Fortsetzung folgt - Der Fels
Fortsetzung folgt - Der Fels
Fortsetzung folgt - Der Fels
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Glaubensgehorsam und Gewissenspflicht<br />
Bei der Frage der Schwangeren - Beratung geht es um mehr als nur einen Schein<br />
Von Jürgen Liminski<br />
ter zehn Prozent. Diese zehn Prozent<br />
der ratsuchenden Menschen könnten<br />
den Beratungsschein, der die Tötung<br />
des Kindes straffrei stellt - und im<br />
Denken der Menschen legalisiert -<br />
natürlich jederzeit bei anderen nichtkirchlichen<br />
Stellen bekommen. Wer<br />
eine katholische Beratung wünscht,<br />
wird - wie das Beispiel Fulda zeigt -<br />
diese mit oder ohne Schein suchen.<br />
Wer dann immer noch abtreiben will,<br />
kann den Schein jederzeit woanders<br />
bekommen. Es geht bei dieser Debatte<br />
also gar nicht so sehr um das Kind,<br />
sondern um das Verhältnis zwischen<br />
Kirche und Staat.<br />
Dieses Verhältnis ist in Deutschland<br />
gekennzeichnet durch eine zunehmende<br />
Instrumentalisierung der Kirche<br />
durch die Politik. Wer es schärfer formulieren<br />
wollte, könnte sagen, daß die<br />
Kirche in Deutschland sich durch<br />
mancherlei Zuwendung und Querverbindung<br />
heute in einer Art Geiselhaft<br />
der Politik befindet. Ein bedrückendes<br />
Beispiel ist der Kampf um das Lebensrecht<br />
der ungeborenen Kinder. Die<br />
Parteien in Deutschland gebrauchen<br />
die moralische Rückendeckung der<br />
Kirche als Alibi für ihre die Kultur des<br />
Todes fördernde Politik. Diese Alibi-<br />
Funktion hat auch nicht verhindern<br />
können, daß die Zahl der Abtreibungen<br />
in Deutschland nach Angaben des Statistischen<br />
Bundesamtes erheblich gestiegen<br />
ist und auch weiter steigt. Es<br />
gibt im Moment keine gesellschaftlich<br />
Die bittere Pille der Abtreibung oder<br />
wenn Menschen Forderungen stellen,<br />
so könnte man den Dialog in nebenstehender<br />
Karikatur aus einer amerikanischen<br />
Zeitschrift nennen : „Gott,<br />
warum hast Du uns keine Menschen<br />
geschickt, die Mittel gegen Aids,<br />
Krebs, Welthunger und all unsere sozialen<br />
Probleme erfinden können?“ -<br />
„Ich tat es“. - „Aber, wo, wo sind sie<br />
denn?“ - „Ihr habt sie abgetrieben.“<br />
relevante Institution in Deutschland,<br />
die dieser um sich greifenden Kultur<br />
des Todes geschlossen Widerstand leistet.<br />
Die Kirche könnte es. Sie könnte<br />
es auch ohne die Erteilung des<br />
Beratungsscheins, ja, sie gewänne<br />
dadurch sogar an Glaubwürdigkeit.<br />
Dagegen das Taktieren mancher<br />
Bischöfe. Statt dem Kaiser oder dem<br />
Kanzler zu geben, was des Kaisers ist<br />
und Gott, was Gottes ist, versuchen sie<br />
- wahrscheinlich mit viel gutem Willen<br />
- es allen recht zu machen. Aber<br />
was die Menschen in dieser Zeit der<br />
Orientierungslosigkeit brauchen, ist<br />
nicht die demokratische Weihe der<br />
Mehrheit, sondern der Glanz der<br />
Wahrheit. Wie viele ungeborene Kinder<br />
würden gerettet, wenn dieser<br />
Glanz deutlicher in Deutschland erstrahlte!<br />
Gewiß, es läßt sich nicht messen,<br />
sowenig wie sich messen lässt, ob<br />
mit Beratungsschein Kinder gerettet<br />
würden. Aber die Kirche würde Gott<br />
gehorchen. Sie wäre freier, sie wäre<br />
wahrhaftiger. Sie wäre auch für junge<br />
Menschen interessanter.<br />
Viele Katholiken setzen in dieser<br />
Situation ihre Hoffnung auf Rom. Es<br />
sind gewiß nicht die offiziellen Katholiken.<br />
Etliche Funktionäre des katholischen<br />
Establishments erdreisten sich<br />
sogar, Rom zu erpressen oder mit Ungehorsam<br />
zu drohen. Das ist nichts<br />
Neues, schon garnicht für die Deutschen.<br />
Es hat immer die Versuchung<br />
gegeben, eine germanische Kirche zu<br />
formieren, nicht erst unter den Zeitgenossen<br />
und in den Jahrzehnten des<br />
Mainzer Sozialbischofs. <strong>Der</strong> anti-römische<br />
Affekt ist alt und wo zwei oder<br />
drei Deutsche im Namen des offiziellen<br />
Katholizismus versammelt sind, da<br />
ist dieser Affekt mitten unter ihnen.<br />
Die Ausführungen des ZdK zur Frage<br />
des Beratungssystems und des Besuchs<br />
der deutschen Bischöfe in Rom<br />
Ende Mai zeigen, wie Gabriele Gräfin<br />
Plettenberg schreibt, „deutlich selbstzerstörerische<br />
Züge“. In der Tat: Eine<br />
Kirche, die auf Rom nicht mehr hört,<br />
geht den Weg in die historische Bedeutungslosigkeit,<br />
mithin in die Selbstzerstörung.<br />
<strong>Der</strong> basisdemokratische Ruf „Wir<br />
sind Kirche“ ist relativ alt. Auf den<br />
einzelnen bezogen entspricht er der<br />
Berufung auf das Gewissen. Auch das<br />
ist bekannt. Als ein Mönch vor knapp<br />
fünfhundert Jahren diese Gewissenpflicht<br />
als oberste Instanz für sich re-<br />
DER FELS 7-8/1997 227