Kein Schweigen, das nicht endet - Verlagsgruppe Droemer Knaur
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Als ich vor ihm kniete, sah ich plötzlich etwas Metallenes in<br />
seinen Händen aufblitzen. Als ich <strong>das</strong> Klirren einer Kette hörte,<br />
sprang ich auf und starrte ihm ins Gesicht. Die junge Frau,<br />
die die ganze Zeit an meiner Seite geblieben war, packte mich<br />
am Arm und zog mich mit sich. Doch der Kerl mit der Kette<br />
befahl ihr zu verschwinden. Mit einem Achselzucken ließ sie<br />
mich los und ging, ohne mich noch einmal anzusehen.<br />
Ich war angespannt und zugleich abwesend, <strong>das</strong> Blut pochte<br />
in meinen Schläfen. Wir waren ein paar Meter weitergegangen.<br />
Der starke Regen hatte den Wasserspiegel ansteigen lassen,<br />
und <strong>das</strong> Ufergebiet war jetzt ein Teich, aus dem Bäume ragten,<br />
als hätten sie keine Lust, sich einen trockeneren Platz zu suchen.<br />
Ein Stück weiter, jenseits der stillen Wasseroberfläche,<br />
verrieten die bebenden Büsche die Gewalt des Flusses.<br />
Die Männer umkreisten mich unter wüstem Geschimpfe.<br />
Die Kette klirrte unaufhörlich. Der Mann spielte damit, als<br />
wollte er sie zum Leben erwecken, als wäre sie eine Schlange.<br />
Ich wich jedem Blickkontakt aus, versuchte, mich dem Treiben<br />
innerlich zu entziehen, doch aus dem Augenwinkel sah<br />
ich Gesten und Bewegungen, die mir <strong>das</strong> Blut in den Adern<br />
gefrieren ließen.<br />
Ich war größer als sie, ich hielt den Kopf hoch erhoben, und<br />
mein ganzer Körper war starr vor Zorn. Ich wusste, ich konnte<br />
gegen sie <strong>nicht</strong>s ausrichten, aber ich wusste auch, <strong>das</strong>s sie<br />
sich dessen <strong>nicht</strong> so sicher waren. Sie fürchteten sich mehr als<br />
ich, <strong>das</strong> spürte ich, aber sie hatten den Hass auf ihrer Seite und<br />
den Gruppenzwang. Eine einzige Geste würde genügen, um<br />
<strong>das</strong> prekäre Machtverhältnis zu zerstören, in dem ich − noch −<br />
die Oberhand hatte.<br />
Ich hörte, wie der Mann mit der Kette mich ansprach. Er<br />
sagte meinen Namen, immer wieder, mit einer Vertrautheit,<br />
die beleidigend sein sollte. Ich hatte den Entschluss gefasst,<br />
mich von ihnen <strong>nicht</strong> verletzen zu lassen. Was immer auch<br />
geschehen mochte, sie würden <strong>nicht</strong> meinen innersten Wesenskern<br />
erreichen. An diesem Gedanken wollte ich mich fest-<br />
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