der</strong> FDJ bin, dieses<br />
Blauhemd nicht mehr tragen werde, an den Veranstaltungen nicht mehr teilnehme.<br />
Und da gab es richtig Rambazamba in meiner Schule. Ich hätte beinahe nicht<br />
meinen Schulabschluss machen dürfen. Es hat wirklich eine Lehrerkonferenz mit<br />
Vertretern vom Jugendamt stattgef<strong>und</strong>en <strong>und</strong> meine Mutter musste erscheinen, ich<br />
sollte erscheinen. Und da wurde darüber diskutiert, ob ich überhaupt zu den<br />
Abschlussprüfungen zugelassen werde. Wegen meiner feindlich .. also negativ<br />
dekadenten Einstellung zum, zum Staat <strong>und</strong> zur Partei-Politik <strong>der</strong> SED. (00:10:03-2)<br />
Ich durfte dann doch. Und das einzige, was meine Lehrer dann noch erreicht haben,<br />
o<strong>der</strong> eben was, weiß ich nicht, ob das Ziel <strong>der</strong> Schulleitung war, o<strong>der</strong> von sonst wem,<br />
das kann ich heute alles gar nicht sagen. Sie haben meinen Leistungsdurchschnitt<br />
erheblich gedrückt. Ich hatte in <strong>der</strong> neunten Klasse noch einen<br />
Leistungsdurchschnitt, also die Kopfnoten nehmen wir jetzt mal aus, aber einen<br />
Leistungsdurchschnitt von 1,8. Und die zehnte Klasse hab ich dann mit 3,6<br />
abgeschlossen. Meine ganzen Lieblingsfächer, Mathe, Geschichte <strong>und</strong> sonst was,<br />
wo ich vorher auf Eins o<strong>der</strong> Zwei stand, hatte ich plötzlich eine Drei o<strong>der</strong> eine Vier<br />
auf dem Abschlusszeugnis. Und das war, das war die absolute Katastrophe. Ich<br />
habe zwar den Abschluss <strong>der</strong> zehnten Klasse. Aber war natürlich hochgradig<br />
verärgert. Ja, das ist so im Groben mein Werdegang in <strong>der</strong> DDR-Schule.<br />
(00:10:56-1)<br />
…<br />
Die sind total ausgeflippt, als ich zu <strong>der</strong> ersten schriftlichen Prüfung, das war<br />
traditionell in <strong>der</strong> DDR immer die Russisch-Abschlussprüfung, die auch schon<br />
mehrere Wochen vor den an<strong>der</strong>en Abschlussprüfungen statt gef<strong>und</strong>en hat. Also<br />
immer kurz vor dem Halbjahreszeugnis im Februar. Da bin ich als einziger Schüler<br />
<strong>der</strong> gesamten zehnten Klassen ohne Blauhemd erschienen. Und da haben die mich<br />
nicht rein gelassen in die Prüfung. Da haben die angefangen um halb neun früh zu<br />
schreiben, <strong>und</strong> ich sitze die ganze Zeit draußen <strong>und</strong> warte, dass ich rein gelassen<br />
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