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Kein Schweigen, das nicht endet - Verlagsgruppe Droemer Knaur

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wesenden dazu angehalten waren, jede antirevolutionäre Verhaltensweise<br />

zu denunzieren, die ihnen aufgefallen war. Wer<br />

<strong>das</strong> <strong>nicht</strong> tat, riskierte, als Komplize vor dem Kriegsgericht zu<br />

landen und erschossen zu werden.<br />

Man hatte den Guerilleros gesagt, <strong>das</strong>s ich bei den kolumbianischen<br />

Präsidentschaftswahlen kandidiert hatte. Damit<br />

gehörte ich zu der Gruppe politischer Geiseln, deren Verbrechen<br />

nach Ansicht der FARC darin bestand, <strong>das</strong>s sie Gesetze<br />

zur Fortführung des Krieges gegen die FARC erlassen hatten.<br />

Dadurch hatten wir Politiker natürlich einen üblen Ruf, es<br />

hieß, wir wären alle Parasiten, nur darauf aus, uns durch Ausbeutung<br />

des Volkes zu bereichern, und wir würden den Krieg<br />

künstlich verlängern, um finanziell davon zu profitieren. Die<br />

meisten der jungen Rebellen verstanden <strong>nicht</strong> einmal genau,<br />

was <strong>das</strong> Wort »Politik« überhaupt bedeutete. Ihnen wurde<br />

eingeimpft, Politik bestünde darin, die einfachen Leute mit<br />

hübschen Reden einzuwickeln, sich von ihnen wählen zu lassen<br />

und sich dann an ihnen zu bereichern, indem man ihre<br />

mühsam bezahlten Steuern stahl.<br />

Das Problem an dieser Erklärung war, <strong>das</strong>s sie zu einem<br />

großen Teil stimmte. Und obendrein war ich aus genau diesem<br />

Grund in die Politik gegangen − in der Hoffnung, diese Machenschaften<br />

wenigstens ans Tageslicht zu bringen, wenn ich<br />

vielleicht auch <strong>nicht</strong>s daran ändern konnte.<br />

Doch für sie war jeder, der <strong>nicht</strong> auf der Seite der FARC<br />

stand, der letzte Abschaum. Es wäre zwecklos gewesen, hätte<br />

ich versucht, ihnen meinen Kampf und meine Ideale zu erklären,<br />

es interessierte sie einfach <strong>nicht</strong>. Als ich ihnen sagte, ich<br />

sei in die Politik gegangen, um gegen all <strong>das</strong> zu kämpfen, was<br />

ich verabscheute − Korruption, soziale Ungerechtigkeit und<br />

Krieg −, kam die unwiderlegbare Entgegnung: »Das sagt ihr<br />

alle.«<br />

Ich ging zum Käfig zurück, von meinen Ketten befreit, aber<br />

dafür belastet mit dieser Feindseligkeit, die immer stärker<br />

wurde. Da hörte ich zum ersten Mal <strong>das</strong> FARC-Lied, <strong>das</strong> sie<br />

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