Geschichtliches Grundlagen der Versicherungsaufsicht
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4. Obliegenheiten des Versicherungsnehmers<br />
Die Obliegenheit ist im Gegensatz zum OR im VVG ein gesetzlicher Begriff, VVG 45 I. Obliegenheiten beinhalten allerdings nicht<br />
nur eigentliche Rechtspflichten, d.h. Pflichten, <strong>der</strong>en Ausbleiben Ansprüche gemäss OR 97 einräumen; son<strong>der</strong>n beinhaltetn auch<br />
diejenigen Pflichten, die bei Nichterfüllen nur Rechtsfolgen beson<strong>der</strong>er Art für den Verpflichteten nach sich ziehen. Dies sind<br />
Pflichten, die vom Verpflichteten in seinem eigenen Interesse, zur Vermeidung eines beson<strong>der</strong>s gearteten Rechtsnachteils,<br />
befolgt werden.<br />
Es ist in jedem Fall, wo das Gesetz o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Vertrag von einer Obliegenheit spricht und die Folgen <strong>der</strong> Missachtung nicht<br />
präzisiert, unter Würdigung aller Umstände zu prüfen, ob eine klagbare, bei Nichtbeachtung mit Schadenersatzfolgen<br />
verbundene obligatorische Verbindlichkeit i.S.v. OR 97 ff. vorliegt, o<strong>der</strong> ob es sich um eine Verpflichtung handelt die mit<br />
diesen Rechtsfolgen nicht o<strong>der</strong> nur mit einzelnen davon verbunden ist.<br />
Nach VVG 45 ist nach erfolgter Verletzung von Obliegenheiten unter gewissen Voraussetzungen eine Exkulpationsmöglichkeit<br />
vorgesehen. Er fasst allgemein diejenigen Obliegenheiten ins Auge, für <strong>der</strong>en Verletzung vertraglich ein Rechtsnachteil<br />
vorgesehen ist, sich somit für den Versicherungsnehmer ökonomisch nachteilig auswirken.<br />
VVG 45 I bestimmt, dass dieser vereinbarte Rechtsnachteil nicht eintritt, wenn die Verletzung <strong>der</strong> Obliegenheit den Umständen<br />
nach als unverschuldet anzusehen ist.<br />
VVG 45 I:<br />
VVG 45 III:<br />
Regelung für vertraglich vereinbarte Rechtsnachteile<br />
Regelung für vertraglich und gesetzlich vorgesehene Rechtsnachteile<br />
VVG 45 III kommt zur Anwendung, wenn die Verletzung <strong>der</strong> Obliegenheit in einer Fristversäumnis besteht, die mit <strong>der</strong> Verwirkung<br />
eines Rechts aus <strong>der</strong> Versicherung verbunden ist, sog. Anspruchsbefristung durch Vereinbarung einer Ausschluss- o<strong>der</strong><br />
Präklusionsfrist. Hat eine Fristversäumnis die Verwirkung eines Anspruchs aus <strong>der</strong> Versicherung zur Folge, räumt VVG 45 III dem<br />
Träger <strong>der</strong> betroffenen Obliegenheit das Recht ein, die ohne Verschulden versäumte Handlung nach Beseitigung des<br />
Hin<strong>der</strong>nisses sofort nachzuholen.<br />
• Typische versicherungsrechtliche Elemente<br />
1. Versicherte Gefahr<br />
Die versicherte Gefahr ist die Möglichkeit des ungewissen befürchteten Ereignisses in <strong>der</strong> Zukunft.<br />
Der Versicherer hat das Risiko bei Vertragsabschluss für die ganze Dauer des Versicherungsvertrages zu würdigen. Wandelbare<br />
Gefahrstatsachen unterliegen möglicherweise einer dem Vertragsschluss folgenden Än<strong>der</strong>ung; bspw. Nachbarschaft, berufliche<br />
Tätigkeit, die sich nach Vertragsschluss än<strong>der</strong>n können.<br />
Ihnen gegenüber stehen die unwandelbaren Gefahrstatsachen wie Alter, durchlebte Krankheiten usw.<br />
Die wandelbaren Gefahrstatsachen können entwe<strong>der</strong> in die Risikokalkulation einfliessen o<strong>der</strong> aber mittels Ausschlussklauseln<br />
ausgeschlossen werden.<br />
Anzeigepflicht<br />
