1767-Die Graubündnerschen Grundgesetze von 1767
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An die «ausserordentlichen Standesversammlungen» schlossen sich<br />
regelmässig «ausserordentliche Standestribunale», die ebenfalls <strong>von</strong><br />
Ausschüssen geführt wurden. <strong>Die</strong>se ad hoc formierten Gerichtsinstanzen<br />
ahndeten Verbrechen gegen den Staat: Verstösse gegen eben jene<br />
«<strong>Grundgesetze</strong>», die <strong>von</strong> früheren «Standesversammlungen» erlassen worden<br />
waren. Vom späten<br />
S. 86: 16. bis ins späte 18. Jahrhundert ist immer wieder die gleiche<br />
Handlungssequenz zu beobachten: Versammlung - Gesetzeserlass<br />
(Verabschiedung <strong>von</strong> «Reformartikeln» und neuen Strafbestimmungen) -<br />
Gerichtssitzung (Anwendung alter, aber etwa inhaltsgleicher<br />
Strafbestimmungen).<br />
<strong>Die</strong> «Reformartikel» hatten also wehrhaften Charakter, sie waren mit<br />
Sanktionen bewehrt. Handelte es sich doch vor allem um<br />
Antikorruptionsbestimmungen, denen energisch Nachachtung verschafft<br />
werden musste. Der Kesselbrief droht bei Amtserschleichung mit Amtsverlust<br />
und Erklärung der Amtsunfähigkeit, ausserdem mit einer Strafe «an Ehr und<br />
Gut», wobei das «ausserordentliche» Strafgericht auch schon explizit<br />
vorgesehen ist.<br />
<strong>Die</strong> «Standesversammlungen» und «-tribunale» hatten die Funktion eines<br />
demokratischen Korrektivs: Mit ihrem Kampf gegen Korruption wandten sie<br />
sich gegen Machtballungen, welche stets zu Korruption verleiteten - und durch<br />
Korruption erst entstanden waren. <strong>Die</strong>sen Aspekt der populären Strafgerichte<br />
hebt Michael Valer besonders hervor, wenn er «die Bestrafung <strong>von</strong><br />
Staatsvergehen in der Republik der drei Bünde» nicht nur als eine<br />
Ausdrucksform der «mittelalterlichen Rügegerichtsbarkeit», sondern eben auch<br />
der «Demokratie in Graubünden» charakterisiert.<br />
Bei den «Standesversammlungen» und «-tribunalen», wie sie im 18.<br />
Jahrhundert genannt werden, handelt es sich ja um nichts anderes als um die<br />
schon seit dem 16. Jahrhundert bekannten «Fähnlilupfe» mit nachfolgenden<br />
Strafgerichten. Das «Fähnli» war eigentlich die Kriegsfahne, hinter der sich die<br />
Mannschaft einer Gerichtsgemeinde scharte. Militär- und Gerichtswesen<br />
deckten sich, die Gerichtsmannschaft erscheint zugleich «als richtende<br />
Gemeinde, als souveräne Volksversammlung». 38 <strong>Die</strong> Bestrafung <strong>von</strong><br />
Staatsvergehen, <strong>von</strong> Landesverrat, war «die natürlichste erste Kompetenz einer