aber wie. Lebenskunst nach R.L., H.S. und W.S..pdf - OPUS ...
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Übungsvorganges [...] im neurologischen Apparat“ 24 , wo der Glaubende immer aufs neue<br />
Glaubensthesen oder dogmatische Sätze durchspiele. Tue er das nicht regelmäßig, dann verblassten<br />
die Überzeugungen.<br />
Dies <strong>aber</strong> gilt nicht nur für Religionen, sondern ebenso für philosophische Anleitungen zum richtigen<br />
Leben. Auch philosophische Sätze, Einsichten oder Erkenntnisse müssen eingeübt werden, damit sie<br />
ihre immunisierende Wirkung gegen die Fährnisse der Welt <strong>und</strong> des Lebens entfalten können – etwa<br />
gegen das, was einmal der Tiger in der Savanne war. Hannes Böhringer erklärt, dass bereits in der<br />
Antike auf diese Weise geübt worden sei:<br />
„Indem der Philosophierende […] Sätze […] aus Epiktets Handbüchlein der Moral<br />
unablässig meditiert, bereitet er sich innerlich auf alle möglichen Situationen des Lebens<br />
<strong>und</strong> letzten Endes auf den Tod vor. So kann er philosophisch schlagfertig reagieren […].<br />
Der Topik der Lebenssituationen, der Peristasen, wird eine Topik der philosophischen<br />
Antworten entgegengesetzt. Es kommt also darauf an, die Situationen rechtzeitig zu<br />
erkennen <strong>und</strong> die passenden Antworten, vorher eingeübt, parat zu haben.“ 25<br />
Folgt man Böhringer <strong>und</strong> Sloterdijk, geht es hier darum, qua Lektüre zu üben; sich als Lesender zu<br />
stabilisieren. Insofern liegt es nahe, auch die <strong>Lebenskunst</strong>-Vorschläge von Schmitz, Lay <strong>und</strong> Schmid<br />
als philosophische Beiträge zu jener Immunisierung zu betrachten, die Sloterdijk als existentiell<br />
notwendig bezeichnet. Damit stellt sich eine weitere Frage, die im Folgenden im Auge zu behalten<br />
sein wird:<br />
Eignen sich die Lehren der drei Philosophen dazu, das zu leisten, was früher Religionen leisten<br />
konnten: den Leser als Lesenden zu unterstützen bei seiner symbolischen Immunisierung gegen<br />
Lebensrisiken?<br />
4. These Sloterdijks: Ein richtiges Leben benötigt Vertikalspannung, d.h. eine autonome<br />
Ausrichtung <strong>nach</strong> oben.<br />
In Du musst dein Leben ändern lädt Sloterdijk zu einer Expedition in das wenig erforschte Universum<br />
der menschlichen Vertikalspannungen 26 ein. Mit diesem Wort, „Vertikalspannung“, ist ein weiterer<br />
Begriff genannt, der im Folgenden wichtig wird. Vor dem Hintergr<strong>und</strong> der Sloterdijk-Lektüre scheint<br />
er geradezu unverzichtbar zu sein, wenn es um die Frage geht, <strong>wie</strong> man richtig leben könne. Denn<br />
wer sich, so Sloterdijk, nicht unter Vertikalspannung befindet, der wird auch nicht sein Leben ändern.<br />
Die meisten Menschen im Westen seien allerdings in einem bestürzenden Ausmaß von all dem<br />
entfernt, was einmal Vertikalspannung gewesen sei. Auf die Frage: „Läuft das darauf hinaus, dass Sie<br />
sagen, wir haben heute einen Mangel an Vertikalspannung? Wir überhören diesen Ruf ‚Du musst<br />
dein Leben ändern‘?“, gibt der Philosoph zu Protokoll:<br />
24 Sloterdijk / Wiebicke 2009.<br />
25 Böhringer 1987, S. 10.<br />
26 Sloterdijk 2009a, S. 28.