Kein Schweigen, das nicht endet - Verlagsgruppe Droemer Knaur
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die um Hilfe zu rufen schienen. Das aufgewühlte Wasser<br />
machte mir Angst. Doch dort lag meine Rettung.<br />
Reglos stand ich da und betrachtete den reißenden Fluss. Da<br />
keine unmittelbare Gefahr drohte, fand ich sofort gute Gründe,<br />
<strong>nicht</strong> hineinzuspringen. Meine Ängste nahmen vor meinem<br />
inneren Auge konkrete Form an. Diese Bäume, die durch<br />
<strong>das</strong> Wasser gewirbelt wurden, untertauchten und ein Stück<br />
weiter wieder hochschossen, ihre Hände zum Himmel reckten<br />
− <strong>das</strong> war ich. Ich sah vor mir, wie ich in den Schlammwogen<br />
ertrank. Meine Feigheit hielt mich davon ab zu handeln –<br />
und der Gedanke daran, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Wasser in ein paar Stunden<br />
zurückgegangen sein würde. <strong>Kein</strong> reißender Strom läge vor<br />
mir, sondern ein friedliches, ruhiges Gewässer. Wie müde ich<br />
war. Ich musste erst zu Kräften kommen. Jede Entschuldigung<br />
war mir recht, um den Moment hinauszuzögern, in dem ich in<br />
die reißende Strömung eintauchen musste. Und würden mich<br />
die Rebellen <strong>nicht</strong> viel eher finden vor dem Hintergrund des<br />
hellen Wassers, nun, da es längst dämmerte? Dann wäre alles<br />
umsonst gewesen. Tief in meinem Innersten war mir bewusst,<br />
<strong>das</strong>s all dies Ausflüchte waren. Wäre meine Mitgefangene bei<br />
mir gewesen, hätte ich wahrscheinlich <strong>nicht</strong> gezögert. Genau<br />
genommen waren die Baumstämme, die da im Strom trieben,<br />
sogar hervorragende Bojen, an denen ich mich festhalten<br />
konnte. Aber ich hatte Angst. Und meine Angst setzte sich<br />
zusammen aus lauter armseligen kleinen Ängsten. Angst, wieder<br />
nass zu werden, wo mir vom Laufen gerade warm geworden<br />
war. Angst, meinen Rucksack zu verlieren und mit ihm die<br />
mageren Vorräte, die ich besaß. Angst, von der Strömung davongerissen<br />
zu werden. Angst, allein zu sein. Angst vor einem<br />
vermeidbaren Tod.<br />
Als mir <strong>das</strong> klarwurde, erkannte ich voller Scham, was für<br />
ein armseliger, zweitklassiger Mensch ich immer noch war. Ich<br />
hatte noch <strong>nicht</strong> genug gelitten, um bis zum Letzten um meine<br />
Freiheit zu kämpfen. Ich war ein Hund, der trotz aller Schläge<br />
immer noch auf einen Knochen wartete.<br />
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