Kein Schweigen, das nicht endet - Verlagsgruppe Droemer Knaur
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läufig auf einem kleinen Zweig herum. Seine grausame Gleichgültigkeit<br />
war exakt kalkuliert. Er sah auf. Sein Blick wanderte<br />
über die Zelte, die seines im Halbkreis umstanden, und über<br />
seine Truppe, die davorsaß und uns neugierig beobachtete. Er<br />
betrachtete sie in aller Ruhe, einen nach dem anderen, wie bei<br />
einer Militärparade. »Und ich glaube meinen Männern«,<br />
schloss er nach einer kleinen Pause.<br />
Ich begann zu weinen, ohne jede Hemmung, unfähig, die<br />
Tränenflut zurückzuhalten − eine Reaktion, die mich selbst<br />
überraschte, und <strong>das</strong> umso mehr, als ich <strong>nicht</strong> einmal wusste,<br />
was der Auslöser war. Ich versuchte, der Tränen Herr zu werden,<br />
indem ich mir mit dem Ärmel, der ekelerregend nach Erbrochenem<br />
roch, über die Augen wischte und die Haarsträhnen<br />
zurückstrich, die auf meinen nassen Wangen klebten, doch<br />
es gelang mir <strong>nicht</strong>. Stattdessen überkamen mich zusätzlich<br />
noch Scham und Zorn über meine Unfähigkeit, mich zusammenzureißen.<br />
Ich fühlte mich erbärmlich, und <strong>das</strong> Wissen,<br />
<strong>das</strong>s ich beobachtet wurde, verstärkte meine Befangenheit<br />
noch. Der Gedanke zu gehen, gefesselt, wie ich war, <strong>das</strong> Lager<br />
zu durchqueren, zwang mich dazu, mich auf die Koordination<br />
meiner Bewegungen zu konzentrieren, und half mir, meine<br />
Gefühle wieder in den Griff zu kriegen.<br />
Als Andrés merkte, <strong>das</strong>s er <strong>nicht</strong> mehr unter meinem kritischen<br />
Blick stand, entspannte er sich und ließ seiner Bosheit<br />
freien Lauf. »Ich habe ein weiches Herz … Ich kann eine Frau<br />
<strong>nicht</strong> weinen sehen, erst recht <strong>nicht</strong> eine Gefangene. Unsere<br />
Regeln fordern, <strong>das</strong>s wir unsere Gefangenen rücksichtsvoll<br />
behandeln.« Er grinste, weil er wusste, <strong>das</strong>s sein Publikum<br />
gleich amüsiert sein würde. Mit einem Finger winkte er den<br />
Mann herbei, der mich so brutal misshandelt hatte. Mit stolzem<br />
Schritt kam er herbei, als wüsste er, <strong>das</strong>s ihm eine wichtige<br />
Aufgabe zugeteilt werden sollte. »Nehmen Sie ihr die Ketten<br />
ab, wir wollen ihr zeigen, wie rücksichtsvoll die FARC sein<br />
kann.«<br />
Es war mir unerträglich, die Hände dieses Mannes auf mei-<br />
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