Fortsetzung folgt - Der Fels
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stimmt wurde, ob die Kirche aus dem<br />
Weltrat der Kirchen austreten solle,<br />
ergab sich zunächst eine Mehrheit für<br />
diesen Austritt. Erst als Patriarch<br />
Alexij II. klarmachte, was für finanzielle<br />
Einbußen das bedeuten würde,<br />
kam es zur entgegengesetzten Entscheidung.<br />
Aber mit wachsender Finanzkraft<br />
der ROK kann sich diese<br />
Einstellung ändern.<br />
<strong>Der</strong> letzte Entwurf eines neuen<br />
Religionsgesetzes wurde in der Duma<br />
am 26. Dezember 1996 angenommen.<br />
Aber schon auf der Sitzung des Runden<br />
Tisches am 27. Dezember wurden<br />
Verbesserungen der Fassung gefordert.<br />
An dem Runden Tisch nahmen<br />
unter anderen Vertreter des<br />
Duma-Ausschusses für Menschenrechte<br />
und des Rates für das Zusammenwirken<br />
mit den religiösen Vereinigungen<br />
beim russischen Präsidenten<br />
sowie Mitglieder der Arbeitsgruppe<br />
für die religiöse Gesetzgebung teil.<br />
Die neuen Forderungen laufen auf<br />
eine Sonderstellung der ROK hinaus,<br />
die durch das neue Gesetz juristisch<br />
fixiert werden soll. „Die Bedeutung<br />
dieses Gesetzes liegt in der Wasserscheide<br />
zwischen den traditionell in<br />
Rußland existierenden und den andern<br />
religiösen Vereinigungen,“ erklärte A.<br />
Loginow, Leiter der Präsidialverwaltung<br />
für das Zusammenwirken mit<br />
den politischen Parteien und den gesellschaftlichen<br />
und religiösen Vereinigungen.<br />
„Das würde uns erlauben“,<br />
fährt er fort, „durch eine Reihe von<br />
Regierungsakten und Richtsätzen eine<br />
konsequente Position einzunehmen,<br />
die das Recht der Russischen Orthodoxen<br />
Kirche in erster Linie verteidigt.“<br />
(zitiert nach Natalja Babasjan<br />
„Kampf für den »traditionellen Status«<br />
und seine Motive“, in „Russkaja<br />
Mysl“ vom 31.1.97)<br />
<strong>Der</strong> Kampf um die Religionsgesetzgebung<br />
ist noch nicht entschieden.<br />
Er wird auf verschiedenen Ebenen,<br />
teilweise erbittert geführt. Das<br />
„Gesellschaftliche Komitee zum<br />
Schutz der Gewissensfreiheit“ unter<br />
dem orthodoxen Priester und früheren<br />
Gewissensgefangenen Gleb<br />
Jakunin trägt den Streit um die religiösen<br />
Freiheiten in Rußland vor Gericht<br />
aus. Verklagt ist Erzprister Alexander<br />
Dworkin, Leiter des<br />
Informations- und Beratungszentrums<br />
im Moskauer Patriarchat, wegen seiner<br />
Broschüre „Zehn Fragen an die<br />
lästigen Fremden oder Lehrbuch für<br />
die, die nicht angeworben werden<br />
wollen“. <strong>Der</strong> Inhalt richtet sich gegen<br />
die sogenannten „totalitären Sekten“.<br />
Dabei warf er allerdings Baptisten und<br />
andere evangelikale Gemeinschaften<br />
mit der japanischen Aum-Sekte in einen<br />
Topf. Es wird also auf allen Seiten<br />
mit harten Bandagen gekämpft,<br />
und diese Auseinandersetzungen finden<br />
reichen Niederschlag in den Medien.<br />
Religion ist in Rußland, anders<br />
als bei uns, ein „In-Thema“. Angemerkt<br />
sei noch, daß über Jakunin bei<br />
der jüngsten Bischofssynode das<br />
Anathema verhängt wurde, freilich<br />
mit anderer Begründung als seiner<br />
Klage gegen Dworkin.<br />
In einer solchen Phase ist Toleranz<br />
kaum zu erwarten, eher diplomatisches<br />
