Fortsetzung folgt - Der Fels
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Atermane bei Kosakentreffen ihre<br />
Säbel ziehen, bringen sie ihr Hoch<br />
noch immer auf den 1918 ermordeten<br />
Zaren Nikolaus II. aus.<br />
Ein Hauch Romantik, ein Hauch<br />
Nostalgie - nur wenige Russen können<br />
sich dem entziehen. Die junge<br />
Politikergeneration, die Jelzin nach<br />
seinen Krankheiten in die Regierung<br />
berufen hat, kann es. Anatolij Tschubajs<br />
und Boris Nemzow, die beide zu<br />
Ersten Stellvertretenden Ministerpräsidenten<br />
berufen wurden, sollen die<br />
nächste Etappe der Reformen durchsetzen<br />
und zwar gegen die kommunistisch<br />
und nationalpatriotisch dominierte<br />
Staatsduma (unserem Bundestag<br />
vergleichbar). Das Oberhaus, der<br />
Förderativrat (unserem Bundesrat vergleichbar),<br />
dürfte weniger Schwierigkeiten<br />
bereiten. Die Mitglieder, die<br />
Regierungschefs der selbständigen<br />
Republiken und Autonomen Gebiete<br />
(Regionen), wurden bisher vom Präsidenten<br />
ernannt und waren folglich<br />
eine Bastion der Regierung, die von<br />
der Duma beschlossenen Gesetze zu<br />
Fall bringen konnte. Vor etwa einem<br />
halben Jahr begannen erstmals Wahlen<br />
in den Regionen, die über den Vorsitz<br />
entschieden. In zahlreichen Regionen<br />
sind dabei Kommunisten oder<br />
Patrioten an die Spitze gewählt worden,<br />
im ganzen gesehen überwiegen<br />
aber noch immer die Jelzin-Anhänger.<br />
In konkreten Fällen ist jedoch der<br />
Ausgang einer Abstimmung ungewiß,<br />
denn die Wähler suchten ihre<br />
Regierungsvorsitzenden nicht nur<br />
nach ihrer Parteizugehörigkeit aus,<br />
sondern danach, wie sie im Senat die<br />
Belange ihrer Region vertreten würden,<br />
und diese Einstellung muß nicht<br />
unbedingt in jedem Fall mit der der<br />
Regierung zusammenfallen.<br />
Neues Religionsgesetz und Patriotismus<br />
Das gilt sicherlich für die nun wieder<br />
anstehende neue Religionsgesetzgebung.<br />
Mehr als je zuvor wird sie<br />
vom „Patriotismus“ beeinflußt, in dessen<br />
Horn der verbleibende Kommunismus<br />
bläst. Dieser entspricht nämlich<br />
längst nicht mehr den Postulaten<br />
des Staatsgründers; zudem ist er in<br />
Richtungskämpfen zersplittert und<br />
wird nur mühsam unter dem gemeinsamen<br />
Dach von Gennadij Sjuganow<br />
zusammengehalten. Die einzige von<br />
Lenins „Anweisungen zum Handeln“,<br />
die von seinen heutigen Genossen<br />
noch be<strong>folgt</strong> wird, ist die des Pragmatismus.<br />
Die Kommunisten aller<br />
Richtungen passen sich den jeweiligen<br />
Zweckmäßigkeiten willig an. Und<br />
da die orthodoxe Kirche derzeit hoch<br />
im Kurs steht, wird sie von den Nachkommen<br />
der „kämpferischen Gottlosen“<br />
hofiert und bereitwillig in ihren<br />
Bestrebungen unterstützt.<br />
Diese Bestrebungen richten sich<br />
nach wie vor auf eine neue Religionsgesetzgebung,<br />
die ihrerseits aber die<br />
Sektengefahr etwas in den Hintergrund<br />
stellt. Denn die Zeiten haben<br />
sich in den letzten vier Jahren zugunsten<br />
der ROK verändert. Ihre Position<br />
ist weitgehend gefestigt. Sie konnte<br />
Verträge über Zusammenarbeit mit<br />
dem Innen- und Verteidigungsministerium<br />
abschließen; mit anderen Behörden<br />
sind Vereinbarungen getroffen<br />
oder eingeleitet. Ihr ist als einziger<br />
Religionsgemeinschaft Militärseelsorge<br />
erlaubt. Angriffe auf die Russische<br />
Kirche, ja auch nur Widerspruch,<br />
ist inopportun und unterbleibt weitgehend<br />
in den Medien. Von angemieteten<br />
Sportstadien und entsprechenden<br />
Massenveranstaltungen ist keine<br />