Den Versicherungsnehmer trifft die Anzeigepflicht, die die offene Darlegung <strong>der</strong> für die Wertung des Risikos erheblichen<br />
Tatsachen sichert. Infolge einer Anzeigepflichtverletzung kann <strong>der</strong> Versicherer nach VVG 6 innert 4 Wochen seit Kenntnis <strong>der</strong><br />
Verletzung ex tunc zurücktreten; die Prämien verfallen dem Versicherer, <strong>der</strong> Versicherungsnehmer muss erhaltene Leistungen<br />
zurückbezahlen.<br />
Gefahrstatsachen, die nach Einreichung des Antrages, aber vor dessen Annahme eintreten, fallen auch noch unter die<br />
Anzeigepflicht und sind im Nachgang zu melden. Gefahrstatsachen müssen also bis zum Vertragsschluss gemeldet werden.<br />
Der Antragsteller hat seine Antworten schriftlich mitzuteilen. Entgegen dem Wortlaut von VVG 6 soll <strong>der</strong> Versicherer nur<br />
zurücktreten können, wenn <strong>der</strong> Antragsteller die Gefahrsdeklaration eigenhändig unterzeichnet hat. Dies ist nur sinnvoll, wenn<br />
<strong>der</strong> Antrag vom künftigen Versicherungsnehmer ausging.<br />
Geht <strong>der</strong> Antrag jedoch vom Versicherer aus, besteht keine Bindung des Versicherungsnehmers, <strong>der</strong> über dessen Annahme o<strong>der</strong><br />
Ablehnung vielmehr frei entscheiden kann; es ist deshalb nicht notwendig, dass <strong>der</strong> künftige Versicherungsnehmer den ihm<br />
zugestellten schriftlichen Antrag des Versicherers, in dem das Ergebnis <strong>der</strong> telefonisch erfolgten Gefahrsdeklaration schriftlich<br />
aufgezeichnet ist, noch eigenhändig signiert.<br />
Die Pflicht zur Erklärung trifft den Antragsteller; bei einer Versicherung für fremde Rechnung sind gemäss VVG 5 II auch<br />
diejenigen erheblichen Gefahrstatsachen anzuzeigen, die dem versicherten Dritten selbst o<strong>der</strong> seinem Beauftragten bekannt sind<br />
o<strong>der</strong> bekannt sein müssten.<br />
Inhalt und Umfang<br />
Welche Tatsachen dem Antragsteller i.S.v. VVG 4 I und II bekannt sein müssen, ist sowohl nach den objektiven wie auch<br />
subjektiven Kriterien zu beurteilen. Es kommt auf die Umstände des einzelnen Falles an, insbeson<strong>der</strong>e die persönlichen<br />
Eigenschaften wie Intelligenz, Bildungsgrad, Erfahrung und die persönlichen Verhältnisse.<br />
Es sind nur Tatsachen anzuzeigen, die für die Beurteilung <strong>der</strong> Gefahr in Betracht fallen o<strong>der</strong> geeignet sind, den Versicherer über<br />
den Umfang des zu deckenden Risikos aufzuklären. Nach VVG 4 III werden Gefahrstatsachen, auf welche die schriftlichen<br />
Fragen des Versicherers gerichtet sind (bestimmt, unzweideutig) als erheblich vermutet. Anwendungsbereich VVG 4 I:<br />
• Gefahrstatsachen, nach denen nicht in <strong>der</strong> gesetzlich vorgeschriebenen Form gefragt wird, fallen ausser Betracht, da<br />
sie überhaupt nicht anzeigepflichtig sind, VVG 4 I ist allerdings dispositiver Natur.<br />
• Damit Gefahrstatsachen, nach denen in gehöriger Form gefragt wird, als erheblich vermutet werden, müssen die Fragen<br />
in bestimmter, unzweideutiger Fassung auf die Gefahrstatsachen gerichtet sein, sich also auf bestimmte, klar<br />
umschriebene Tatsachen beziehen. Der Anzeigepflichtige soll über den Inhalt und den Umfang <strong>der</strong> von ihm gefor<strong>der</strong>ten<br />
Angaben verständlicherweise nicht im Zweifel sein.<br />
• E contrario lässt sich daraus nicht schlussfolgern, dass alles, wonach nicht in bestimmter, unzweideutiger Weise gefragt<br />
wurde, unerheblich sei. Der Versicherer geht dabei nur seiner beweisrechtlichen Vermutung verlustig