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Kein Schweigen, das nicht endet - Verlagsgruppe Droemer Knaur

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Er schlenderte auf den Käfig zu und sprang mit einer geschmeidigen<br />

Bewegung herein. Er packte <strong>das</strong> Ende meiner<br />

Kette, schlang es um einen Balken und machte die Kette mit<br />

einem riesigen Vorhängeschloss daran fest. Dann ging er ohne<br />

ein Wort wieder hinaus.<br />

Es war offensichtlich, <strong>das</strong>s diese Kette <strong>nicht</strong> nur eine Bürde<br />

und eine ständige Quelle der Unbequemlichkeit war, sondern<br />

vor allem ein beliebtes Werkzeug der Erniedrigung. Doch es<br />

war auch ein Eingeständnis ihrer Schwäche: Sie hatten Angst,<br />

es könnte mir gelingen zu fliehen. Für mich waren sie armselig<br />

mit ihren Gewehren und ihren Ketten − so viele Männer, um<br />

zwei wehrlose Frauen zu bewachen. Ihre Gewalt war feige,<br />

ihre Grausamkeit charakterlos. Sie wussten, <strong>das</strong>s sie damit<br />

durchkamen, weil es keine Zeugen gab und sie <strong>nicht</strong> dafür<br />

bestraft wurden. Ich dachte wieder an die Worte der jungen<br />

Guerillera. Davor hatte sie mich warnen wollen. Es war ihnen<br />

sogar befohlen worden, <strong>das</strong> hatte sie mir selbst gesagt.<br />

Wie konnte jemand einen solchen Befehl geben? Was ging<br />

im Kopf eines Mannes vor, wenn er so etwas von seinen Untergebenen<br />

verlangte? Der Urwald machte mich dumm. In<br />

dieser feindlichen Umgebung hatte ich einen großen Teil meiner<br />

Fähigkeiten eingebüßt. Es war geradezu überlebenswichtig<br />

für mich, wieder Zugang zu dieser Welt zu finden, mich in<br />

ihr zurechtzufinden – oder noch besser: mich wieder in meinem<br />

Innern, meiner Innenwelt zurechtzufinden.<br />

Ich war eine erwachsene Frau, ich trug den Kopf fest auf<br />

den Schultern. Würde mir <strong>das</strong> helfen, besser zu verstehen?<br />

Wahrscheinlich <strong>nicht</strong>. Es gab Befehle, die man in jedem Fall<br />

befolgen musste. Der Gruppendruck war beträchtlich. Nicht<br />

nur der unter den drei Männern. Sie hatten den Befehl bekommen,<br />

mich zurückzubringen und zu bestrafen. Und sie hatten<br />

versucht, sich in ihrer Brutalität gegenseitig zu übertrumpfen.<br />

Aber auch der Rest der Truppe stand unter Gruppendruck,<br />

jubelte gewiss, wenn die drei ihre Rücksichtslosigkeit unter<br />

Beweis stellten. Es waren <strong>nicht</strong> die Männer als solche, sondern<br />

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