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aber wie. Lebenskunst nach R.L., H.S. und W.S..pdf - OPUS ...

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10<br />

Diese Thesen seien jetzt erläutert <strong>und</strong> jeweils mit einer Frage verb<strong>und</strong>en, die später hilfreich sein<br />

kann, die <strong>Lebenskunst</strong>-Philosophien von Lay, Schmitz <strong>und</strong> Schmid einzuschätzen.<br />

1. These Sloterdijks: Weil der Zustand der Menschheit heute kritischer denn je ist, gilt<br />

der absolute Imperativ: „Du musst dein Leben ändern“.<br />

Sloterdijks Gr<strong>und</strong>einsicht besteht darin, dass wir nicht so weitermachen dürfen <strong>wie</strong> bisher. 8<br />

Gegenwärtig sei dies die einzige Tatsache von universaler ethischer Bedeutung. Um seinen<br />

Ausgangspunkt zu unterstreichen, nennt Sloterdijk sein Buch, mit einer Zeile von Rilke, Du musst dein<br />

Leben ändern 9 <strong>und</strong> stellt diesen Satz als ethischen bzw. absoluten Imperativ in den Mittelpunkt<br />

seines Textes. Ändern müssen wir unsere Leben, damit wir unsere immunitäre Ausstattung<br />

verbessern. Tun wird dies nicht, stehen wir als Menschheit vor dem Kollaps.<br />

Will man verstehen, was Sloterdijk meint, wenn er sich auf Immunsysteme bezieht, empfiehlt sich ein<br />

anthropologischer Rückblick. Sloterdijk begründet nämlich die prekäre Lage, in der wir uns <strong>nach</strong><br />

seiner Auffassung befinden, indem er den Menschen als weltoffenes Wesen beschreibt, das den Weg<br />

einer „hochriskante[n] biokulturelle[n] Evolution“ 10 genommen habe. Dazu geht er zurück zu einer<br />

angenommenen Ursituation des Menschen in der Savanne <strong>und</strong> zu dessen Fähigkeit, über den<br />

Horizont hinauszuschauen. Kein Tier sei dazu je in der Lage gewesen. Der Mensch bei Sloterdijk<br />

dagegen erkennt den Horizont als einen optischen Effekt, der auftritt, wenn Himmel <strong>und</strong> Erde sich<br />

berühren. Damit weiß er, dass er weitergehen <strong>und</strong> den Horizont überschreiten kann; er weiß <strong>aber</strong><br />

auch, dass sich dahinter gefährliche <strong>und</strong> überraschende Realitäten verbergen können. In jener<br />

Beispiels-Szene tritt jetzt das Raubtier auf, welches das Leben des Savannen-Menschen unter<br />

Umständen bedrohen wird; der Tiger, der im Moment noch nicht zu sehen ist, <strong>aber</strong> jederzeit<br />

überraschend in das Sichtfeld <strong>und</strong> in das Leben hereinbrechen kann. 11<br />

Um überleben zu können, mussten Menschen darauf gefasst sein, dass es zu solchen Ereignissen<br />

kommen konnte. Sie mussten Lebenskompetenz oder, mit Sloterdijks Ausdruck, „existentielle<br />

Fitness“ entwickeln, <strong>und</strong> dies nicht nur, um mit Raubtieren, sondern um mit allen möglichen<br />

Überraschungen <strong>und</strong> Gefährdungen umgehen zu können. In H<strong>und</strong>erttausenden von Jahren haben sie<br />

dazu, so Sloterdijk, „eingeschliffene Systeme von Antizipationen“ entwickelt,<br />

Verletzungserwartungen, die sich auf Ereignisse beziehen, welche „eintreten können, ohne<br />

unbedingt eintreten zu müssen“. Solche Antizipationshilfen bezeichnet er als symbolische<br />

Immunsysteme. 12 Sie können mental-bildhaft sein <strong>und</strong> sie können als soziale oder globale<br />

8 Sloterdijk 2009a, S. 699.<br />

9 Archaïscher Torso Apollos (in Der neuen Gedichte anderer Teil, 1 1908), s. Rilke 1986, S. 503. In Sloterdijk<br />

2009a, S. 37-51, stellt Sloterdijk eine Exegese des Gedichtes <strong>und</strong> besonders der letzten fünf Worte – „Du musst<br />

dein Leben ändern“ – vor.<br />

10 Dieses <strong>und</strong> die folgenden Zitate auf dieser Seite: Sloterdijk / Wiebicke 2009.<br />

11 Vgl. ebd.<br />

12 Die Immunitätstheorie ist Sloterdijk außerordentlich wichtig. Er unterstreicht (Sloterdijk 2012, S. 511), dass es<br />

sich um eine – seine – Lehre handele, die philosophisch von enormer Bedeutung sei: „Die Massivität des Motivs<br />

Immunität […] läßt sich daran ablesen, daß das Im-voraus-auf-Schaden-gefaßt-Sein eine evolutionäre Konstante

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