Rede mehr. Rundfunk und Fernsehen<br />
bringen höchstens noch kritische Sendungen<br />
zu Sekten.<br />
Wenn sich also die Sektenproblematik<br />
sozusagen in einer gesunden<br />
Entwicklung zu einem periphären<br />
Problem reduziert hat, wäre eine Veränderung<br />
des bestehenden Gesetzes<br />
wahrscheinlich keine Verbesserung,<br />
auf jeden Fall keine Notwendigkeit<br />
mehr.<br />
Aber die Situation stellt sich derzeit<br />
anders dar. Die Stoßrichtung zielt<br />
in erster Linie auf die katholische Kirche,<br />
obwohl sie als eine verschwindend<br />
kleine Minderheit gegenüber der<br />
orthodoxen gelten muß. Laut Bekanntgabe<br />
des russischen Justizministeriums,<br />
das die Registrierungen (Zulassungen)<br />
der Religionsgemeinschaften<br />
vornimmt, waren am 1. Januar<br />
1997 an russisch-Orthodoxen Vereinigungen<br />
(Pfarreien, Klöster und andere<br />
kirchliche Einrichtungen) 8002<br />
registriert, an entsprechenden katholischen<br />
waren es 206. Zum Vergleich:<br />
Die Evangeliumschristen-Baptisten<br />
besitzen 717 Einrichtungen, die Adventisten<br />
271, die Lutheraner 159, die<br />
Juden 85, die Buddhisten 149, der Islam<br />
bringt es auf 2738 religiöse Organe.<br />
Insgesamt waren zu diesem<br />
Zeitpunkt 14688 derartige zugelassene<br />
Zentren beim Justizministerium<br />
registriert.<br />
Die Stoßrichtung zielt auf die<br />
katholische Kirche<br />
Die ständigen Klagen des Patriarchen<br />
über das Abwerben von Russen zur<br />
katholischen Kirche durch katholische<br />
Priester entbehrt also ganz real eigentlich<br />
jeder Grundlage. Zudem sind bereits<br />
am 1. Juni 1992 vom Vatikan<br />
Richtlinien für die Evangelisierung<br />
und das ökumenische Verhalten speziell<br />
für Rußland und die anderen Länder<br />
der GUS erlassen worden, in denen<br />
es unter anderem heißt: „Unter<br />
voller Achtung der Religionsfreiheit...<br />
sollen die Bischöfe und Priester sehr<br />
sorgfältig die Beweggründe derer, die<br />
der katholischen Kirche beitreten<br />
wollen, abwägen und sie auch dazu<br />
bringen, sich ihrer Verpflichtungen<br />
gegenüber ihrer Ursprungsgemeinschaft<br />
bewußt zu werden.“ Aber derartige<br />
Anweisungen, die sehr wohl in<br />
Moskau bekannt sind, finden dort<br />
kaum Beachtung, zu schweigen von<br />
der Enzyklika „Ut unum sint“, in der<br />
Papst Johannes Paul II. sich in besonderem<br />
Maße der Orthodoxie zuwendet.<br />
In der neuen Religionsgesetzgebung,<br />
die derzeit heftig umstritten<br />
ist, spielt weniger der „Sitz im Ausland“<br />
bei einer Religionsgemeinschaft<br />
die entscheidende Rolle als vielmehr<br />
ihre „Traditionalität in Rußland“.<br />
Letzterer Begriff ist bisher allerdings<br />
noch nicht geklärt worden. Alexander<br />
Lebed, der wenige Monate amtierende<br />
Sicherheitschef, erklärte kürzlich,<br />
dazu könnten nur die ROK, der Buddhismus<br />
und der Islam gerechnet werden.<br />
Andere Stimmen beziehen auch<br />
den Judaismus ein. Wann die „Tradition“<br />
in Rußland beginnt, ist ebenfalls<br />
offen. Da die Jesuiten beispielsweise<br />
schon von Zar Iwan IV., dem<br />
„Schrecklichen“, Mitte des 16. Jahrhunderts<br />
ins Land gerufen wurden,<br />
wird man ihnen wohl kaum eine gewisse<br />
traditionelle Anwesenheit in<br />
Rußland absprechen können. Aber das<br />
beharrliche Offenlassen der Definition<br />
muß zur Vorsicht mahnen. Im Augenblick<br />
benötigt die ROK die finanziellen<br />
Zuwendungen durch die westlichen<br />
Kirchen und wird nicht geneigt<br />
sein, sie aus ihrem Land auszuschließen.<br />
Als 1994 in der russisch-orthodoxen<br />
Bischofssynode darüber abge-<br />
DER FELS 7-8/1997 213