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Kein Schweigen, das nicht endet - Verlagsgruppe Droemer Knaur

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sorgfältig zusammen und gab sie mir zurück, damit ich sie<br />

wieder in meinen Stiefel stecken konnte. Sie nickte befriedigt,<br />

dann sprach sie mit mir wie mit einem widerspenstigen Kind,<br />

dem sie Vernunft beibringen wollte. Ihre Worte waren ungewohnt.<br />

Sie benutzte <strong>nicht</strong> die befangene Sprache der Wachen,<br />

die ständig Angst hatten, <strong>das</strong>s einer ihrer Gefährten sie verriet.<br />

Sie blickte zum Fluss, und in ihre Worte mischte sich Bedauern,<br />

als spräche sie zu sich selbst.<br />

Sie gestand, <strong>das</strong>s sie selbst mehr als einmal darüber nachgedacht<br />

hatte zu fliehen, denselben Weg zu nehmen, den ich gewählt<br />

hatte.<br />

Da erzählte ich ihr von meinen Kindern, von meiner Sehnsucht,<br />

bei ihnen zu sein, von meinem verzweifelten Wunsch,<br />

nach Hause zu kommen. Sie sagte, sie habe auch einen kleinen<br />

Jungen, den sie bei ihrer Mutter zurückgelassen habe, obwohl<br />

er erst ein paar Monate alt sei. Sie biss sich auf die Unterlippe,<br />

und ihre dunklen Augen füllten sich mit Tränen. »Fliehen Sie<br />

mit mir«, schlug ich ihr vor. Da ergriff sie meine Hände, und<br />

ihr Gesichtsausdruck verhärtete sich wieder. »Sie würden uns<br />

finden und töten.« Ich flehte sie an, umklammerte ihre Hände,<br />

zwang sie, mich anzusehen. Doch sie weigerte sich strikt, entzog<br />

sich mir und griff nach ihrer Waffe. »Wenn sie sehen, <strong>das</strong>s<br />

ich mit Ihnen rede, bringen sie mich um. Sie sind <strong>nicht</strong> weit<br />

weg. Gehen Sie vor mir her, und passen Sie genau auf, was ich<br />

Ihnen sage.«<br />

Ich gehorchte, nahm meine Sachen und setzte mir den Rucksack<br />

auf. Sie ging direkt hinter mir und flüsterte mir leise zu:<br />

»Der Comandante hat uns befohlen, Sie zu misshandeln. Wenn<br />

die anderen hier sind, werden sie Sie anbrüllen, beleidigen und<br />

herumstoßen. Sie dürfen auf keinen Fall darauf reagieren. Sagen<br />

Sie <strong>nicht</strong>s. Sie wollen Sie bestrafen. Sie werden Sie wegbringen,<br />

und nur die Männer bleiben bei Ihnen. Wir Frauen<br />

haben den Befehl, ins Lager zurückzukehren. Haben Sie verstanden?«<br />

Ihre Worte hallten bedeutungslos in meinem Kopf wider. Es<br />

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