Transkript S. Lauter (PDF-Download) - Haus der Demokratie und ...

Besonderheit vom Jugendwerkhof Torgau. Vom ersten Tag der Einweisung bis zum
Tag der Entlassung wusste man nicht, wann man entlassen wird. Das ist etwas ganz,
ganz Perfides, also nicht nur für einen jungen Menschen. Wenn man jemanden
einsperrt und der weiß nicht, wie lange er jetzt in dieser dramatischen
Lebenssituation verbleiben muss. Also, also jeder, jeder Vergewaltiger, jeder Mörder,
jeder Räuber nach Rechtskraft seines Strafurteils kennt den Tag der Entlassung oder
kennt das Strafmaß lebenslänglich. Dann hat er halt den Tod sozusagen als sein
Ziel. Und im Jugendwerkhof Torgau wusstest du nicht, bin ich hier zwei Tage, zwei
Wochen, zwei Jahre? Keine Ahnung. (00:55:29-6)
Und dir werden am ersten Tag die Haare abgeschnitten. Das ist an Dra.. Dramatik
eigentlich kaum noch zu überbieten. Man bekommt die Anstaltskleidung. Das war im
Regelfall die Arbeitsbekleidung, die man ansonsten dort in dieser Einrichtung zu
tragen hat. Also für uns Jungs war es ein Arbeitsoverall, baumwollene Unterwäsche,
natürlich ohne Gummilitze übrigens, damit man keine Möglichkeit hatte sich
aufzuhängen, ein paar Wollstrümpfe und Arbeitsschuhe. Das war alles. Und dann ist
man noch in den Duschraum geführt worden. Und das war auch eine recht schlimme
Erfahrung für die meisten von uns. Also für mich zumindest auch. Dieser Duschraum
war ungefähr dreißig, vierzig Quadratmeter groß. Natürlich vollständig gefliest. .. Und
aus der Decke schauten, ich glaube sechs oder acht Duschköpfe raus. Und das
Wasser wurde von außen über so ein großes Ventil vom Erzieher reguliert. (…) Und
dann hatte ich mich zu desinfizieren. Das dauerte eine halbe Stunde. Ja er hat eben,
wie gesagt, kurz Wasser angemacht, dann meine Rückerinnerung, das war wirklich
kaltes Wasser, maximal lauwarm und ich bin ja da im Winter am 8. Februar
hingekommen. Das war arschkalt in diesem Duschraum. Ich steh da ganz alleine,
schmiert der mir da so eine Paste in die Hand. Ist so ein Körperentlausungsmittel
gewesen. Deditex, das weiß ich noch wie heute. Da hatte ich meinen gesamten
Körper mit einzureiben. Das Wasser war dann in dem Moment abgeschaltet und
dann hatte ich mit wirklich ausgestreckten Armen dort eine halbe Stunde zu stehen.
Um diese Einwirkzeit ja … ablaufen zu lassen und dann nach einer halben Stunde
hat er wieder das Wasser angedreht. Ich hatte mich abzuduschen. Das hat wirklich
höllisch gebrannt auf der Haut. Überall. Gerade im Schambereich. Und dann durfte
ich mich abtrocknen, wieder diese Arbeitsklamotten anziehen (…) Ich hatte keinen
Widerstand geleistet, alles gemacht, was sie von mir wollten, alles über mich
ergehen lassen, und ich werde in eine Gefängniszelle gesteckt. Einzelisolierung. Drei
Tage. (00:58:43-3)
Heute weiß ich, dass das jedem Einzelnen von den über viertausend, die jemals dort
gewesen sind … dass es allen so ergangen ist, dass es eine ganz normale
Maßnahme, in Anführungszeichen, eine ganze normale Maßnahme für die Erzieher
und vor allem für diesen langjährigen Direktor Horst Kretzschmar gewesen ist. Man,
man sollte wirklich mit dieser gesamten Einweisungsprozedur, inklusive der ersten
drei, vier oder fünf Tage Einzelarrest dermaßen eingeschüchtert und, und ja
gebrochen werden. Regelrecht gebrochen werden. Ja das war Ziel, dass man keinen
Widerstand mehr leistet für die gesamte Unterbringungszeit in dieser Einrichtung.
Und bei den meisten haben sie das erreicht. .. Der Wille und, und die Psyche des
einzelnen Insassen, der dort angekommen ist, sollte vom ersten Tag an total zerstört
werden. #00:59:34-8#
Ich brauch eine Pause (SL schüttelt den Kopf, trinkt). (00:59:38-9) (Pause)
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