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Kein Schweigen, das nicht endet - Verlagsgruppe Droemer Knaur

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mein Körper <strong>das</strong> Ziel ihrer Gewalt war, und ich hörte ihre<br />

Stimmen um mich herum, laut und hallend wie in einem Tunnel.<br />

Ich spürte, <strong>das</strong>s ich angegriffen, umhergeworfen wurde, als<br />

würde ich von einem Schnellzug überrollt. Ich glaube <strong>nicht</strong>,<br />

<strong>das</strong>s ich <strong>das</strong> Bewusstsein verlor, aber obgleich ich vermutlich<br />

die Augen weit geöffnet hatte, verhinderten die Schläge, die<br />

ich bekommen hatte, <strong>das</strong>s ich etwas sah. Für eine kurze Ewigkeit<br />

blieben mein Körper und mein Herz kalt und starr wie<br />

Eis.<br />

Als es mir schließlich gelang, mich aufzusetzen, hatte ich die<br />

Kette um den Hals, und der Mann zog ruckartig daran, um<br />

mich dazu zu bringen, ihm zu folgen. Er hatte Schaum vor<br />

dem Mund, als er mich anschrie. Der Weg zum Lager kam mir<br />

unendlich lang vor unter der Last meiner Erniedrigung und<br />

ihres Hohnes. Einer vor mir, die anderen beiden hinter mir,<br />

unterhielten sie sich laut und sonnten sich in ihrem Sieg. Mir<br />

war <strong>nicht</strong> nach Weinen zumute. Es war kein Stolz. Es war nur<br />

die Verachtung, die notwendig war, um zu verhindern, <strong>das</strong>s die<br />

Grausamkeit dieser Männer und <strong>das</strong> Vergnügen, <strong>das</strong> sie daraus<br />

zogen, mein innerstes Wesen, meine Seele verletzten.<br />

Mit jedem Schritt dieses endlosen Marsches spürte ich, wie<br />

ich stärker wurde, weil ich mir meiner extremen Zerbrechlichkeit<br />

bewusst geworden war. Jeder erdenklichen Beleidigung<br />

ausgesetzt, gezwungen, an einer Leine zu gehen wie ein Tier,<br />

unter den Siegesschreien der restlichen Truppen durch <strong>das</strong> gesamte<br />

Lager geführt, Objekt der niedrigsten Instinkte von<br />

Misshandlung und Erniedrigung − ich hatte soeben <strong>das</strong><br />

Schlimmste durchgemacht.<br />

Doch ich lebte noch, und ich besaß eine neue Klarheit. Ich<br />

wusste, <strong>das</strong>s ich in gewisser Weise mehr gewonnen als verloren<br />

hatte, denn es war ihnen <strong>nicht</strong> gelungen, aus mir ein nach Rache<br />

dürstendes Ungeheuer zu machen. Was den Rest betraf,<br />

war ich <strong>nicht</strong> so sicher, und ich lauschte in meinem Innern sehr<br />

aufmerksam auf jegliche Anzeichen von Schmerz, die darauf<br />

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