Transkript S. Lauter (PDF-Download) - Haus der Demokratie und ...

Weitere Magazine

Empfehlungen

Info

Richter gesehen. Sie hatten kein Gerichtsurteil, von wegen jetzt hast du das und das angestellt und jetzt kommst du für ein halbes Jahr oder ein Jahr oder zwei Jahre in so ein Zuchthaus. Und der geschlossene Jugendwerkhof, es gibt ja Fotos davon heute, und, und auch Filmdokumentationen. Es war nichts anderes als eine richtige Haftanstalt. Und die wurde auch so geführt. Das ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Also so ist es auch nach der Wende eingestuft worden, vom deutschen Bundestag und von recht hohen Gerichten mittlerweile. (00:46:28-2) … SL: Das werde ich recht oft gefragt. Was für mich das schlimmste Erlebnis oder die schlimmste Rückerinnerung an den geschlossenen Jugendwerkhof Torgau gewesen ist und das kann ich so gar nicht sagen. Weil die gesamte Unterbringung, überhaupt dieses unberechtigt in ein Zuchthaus gebracht zu werden, ohne richterlichen Beschluss oder das man auch keine Möglichkeit hatte sich gegen diese Maßnahme irgendwie zu wehren. Ich konnte mir keinen Rechtsanwalt nehmen, ich konnte keinen Kontakt nach außen aufnehmen. Nichts, also man hatte überhaupt gar keine Möglichkeit der Beschwerde gegen diese staatliche Maßnahme. Man war der absoluten Willkür ausgesetzt. Ein Einzelerlebnis da heraus zu tun, und ich habe einige schlimme Sachen im Jugendwerkhof Torgau erlebt, auch persönlich erlebt. Das gibt da keinen Einzelmoment, kein Einzelereignis was ich als das schlimmste oder weniger schlimm... die gesamte Unterbringungszeit, alles was ich dort in der Summe erlebt habe, ist so schlimm, so dramatisch und so schrecklich gewesen, dass ich das unter ein Gesamtergebnis nur noch abhaken kann. Das ist ... in Worten kaum zu beschreiben. (00:49:14-3) 4.1. Ankunft: In der Regel benötigen wir drei Tage, um die Jugendlichen auf unsere Forderungen einzustimmen“ SL: Ja. Also wie gesagt. Ich war ja in der Nacht im offenen Jugendwerkhof Freital nach .. wirklich aus dem Bett gerissen worden und dann in die Einzelzelle dort gebracht worden. Man hatte mir meine Privatsachen, meine .. Kleidung hinterher geworfen mit dem Befehl anziehen. Und .. da fehlten die Schnürsenkel schon in den Schuhen, die Uhr war nicht mehr dabei, der Gürtel war weg und .. Zigaretten oder andere Sachen sowieso, alles weg. Und dann ab diesem Zeitpunkt, hatte ich nur noch, aber wirklich knallharte Befehle zu befolgen. Und .. ich wurde in einem Dienst- Pkw des offenen Werkhofs, Pkw Wartburg nannte man diese Autos, dann nach Torgau gebracht. Und war halt zwei oder drei Stunden später halt in Torgau. Und komme dort an, und sehe ein richtiges Zuchthaus mit Gefängnisschleuse, die öffnet sich, das Fahrzeug fährt mit mir da rein und hinter mir geht diese Gefängnisschleuse wieder zu. Die Mauern sind vier bis fünf Meter hoch. Die Fenster alle vergittert. Also richtig, der äußere Eindruck täuschte auch nicht, es war ein Zuchthaus. .. Und ich werde aus diesem Pkw rausgezerrt und in dieses Haus rein getreten, rein geführt kann man gar nicht mehr sagen, und auf einen ganz, ganz kleinen schmalen Flur abgestellt. .. Kein Fenster nichts, noch nicht mal Glasbausteine oder irgendwas wo man halt so sehen kann ob Tag oder Nacht ist. Da war halt bloß eine Neonlampe und ansonsten vier Wände und vier Türen, die verschlossen waren. Und dann wurde ich da abgestellt. Ich sollte militärische Grundhaltung, also stramme Haltung annehmen. Und der Befehl lautete Fresse halten. Das war alles. Und da habe ich mehrere www.hausderdemokratie.de/unverzichtbar 14
Stunden wirklich, mehrere Stunden gestanden, ich kann das nicht mehr heute sagen ob das vier oder sechs oder acht Stunden waren. .. Ich hatte den ganzen Tag noch nichts gegessen.. nichts zu trinken bekommen. Ich konnte keine Toilette aufsuchen. Ich konnte mich nicht irgendwo hinsetzen oder, oder ja nicht mal entspannen. Ständig sind Erzieher oder Verwaltungsangestellte, die hat man ja an ihren Knastschlüsseln erkannt, wie sie sich durchgeschlossen haben, die sind an mir vorbei. Die haben bloß mal geguckt ob ich auch ordentlich stehe und alles in Ordnung ist sozusagen. Und .. da stehe ich da mehrere Stunden. Und irgendwann ist ein Erzieher vorbei gekommen und ich habe mich wirklich getraut, oder mich gewagt, den zu fragen, ganz ruhig ganz ....sss...sachlich, fast verschüchtert, wie es denn jetzt weiter geht. Also ich hatte Hunger, ich wollte mal auf