Geschichtliches Grundlagen der Versicherungsaufsicht
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• Abschluss und Auslegung des Versicherungsvertrages<br />
Beim Abschluss ergänzen und durchdringen sich die allgemeinen Regeln des OR und die speziellen Regeln des VVG<br />
gegenseitig.<br />
1. Antrag<br />
Der Antrag zum Abschluss eines Versicherungsvertrages geht i.a.R. vom Versicherungsinteressenten aus. In <strong>der</strong> Praxis wird ein<br />
Antragsschein verwendet, <strong>der</strong> die objektiv wesentlichen Vertragspunkte beinhaltet.<br />
Daneben hat <strong>der</strong> Antragsteller anhand dieses Antragsscheines bestimmte Angaben über die individuelle Beschaffenheit des in<br />
Frage stehenden Risikos zu treffen. Sie bilden aber keinen notwendigen Bestandteil des Versicherungsantrages, son<strong>der</strong>n<br />
erfolgen in Erfüllung <strong>der</strong> gesetzlichen Antwortpflicht des Versicherungsinteressenten, VVG 4 I. Der Antrag ist daher auch unter<br />
<strong>der</strong> Voraussetzung inhaltlich vollständig, dass <strong>der</strong> Antragsteller über die individuelle Beschaffenheit des Risikos keine Angaben<br />
macht bzw. zu machen hat.<br />
Die AVB müssen entwe<strong>der</strong> im Antragschein enthalten sein o<strong>der</strong> dem Antragsteller vor Einreichung des Antrages übergeben<br />
worden sein, an<strong>der</strong>enfalls <strong>der</strong> Antrag unverbindlich ist, VVG 3 I und II. 7 Sie sind somit Gültigkeitsvoraussetzungen des Antrags.<br />
Antragserklärungen, die AVB wi<strong>der</strong>sprechen, gehen als Spezialregelungen diesen vor.<br />
2. Wirksamkeit<br />
Da das VVG keine Formvorschriften aufstellt, gilt OR 11, wonach Verträge – Formvorschriften vorbehalten- formfrei gültig sind.<br />
Da <strong>der</strong> Versicherungsvertrag gesetzlich an keine Form geknüpft ist, braucht auch <strong>der</strong> Antrag, um wirksam zu sein, keiner<br />
Formvorschrift zu genügen.<br />
Die Verwendung von Antragsscheinen in <strong>der</strong> Praxis alleine bedeutet noch nicht die Vereinbarung <strong>der</strong> Schriftform; auch schliesst<br />
dies nicht aus, dass <strong>der</strong> Antragsteller zu wesentlichen Vertragspunkten neben den schriftlichen noch ergänzende o<strong>der</strong><br />
modifizierende mündliche Erklärungen abgeben kann.<br />
Zur Wirksamkeit gehört ferner, dass <strong>der</strong> Antrag gegenüber dem VR gestellt wird; erst mit dem Erreichen bzw. Eintreffen des<br />
Antrages beim VR wird dieser annahmefähig. Der Antrag stellt seiner Natur nach eine empfangsbedürftige Willenserklärung dar.<br />
Für die Entgegennahme des Antrages ist je<strong>der</strong> Agent ermächtigt, VVG 3 I und 44 III; für die Beurteilung durch Annahme o<strong>der</strong><br />
Ablehnung aber nur <strong>der</strong> VR o<strong>der</strong> sein Abschlussagent.<br />
Eine weitere Voraussetzung für die Wirksamkeit des Antrages ist die Übergabe <strong>der</strong> AVB, VVG 3 II.<br />
Wird <strong>der</strong> Antrag, einen bestehenden Vertrag zu verlängern o<strong>der</strong> abzuän<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> einen suspendierten Vertrag wie<strong>der</strong> in Kraft zu<br />
setzen, vom Versicherer nicht binnen 14 Tage abgelehnt, so gilt er als angenommen, VVG 2 I; bei Notwendigkeit einer ärztlichen<br />
Untersuchung binnen 4 Wochen.<br />
3. Gebundenheit<br />
Versicherungsnehmer als Antragsteller<br />
Die Gebundenheit des Antragstellers hat eine erhebliche rechtliche Bedeutung. Mit dem Eintritt <strong>der</strong> Gebundenheit besteht für den<br />
