Fortsetzung folgt - Der Fels
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die Mängel ausfindig machen, die zur<br />
Abweisung von der Weihe führen.<br />
– In der Gegenwart ist, wie oben angedeutet,<br />
in den allermeisten deutschen Diözesen<br />
eine theologische Richtung herrschend<br />
geworden, die den Wert und die<br />
Tauglichkeit von Personen für den kirchlichen<br />
Dienst hauptsächlich nach Kriterien<br />
wie Fortschrittlichkeit, Aufgeschlossenheit,<br />
Veränderungsbereitschaft, was<br />
immer darunter zu verstehen sein mag,<br />
bemißt. Gegenüber diesen Beurteilungsmaßstäben<br />
treten Gesichtspunkte wie<br />
Gläubigkeit, Kirchlichkeit und Frömmigkeit<br />
in den Hintergrund.<br />
Mag diese Wertungstafel auch vorwiegend<br />
von Theologen und Seminarvorgesetzten<br />
aufgestellt und angewandt<br />
werden, so haben sich doch zahlreiche<br />
Bischöfe davon beeindruckt gezeigt und<br />
sie regelmäßig übernommen.<br />
Wenn diese Sichtweise dazu führt,<br />
daß nach richtiger Einschätzung geeignete<br />
Alumnen vom Priestertum ferngehalten<br />
werden, ist es Sache der Kongregation<br />
für den Gottesdienst und die Sakramente,<br />
korrigierend einzugreifen. Sie<br />
kann nicht untätig zusehen, wie der Kirche<br />
Berufungen verlorengehen.<br />
Christentum in Selbstzerstörung<br />
Auf den Kongreß „Reformation heute“,<br />
bei dem am 26.10.1996 in Wittenberg in<br />
Erinnerung an Luthers Thesenanschlag<br />
von 1517 wiederum 95 Thesen an die<br />
Schloßkirche angeschlagen wurden -<br />
diesmal von Kreisen der „Bekennenden<br />
Gemeinschaften“ und zur Erneuerung<br />
der „verweltlichten Kirche der Reformation“<br />
-, wurde in Nr.3/1997, S. 91 schon<br />
kurz hingewiesen. Unter dem Titel „Ruf<br />
zur Umkehr“ wurden nun die 95 Thesen,<br />
die Referate des Kongresses und die Ansprachen<br />
beim Thesenanschlag in Buchform<br />
veröffentlicht ( Stephanus Edition,<br />
Uhldingen 1997, 208 Seiten). Aus dem<br />
Vortrag „Die Selbstzerstörung des Christentums<br />
überwinden“ des Bremer evangelisch-lutherischen<br />
Pastors Prof. Dr. Dr.<br />
Georg Huntemann (S.145 ff) entnehmen<br />
wir das folgende Zustandsbild des - laut<br />
Huntemann - in Selbstzerstörung befindlichen<br />
Christentums in den Evangelischen<br />
Landeskirchen.<br />
Selbstzerstörung des Christentums<br />
beginnt mit dem Ungehorsam gegenüber<br />
dem Worte Gottes. Ein bedeutender<br />
Kirchenmann schrieb unlängst in aller<br />
Offenheit über die Bedeutung der Bibel<br />
im evangelischen kirchlichen Christentum<br />
heute: „Aus einem Buch mit offenbarter<br />
Lehre wurde eine Bibliothek<br />
menschlicher Schriften mit zeitgebundenen,<br />
sich wandelnden und kontrastierenden<br />
Aussagen.“ Die Bibel sei für den<br />
nachdenklichen und mündigen Christen<br />
von heute eben zeitgebunden und widerspruchsvoll.<br />
Ich frage, warum liegt sie<br />
dann noch auf dem Altar? Warum berufen<br />
wir uns dann noch auf sie?<br />
Ein sehr bedeutender und aktueller<br />
Mann der Kirche, hoch angesehen, namens<br />
Günter Kegel, meint, daß das<br />
Schriftprinzip, nach dem die Kirche in<br />
allem, was sie lehrt, sich auf die Bibel<br />
berufen müsse, abgeschafft werden sollte.<br />
Er meint, damit entfalle der Zwang,<br />
zu einer Maskerade der Interpretation zu<br />
greifen (...).<br />
Und nun kommt das Schockierende:<br />
Würde man von der Unfehlbarkeit der<br />
Bibel ausgehen, so folgert dieser rheinische<br />
Theologe, dann wäre „die ganze<br />
akademische Theologenschaft eine einzige<br />
Bande von Irrlehrern“. Und wenn<br />
man heute konsequent aufgrund der Aussagen<br />
von Bibel und Bekenntnis Lehrzuchtverfahren<br />
durchführen würde, dann<br />
wurde dieses Verfahren „zum Gerichtsurteil<br />
über weite Teile der deutschen<br />
Theologieprofessorenschaft werden“.<br />
Das sagt ein in kirchlichen Kreisen hoch<br />
angesehener Theologe. Ich wiederhole,<br />
das habe nicht ich, das hat ein Mann der<br />
Kirche gesagt.<br />
Wenn wir das zusammenfassen, dann<br />
lebt also eine ganze „Bande“ von Theologen<br />
außerhalb der in den Landeskirchen<br />
geltenden Legalität, widerspricht<br />
den Inhalten der Bibel und den verpflichtenden<br />
kirchlichen Bekenntnissen und<br />
müßte eigentlich rechtens durch<br />
