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REPORTAGE<br />
Beim «Waldhaus», einem von vier Gasthäusern im Tal,<br />
machen wir erstmals Halt. Das Berghotel kommt bis<br />
heute praktisch ohne Strom aus. Seine Spezialität:<br />
Raclette vom Kaminfeuer bei Kerzenschein. Das Hotel<br />
Waldhaus und das Nebenhaus, das mit zahlreichen<br />
Kuhglocken behängt ist, gehört der Familie Aellig-<br />
Ryter. «Mindestens die vier Wirte-Familien wohnen im<br />
Sommer noch im Tal: Aellig-Ryters vom Waldhaus,<br />
Künzis vom Steinbock, Holzers vom Selden und<br />
Raubers vom Heimritz», klärt uns Jerun Vils auf.<br />
Friedlich schlendern wir weiter, es wird langsam wärmer,<br />
und die Blumenwiesen beginnen zu trocknen, als<br />
mein Begleiter versonnen verlauten lässt: «Also so<br />
einen Sommer lang im Gasterntal zu wohnen, könnt’<br />
ich mir jetzt auch noch vorstellen.»<br />
Wandern im Ueschinental vor prächtiger Kulisse: Alpschelehubel<br />
und Chlyne Loner (rechts).<br />
Kurz bevor er in den Lötschberg-Scheiteltunnel ein taucht,<br />
sind wir aus dem RegioExpress Lötschberger gestiegen<br />
und haben uns in besagtes Gasterntal aufgemacht, das<br />
im oberen Teil fast parallel zum Lötschental liegt. Nach<br />
einer kurzen Aufwärmstrecke durch die Ebene und<br />
vorbei an der Talstation der Luftseilbahn Sunnbüel,<br />
sind wir in die «Chluse» eingestiegen. Diese Klus der<br />
Kander ist die Eintrittspforte zum Gasterntal. Eine<br />
schmale, in den Fels gehauene Strasse führt uns auf<br />
rund einem Kilometer 150 Höhenmeter hinauf. «Diesen<br />
Teil der Wanderung darf man sich auf keinen Fall<br />
ent gehen lassen», sagt Jerun Vils, ehemaliger Geschäftsführer<br />
Kandertal Tourismus und heutiger Geschäftsführer<br />
des Schweizer Alpen Clubs, der uns begleitet.<br />
Dass man sich inmitten von Gletschern und hochalpinem<br />
Gebiet befindet, wird einem hier schnell klar: Steil<br />
ragen die Felswände auf beiden Seiten in die Höhe. Wer<br />
ins Gasterntal fahren will, nimmt gemäss Vils am<br />
besten den «Gasterebus»: Denn das Strässchen im Tal<br />
ist nur im Wechselverkehr befahrbar und es gibt fast<br />
keine Parkplätze.<br />
Ein Bach wie ein Wasserhahn<br />
Folgt man nach dem Waldhaus etwa zehn Minuten dem<br />
Wanderweg, sieht man auf der rechten Seite den Geltebach<br />
mitten aus einer 300 Meter hohen Felswand stürzen<br />
– wenn man denn Glück hat. «Der Bach ist wie ein<br />
Wasserhahn, den jemand auf- oder zudreht», sagt Franziska<br />
Künzi, der wir auf dem Weg begegnen. Vor allem<br />
im Frühling und Frühsommer bei Schmelzwasser sei die<br />
Wahrscheinlichkeit gross, ihn zu sehen. Aufwendige<br />
Nachforschungen haben ergeben, dass die Geltebachhöhle<br />
mindestens 1350 Meter lang ist und das Wasser<br />
vom Gletscher beim «Obere Tatelishore» stammt. Sowieso<br />
sei das Wasser sehr bestimmend für das Gasterntal,<br />
findet Franziska Künzi: «Es ist sehr eindrücklich, wenn<br />
am Tag nach einem Gewitter überall kleine und grosse<br />
Bäche über die Felswände hinab stürzen.» Dass das auch<br />
Gefahren mit sich bringt, hat sich vor zwei Jahren gezeigt,<br />
als die Kander über die Ufer trat und einen grossen Teil<br />
des Tales – vor allem auch im oberen Teil gegen den<br />
Kanderfirn – überflutet hat.<br />
Die Natur wird im Gasterntal sich selbst überlassen,<br />
links und rechts der Kander befinden sich ausgedehnte<br />
Kiesbänke. Ein ganz kleines Bisschen greifen wir dennoch<br />
ein: In unserer kurzen Pause legen wir selber Hand<br />
an und bauen eine kleine Staumauer. Stauen können wir<br />
aber nur einen kleinen Ableger der viel zu starken Kander.<br />
Franziska Künzi hat uns ans Herz gelegt, nicht allzu<br />
schnell vorwärts zu schreiten: «Links und rechts der<br />
Strasse findet man hier wunderbare, naturbelassene<br />
Plätzchen. Am besten ruht man sich auf einer Wolldecke<br />
vom Wandern oder Biken aus.» Aussergewöhnlich sei im<br />
Gasterntal auch die Flora: Im Frühsommer finde man<br />
vielerorts blühenden Frauenschuh, etwas später die<br />
Waldrebe. Wenn es aber um den genauen Ort geht, wo<br />
man den Frauenschuh sehen kann, gibt sich Franziska<br />
Künzi etwas geheimnisvoll: «Am besten fragt man im<br />
Bus oder in einem Restaurant, wo sich gerade die besten<br />
Orte befinden.»<br />
Kanderfirn oder Heimfahrt<br />
In Selden angekommen, bietet sich uns die nächste Gelegenheit<br />
fürs Nachfragen: Hier liegen das Restaurant<br />
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