VN keine Möglichkeit mehr, den Versicherungsantrag zu wi<strong>der</strong>rufen. Die Gebundenheit des Antragstellers ordnet VVG 1 zunächst<br />
hinsichtlich des Beginns abweichend vom OR.<br />
Nach OR beginnt die Gebundenheit mit dem Zeitpunkt, in dem <strong>der</strong> Antrag beim Adressaten eintrifft, OR 3 II, 5 I – 3, 9 OR.<br />
Gemäss VVG beginnt die Gebundenheit aber bereits mit <strong>der</strong> Übergabe o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Absendung des Antrages an den<br />
Versicherer, VVG 1 III. Der VN soll dadurch in <strong>der</strong> Lage sein, den Zeitpunkt genau zu bestimmen.<br />
Die Dauer <strong>der</strong> Gebundenheit des Antragstellers ist im VVG wie<strong>der</strong>um abweichend vom OR geregelt, OR 4 und 5. VVG 1 I setzt<br />
eine Bindungsfrist von 14 Tagen für Versicherungsverträge im Allgemeinen, eine vierwöchige Frist, VVG 1 II, ist vorgesehen für<br />
Anträge, die auf den Abschluss einer Versicherung mit ärztlicher Untersuchung gerichtet sind.<br />
Versicherer als Antragsteller<br />
In <strong>der</strong> Regel tritt <strong>der</strong> spätere Versicherungsnehmer als Antragsteller auf. Ausnahmsweise kann die Initiative auch vom VR<br />
ausgehen, bspw. Anträge des VR an einen unbestimmten Personenkreis: Ticket- und Automatenversicherung usw.<br />
Nicht selten stellt aber eine Erklärung des VR, die äusserlich den Charakter einer Annahmeerklärung hat, einen Antrag<br />
seinerseits dar, insbeson<strong>der</strong>e wenn <strong>der</strong> Antrag des VN nicht vollständig o<strong>der</strong> nicht verbindlich ist, bspw. wenn <strong>der</strong> Agent es<br />
unterlässt, die AVB zu übergeben; <strong>der</strong> VR den Inhalt des Antrages modifiziert o<strong>der</strong> seine Annahmeerklärung verspätet eintrifft.<br />
Geht <strong>der</strong> Antrag daher vom VR aus, ist die Frage des Beginns <strong>der</strong> Gebundenheit nach den allgemeinen obligationenrechtlichen<br />
Regeln zu bestimmen. Danach beginnt die Gebundenheit des VR als Antragsteller grundsätzlich mit dem Zeitpunkt, in dem <strong>der</strong><br />
Antrag beim VN eintrifft, OR 9 I.<br />
Auch für die Dauer <strong>der</strong> Gebundenheit des VR als Antragsteller gelten die Bestimmungen des AT OR.<br />
4. Erlöschen des Antrages<br />
Durch Wi<strong>der</strong>ruf: Bis zum Beginn <strong>der</strong> Gebundenheit des Antragstellers kann dieser den Antrag wi<strong>der</strong>rufen.<br />
Durch Ablehnung: Der Antrag des VN erlischt, wenn er vom VR abgelehnt wird. Ablehnung liegt nicht nur vor, wenn <strong>der</strong> VR den<br />
Antrag schlechthin ablehnt, son<strong>der</strong>n auch dann, wenn <strong>der</strong> VR diesen in modifizierter Form annimmt.<br />
Ablauf Frist: Trifft die Annahmeerklärung des VR beim Antragsteller nicht vor Ablauf <strong>der</strong> Bindungsfrist – also nicht rechtzeitig<br />
– ein, so ist <strong>der</strong> Antragsteller nach VVG 1 IV wie<strong>der</strong> frei. Massgeben<strong>der</strong> Zeitpunkt ist das Eintreffen beim<br />
Antragsteller in dessen Herrschaftsbereich.<br />
7<br />
Allerdings VAS XIV Nr. 3 S. 9: Der Versicherungsvertrag kommt trotz Verstoss gegen VVG 3 zustande, dass <strong>der</strong> VR dem VN die<br />
Police zustellt, wobei diese Zustellung nicht eine Antragsannahme, son<strong>der</strong>n eine Offerte darstellt, die – wird sie angenommen – <strong>der</strong><br />
VV aufgrund <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Police genannten Bedingungen abgeschlossen gilt.