Toilette und ich hatte Durst. Und habe den nur gefragt, wie geht es denn jetzt weiter. (00:51:55-6) Und der hat mir nicht geantwortet, der war eigentlich schon fast an mir richtig vorbei. Der drehte sich bloß um, hatte sein ganz massiven Schlüsselbund in der Hand, und den hat er mir einfach ins Gesicht gefeuert. Also mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Also diesen großen .. Schlüsselbund in der Hand, den kann man sich heute in der Gedenkstätte im Jugendwerkhof Torgau ansehen. Der wiegt knapp eineinhalb Kilo. Und dann knallt der mir einen Satz an den Kopf, den werde ich auch nicht vergessen. Du hast hier nicht ungefragt Fragen zu fragen. Hier fragen wir. Und dann drehte er sich wieder um und verschwindet. Und dann stehe ich da noch mal eine Stunde oder zwei, keine Ahnung. … Anschließend werde ich von dem gleichen Erzieher dort dann endlich abgeholt, von diesem kleinen Flur, schloss dann eine weitere Tür auf, dahinter befindet sich die Kleiderkammer, da hatte man sich splitternackt auszuziehen vor wildfremden Menschen. In meinem Fall waren zwei männliche Erzieher dabei.., eine weibliche Zivilangestellte, die dort gearbeitet hat, und zwei junge Mädchen, die dort tagsüber arbeiten mussten, offensichtlich ebenfalls Insassen. Und dann musste ich mich im Alter von 17 ½ Jahren vor wildfremden Menschen splitternackt ausziehen. Es ist in sämtliche Körperöffnungen nicht nur reingeschaut sondern auch nachgetastet worden, ob man irgendwelche verbotenen Gegenstände in diese Einrichtung mit rein schmuggelt, die die Sicherheit hätten gefährden können. Ich weiß nicht, was die gesucht haben. Also ich kam aus einer anderen Heimeinrichtung, also ja. Und da waren ja auch schon alle verbotenen Gegenstände total verboten. Was hätte ich denn besitzen können. Weiß ich nicht. Maschinengewehre? Kettensägen? Keine Ahnung. … Das ganze Aufnahmeritual, was dort stattfand, knapp eine halbe Stunde, diente ausschließlich zur persönlichen Demütigung und Entwürdigung als Mensch. .. So betrachte ich das heute rückblickend und da stehe ich nicht alleine mit meiner Einschätzung. Und wie ich das ja mittlerweile von, von vielen, vielen anderen politischen Häftlingen in der DDR nach der Wende von ihren Schilderungen, was sie persönlich erlebt haben, erfahren habe. Das war ja in den U-Haftanstalten des MfS zum Beispiel ganz genauso. Dieses persönliche Entwürdigen. Diese persönlichen körperlichen Untersuchungen und, und ja das Wegnehmen der persönlichen Kleidung. Man bekam Anstaltskleidung. .. Im Jugendwerkhof Torgau kamen noch zwei Sachen hinzu, die extrem demütigend waren. Das eine ist der Verlust der Haarpracht. Nicht so wie heute, wo ich aus natürlichen Gründen verdammt kurze Haare habe. Damals hatte ich noch ein paar Haare. Und es gibt da noch, Gott sei dank, ein paar Fotos von mir aus dieser Zeit, die das auch belegen können. Aber innerhalb von zwei Minuten hatte ich dann so einen Haarschnitt wie jetzt. Und auch die jungen Mädchen, ob die 14 oder 16 waren oder 18, die dort angekommen sind, am ersten Tag waren die Haare weg. Und das ist, das ist ein tiefer Einschnitt für einen jungen Menschen. Weil, .. das ist eine www.hausderdemokratie.de/unverzichtbar 15
Seite 1 und 2: Interview mit Stefan Lauter, ehemal
Seite 3 und 4: Ja, aber Anfang der achten Klasse,
Seite 5 und 6: werde, nur weil ich kein Blauhemd t
Seite 7 und 8: angehört haben. Und ja, wenn ich d
Seite 9 und 10: Ausbildung nicht fortsetzen und, un
Seite 11 und 12: folgen. Das war alles vorgeschriebe
Seite 13: habe sonntags zum Beispiel, das war
Seite 17 und 18: SL: Also wenn man überhaupt sagen
Seite 19 und 20: Das war so der Tagesablauf im Einze
Seite 21 und 22: oder Sabotage dem Jugendlichen unte
Seite 23 und 24: essen können. Und ich kann ihnen v
Seite 25 und 26: sondern ein richtiges Bett sogar mi
Seite 27 und 28: geschluckten Gegenständen, die tat
Seite 29 und 30: Kretzschmar auf, der wie gesagt, vo
Seite 31 und 32: hatte ja keine Uhr. Im Regelfall wa
Seite 33 und 34: Werkhof oder Spezialheimen verleben
Seite 35 und 36: erwähnt, dass der Regelfall der Sc
Seite 37 und 38: unterliege ich nicht den Bestimmung
Seite 39 und 40: Ausbildung, keine Weiterbildung mac
Seite 41 und 42: Hausordnung, für die verbotene Kon
Seite 43 und 44: Jugendlichen anschaut, die in staat

Transkript S. Lauter (PDF-Download) - Haus der Demokratie und ...

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Template löschen?

Als Template speichern?