Transkript S. Lauter (PDF-Download) - Haus der Demokratie und ...
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Pech hatte, ist von Geburt bis zur, zum Tode nur im Heimen gewesen in <strong>der</strong> DDR.<br />
Wäre möglich gewesen, rein theoretisch. (02:33:25-0)<br />
…<br />
SL: [Am meisten gefehlt hat mir] ein normales ziviles Leben. Meine Fre<strong>und</strong>e, meine,<br />
meine Musik. Sich nicht ständig befehlen lassen, was man zu tun <strong>und</strong> zu lassen hat.<br />
Ich sage dazu immer heute, mir hat meine Freiheit gefehlt. Egal ob ich in einer<br />
vermeintlich offenen Heimeinrichtung gewesen bin o<strong>der</strong> später im Zuchthaus im<br />
geschlossenen Jugendwerkhof Torgau. Mir hat meine Freiheit, meine individuelle<br />
Freiheit gefehlt. Wie kommt denn ein, ein..eine Staatsführung dazu, seinem Volk<br />
vorzuschreiben, was es im TV zu sehen hat o<strong>der</strong> für Musik zu hören hat. Wann es<br />
ein Bier zu trinken hat, für die Fa.. Farbe <strong>der</strong> Haare, also wie gefärbte Haare<br />
vielleicht auszusehen haben. Wie, wie kommt denn eine Staatsführung dazu, also<br />
mal ein einfaches Beispiel. Wenn heute B<strong>und</strong>eskanzlerin Angela Merkel mir<br />
vorschreiben will, wie meine Kleidung auszusehen hat, ob ich Punk o<strong>der</strong> Hip Hop<br />
hören darf. … Also die Frau würde man doch einweisen, heute, in eine geschlossene<br />
Psychiatrie. Aber ein Herr Ulbricht <strong>und</strong> ein Herr Honecker als Staatschef in ihrer Zeit,<br />
in <strong>der</strong> DDR, die haben sich das angemaßt. Die haben sich angemaßt ihrem Volk zu<br />
erzählen, dass sie das Westfernsehen, hat man ja heimlich dann gemacht. Aber dass<br />
man das eigentlich nicht sehen soll, dass es unerwünscht ist. Die haben Jugendliche,<br />
die in <strong>der</strong> Öffentlichkeit als Penner erkannt o<strong>der</strong> definiert wurden, also Langhaarige<br />
mit Nickelbrillen mit einem Shell-Parker <strong>und</strong> die dann Westmusik öffentlich gehört<br />
haben <strong>und</strong> vielleicht mal ein Bierchen getrunken in <strong>der</strong> Öffentlichkeit haben, die hat<br />
man einkassiert, denen hat man die Haare geschnitten, denen hat man den Victory-<br />
Aufnäher von <strong>der</strong> Kutte gerissen <strong>und</strong> die Musikkassette weggenommen. Und im<br />
Zweifelsfall hat man sie ins Jugendarbeitslager o<strong>der</strong> in einen Jugendwerkhof<br />
eingesperrt. Für nichts <strong>und</strong> wie<strong>der</strong> nichts. Das war DDR-Realität. Man hat uns die<br />
individuelle Freiheit weggenommen. (...) (02:35:33-7)<br />
Man hat uns als Menschen, wenn wir uns nicht parteipolitisch o<strong>der</strong> staatskonform<br />
verhalten haben, man hat uns entmündigt. Man hat uns Vorschriften gemacht, nicht<br />
nur machen wollen, son<strong>der</strong>n gemacht, wie wir zu leben haben, als sozialistische<br />
Jugend. Ist übrigens einer aus meiner Sicht, <strong>und</strong> damit stehe ich wahrscheinlich auch<br />
nicht ganz alleine, einer <strong>der</strong> Hauptmerkmale, woran man Diktaturen erkennt. Wie<br />
eine Staatsführung in einem geschlossenen Staatssystem mit ihrer Jugend umgeht.<br />
Das war im Dritten Reich so. Man hat sich die Jugend gegriffen <strong>und</strong> den neuen<br />
Menschen formen wollen. Das ist ja die richtige … ja die richtige Vo..Vo..kabel <strong>der</strong><br />
Naziideologie, den neuen Menschen schaffen. (…)<br />
Und das hat mir als Mensch gefehlt. Frei zu sein. (02:36:43-1)<br />
SL: Die Zeit meiner politischen Verfolgung, das ist auch staatlich anerkannt heute,<br />
ich habe ja auch eine berufsrechtliche Rehabilitierung, weil ich in meiner Ausbildung<br />
während meiner Haftzeit dann behin<strong>der</strong>t wurde. Also während meiner<br />
Jugendwerkhofzeit. Ist ja gegen meinen Willen abgebrochen worden. Und da wurde<br />
auch die … persönliche politische Verfolgungszeit geprüft. Wie lange war denn<br />
tatsächlich die politische Verfolgung für den Einzelnen? Wann endet diese? Und in<br />
meinem Fall endet die nicht mit meiner Entlassung zum 18. Geburtstag aus <strong>der</strong><br />
Heimerziehung. Bis 1989 durfte ich keine Ausbildung machen, stand in meiner<br />
Personalakte drin, bis also mindestens für die Zeit von drei Jahren durfte ich keine<br />
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