Lehrzuchtverfahren außer Amt gesetzt<br />
werden. Aber man tut es nicht. Es sind ja<br />
schon zu viele, was bleibt da noch übrig?<br />
Wer will da noch der Behauptung entgegentreten,<br />
daß dem Christentum in den<br />
Evangelischen Landeskirchen die<br />
Selbstzerstörung droht. Sollte es denn<br />
unmöglich sein, hier von einem Verrat<br />
des Christentums, eben von einer verratenen<br />
Religion zu reden? Ist in der Kirche<br />
alles möglich? Kann alles geglaubt,<br />
gepredigt, bekannt und auch getan werden?<br />
Werden keine Grenzen mehr gesetzt?<br />
Ist der Sozialstaat noch zu retten?<br />
Zehn Thesen zum notwendigen Umbau<br />
des Sozialstaates trägt Prof. Dr. Lothar<br />
Roos, Ordinarius für Christliche Gesellschaftslehre<br />
und Pastoralsoziologie an<br />
der Universität Bonn, in einem neuen<br />
Heft der Reihe „Kirche und Gesellschaft“<br />
unter dem Titel „<strong>Der</strong> Sozialstaat<br />
im Spannungsfeld zwischen Solidarität<br />
und Subsidiarität“ vor (Nr.240; Kath.<br />
Sozialwissenschaft1iche Zentralstelle,<br />
Brandenberger Str.33, D-41065 Mönchengladbach).<br />
Hier einige Auszüge aus<br />
dem Heft.<br />
Die gegenwärtige jüngere Generation<br />
ist in eine menschheitsgeschichtlich bisher<br />
unbekannte Wohlstandsgesellschaft<br />
hineingewachsen. <strong>Der</strong> revolutionäre<br />
Charakter dieses technisch-ökonomisch<br />
bedingten Befreiungsschubs ist ihr insofern<br />
wenig bewußt, als sie die vorausgehende<br />
Armutsgesellschaft ihrer Großeltern<br />
nicht mehr erlebt hat. Was in den<br />
beiden ersten Jahrhunderten der Industriegesellschaft<br />
einschließlich der<br />
Wiederaufbauzeit nach dem Zweiten<br />
Weltkrieg nur einer allmählich wachsenden<br />
Oberschicht zur Verfügung stand, ist<br />
jetzt quasi zum Allgemeingut geworden.<br />
Am Ende dieser Entwicklung hat und<br />
fordert jeder ein Recht auf kurze Arbeitszeit,<br />
gutes Einkommen, entsprechende<br />
Freizeit- und Urlaubsaktivitäten, auf einen<br />
umfassenden sozialen Schutz und<br />
eine krisensichere Gesellschaft. Man<br />
empfindet sich mehr und mehr frei von<br />
den Fesseln knapper wirtschaftlicher<br />
Ressourcen. Dabei verbreitete sich immer<br />
deutlicher die sozio-technische Illusion,<br />
eine reiche und sichere Gesellschaft<br />
sei eine Sache der politisch-gesellschaftlichen<br />
Superstrukturen in der Gestalt des<br />
Staates und der etablierten Wirtschaftsverbände,<br />
die ihre Leistungen erbringen,<br />
ohne daß man ein entsprechendes persönliches<br />
Ethos aufbringen muß(...)<br />
Auf einen kurzen Nenner gebracht: Es<br />
verbreitete sich allmählich eine „Vollkasko-Mentalität“,<br />
die eine „Rundumversorgung“<br />
in allen Lebenslagen für<br />
selbstverständlich hält. Wodurch der Sozialstaat<br />
dies kann, tritt bewußtseinsmäßig<br />
in den Hintergrund. <strong>Der</strong> Sozialstaat<br />
erscheint nach einem öfter zitierten<br />
Wort wie eine „Kuh, die im Himmel gefüttert<br />
und auf Erden gemolken wird“(...)<br />
<strong>Der</strong> Sozialstaat hat seine eigentliche<br />
Bewährungsprobe noch vor sich. Wir<br />
müssen jetzt lernen, ihn in einer eher<br />
stagnierenden Wirtschaft, bei sinkenden<br />
Realeinkommen und einem mit bisherigen<br />
Methoden nicht mehr ausgleichbaren<br />
Arbeitsmarkt umzubauen. Dies erfordert<br />
eine gewaltige geistige, ethische und<br />
politische Anstrengung (...).<br />
Negativ überlagert wird diese Entwicklung<br />
durch die zunehmende demographische<br />
Belastung des Solidarsystems.<br />
Die Geburtenlücke könnte übrigens<br />
bereits durch den Verzicht auf die<br />
derzeit registrierten „legalen“ Abtreibungen<br />
fast geschlossen werden (...).<br />
Die langfristig gravierendste Form der<br />
Entsolidarisierung in unserer Gesellschaft<br />
ist die faktische Kündigung der<br />
demographischen Solidarität zwischen<br />
den Generationen. Wenn es nicht gelingt,<br />
die fundamentale Solidargemeinschaft<br />
der Familie zu regenerieren, hat der Sozialstaat<br />
eine unsichere Zukunft (...).<br />
Bei der Diskussion um die Zukunft<br />
des Sozialstaates bzw. die Ursachen seiner<br />
Inanspruchnahme sollte man zumindest<br />
im kirchlichen Bereich den Mut haben,<br />
auf moralische Ursachen von Armut<br />
bzw. Leistungsmißbrauch hinzuweisen.<br />
232 DER FELS 7-8/1997