Hinauszögern irgendwelcher<br />
Entscheidungen. Die Katholische Kirche<br />
hat bisher ihre Position behalten,<br />
ja sogar nach Versicherungen der beiden<br />
Bischöfe, festigen können. Die<br />
ökumenischen Beziehungen seien<br />
verbessert, erklären beide unabhängig<br />
voneinander. Das gilt jedoch eher für<br />
die Kirchenleitung als für die Bevölkerung,<br />
die sich immer mehr dem<br />
Patriotismus hingibt. Schließlich kann<br />
Vater Alexander Men’, geb. 21.1.1935,<br />
ein Mann jüdischer Herkunft, der<br />
zunächst Biologie studierte und dann<br />
ein russisch-orthodoxer Priester mit<br />
außerordentlicher Ausstrahlung<br />
wurde. Am 9. September 1990 wurde<br />
er auf dem Weg zum Gottesdienst mit<br />
einem Beil erschlagen.<br />
das Patriarchat diese Entwicklung<br />
nicht ignorieren. Aber es sollte auch<br />
jenen Kreisen Beachtung schenken,<br />
die zu einer echten Ökumene mit der<br />
katholischen „Schwesterkirche“ bereit<br />
sind. Und auch diese sind nicht<br />
eben klein, nur zurückhaltender in ihren<br />
Äußerungen, während ihre Gegner<br />
sie lauthals öffentlich angreifen.<br />
Den größten diesbezüglichen Einfluß<br />
hatte und hat posthum noch immer<br />
Erzpriester Alexander Men. Er<br />
wurde am 9. September 1990 auf dem<br />
Weg zum Sonntagsgottesdienst mit<br />
einem Beil erschlagen. <strong>Der</strong> Mord ist<br />
noch immer unaufgeklärt. Vater Alexander<br />
setzte sich, ohne von den Überzeugungen<br />
seiner Kirche abzuweichen,<br />
stets für größte religiöse Toleranz<br />
ein und wies in seinen zahlreichen<br />
Schriften auf die Gemeinsamkeiten<br />
mit der „Römischen Kirche“ hin.<br />
Sein Vermächtnis wirkt weiter, es<br />
zieht immer größere Kreise. Ebenfalls<br />
großen positiven Einfluß auf die ökumenische<br />
Entwicklung in Rußland hat<br />
Pater Werenfried van Straaten. Neben<br />
vielen anderen Initiativen hat er mit<br />
Hilfe seiner Hilfsorganisation „Kirche<br />
in Not“ den gemeinsamen orthodoxkatholischen<br />
Rundfunksender „Kirchlich-gesellschaftlicher<br />
Kanal“ gegründet<br />
und unterhält ihn. Er sendet von<br />
morgens 7 Uhr bis Mitternacht, ist<br />
leider nur in Moskau und dem Moskauer<br />
Umland zu empfangen. Er ist<br />
geteilt in „Radio Sofija“ (orthodox)<br />
und „Blagowest“ (Die gute Botschaft<br />
- katholisch). Alle Sendungen sind<br />
professionell gemacht, die Hörer können<br />
sich telefonisch ins Studio einschalten,<br />
Diskussionen entstehen und<br />
die Popularität des Senders wächst<br />
ständig. Allerdings sind die mitwirkenden<br />
orthodoxen Priester heftigen<br />
Anfeindungen ausgesetzt. Vorläufig<br />
hält der Patriarch noch seine schützende<br />
Hand über sie.<br />
Rußland steht wieder einmal an einer<br />
Wende. In diesem Land <strong>folgt</strong> eine<br />
„Perestrojka“ (Umbau) auf die andere,<br />
und in welcher Fasson es sich<br />
schließlich festigen wird, ist nicht<br />
vorhersagbar. Wichtig ist dabei für die<br />
christlichen Kirchen des Westens, jene<br />
schwierige Balance zwischen Mitgefühl<br />
und Hilfsbereitschaft einerseits<br />
und der Verantwortung für den Erhalt<br />
der eigenen Glaubensgemeinschaft,<br />
die ungestörte Entwicklung der neuen<br />
Kirchenstrukturen und last but not<br />
least für das Wohlergehen der eigenen<br />
Gläubigen zu halten. ¨<br />
214 DER FELS 7-8/1997