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Freiheits- und Schutzrechte der UN-Behindertenrechtskonvention ...

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10 Diakonie Texte 02.2013 Menschenbild, Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Krankheits begriff aus christlicher Sicht <strong>und</strong> Menschenrechtsansatz <strong>der</strong> <strong>UN</strong>-BRK<br />

das Recht auf Freiheit <strong>und</strong> Sicherheit ihrer Person genießen“. 14<br />

Gleichzeitig darf Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung gleichberechtigt<br />

mit an<strong>der</strong>en die Freiheit nicht rechtswidrig o<strong>der</strong> willkürlich entzogen<br />

werden <strong>und</strong> je<strong>der</strong> <strong>Freiheits</strong>entzug muss im Einklang mit<br />

dem Gesetz erfolgen. Allein das Vorliegen einer Behin<strong>der</strong>ung<br />

rechtfertigt in keinem Fall eine <strong>Freiheits</strong>entziehung. 15 In gleicher<br />

Weise will Deutschland mit <strong>der</strong> Ratifizierung <strong>der</strong> <strong>UN</strong>-Behin<strong>der</strong>tenrechtskonvention<br />

dafür Sorge tragen, dass je<strong>der</strong> Mensch<br />

mit Behin<strong>der</strong>ung gleichberechtigt mit an<strong>der</strong>en das Recht auf<br />

Achtung seiner körperlichen <strong>und</strong> seelischen Unversehrtheit hat. 16<br />

Die <strong>UN</strong>-Behin<strong>der</strong>tenrechtskonvention ist unter Mitarbeit von<br />

Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung entstanden, die von <strong>der</strong> seit den<br />

70er Jahren entwickelten Linie <strong>der</strong> emanzipatorischen Behin<strong>der</strong>tenpolitik<br />

geprägt sind. Dabei geht es um den Paradigmenwechsel<br />

vom Fürsorge-Ansatz hin zu einer Praxis <strong>der</strong> Selbstbestimmung<br />

<strong>und</strong> gesellschaftlichen Teilhabe behin<strong>der</strong>ter<br />

Menschen, die auf assistierte Autonomie, Barrierefreiheit <strong>und</strong><br />

gesellschaftliche Inklusion setzt.<br />

Die <strong>UN</strong>-Behin<strong>der</strong>tenrechtskonvention kodifiziert nicht nur<br />

gängige Auffassungen über die Menschenrechte behin<strong>der</strong>ter<br />

Menschen, son<strong>der</strong>n enthält eine Reihe von innovativen Elementen<br />

inhaltlicher wie institutioneller Natur. Ausgehend vom<br />

Erfahrungshorizont von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung, psychischen<br />

Erkrankungen o<strong>der</strong> Abhängigkeitserkrankungen werden<br />

in <strong>der</strong> <strong>UN</strong>-Behin<strong>der</strong>tenrechtskonvention wichtige Ansatzpunkte<br />

dafür formuliert, wie Autonomie, Diskriminierungsfreiheit o<strong>der</strong><br />

Partizipation präziser zu fassen <strong>und</strong> konkret umzusetzen sind.<br />

So stärkt die <strong>UN</strong>-BRK die universale Geltung <strong>der</strong> Menschenrechte,<br />

die bis vor kurzem nur aus <strong>der</strong> Sicht von nicht-behin<strong>der</strong>ten<br />

Menschen reklamiert wurden.<br />

Bis weit in die 70er Jahre des letzten Jahrh<strong>und</strong>erts wurde auch<br />

in <strong>der</strong> Fachwelt Behin<strong>der</strong>ung verstanden als ein indi viduelles<br />

Defizit, das die Person darin hin<strong>der</strong>te, eine frei gewählte Berufstätigkeit<br />

aufzunehmen, eine Familie zu gründen o<strong>der</strong> nach eigenen<br />

Vorstellungen selbstbestimmt in einem Gemeinwesen zu leben.<br />

Entsprechend waren die sozialen Hilfen <strong>und</strong> die gesetzlichen<br />

Ansprüche vollständig auf die Korrektur <strong>der</strong> individuellen Gegebenheiten<br />

ausgerichtet, dies entwe<strong>der</strong> durch medizinische o<strong>der</strong><br />

auch durch geeignete soziale <strong>und</strong> pädagogische Maßnahmen.<br />

Eine solche Ausrichtung findet sich nach wie vor in den sozialrechtlichen<br />

Bestimmungen, die zentral für die Verwirklichung<br />

von Teilhabeansprüchen von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung sind.<br />

14 Vergleiche Art. 14 Abs. 1a des Übereinkommens über die Rechte von<br />

Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen von 2006<br />

15 Vergleiche Art. 14 Abs. 1a des Übereinkommens über die Rechte von<br />

Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen von 2006<br />

16 Vergleiche Art. 17 des Übereinkommens über die Rechte von Menschen<br />

mit Behin<strong>der</strong>ungen von 2006<br />

Die institutionellen Strukturen spiegelten diese Strategie <strong>und</strong><br />

waren oft unter fachlichen Gesichtspunkten überregional<br />

zentralisiert, was für die betroffenen Menschen meist auch<br />

eine Lebenssituation fern <strong>der</strong> eigenen familiären <strong>und</strong> sozialen<br />

Beziehungen bedeutete. Die stationäre Unterbringung in Heimen,<br />

Internaten o<strong>der</strong> Langzeitkliniken war Standard. Die Psychiatrie-Enquete<br />

von 1975 führte zur Auflösung <strong>der</strong> zentralisierten<br />

großen Einheiten <strong>und</strong> zum Ausbau einer<br />

gemeindenahen Infrastruktur. Dieser Prozess ist bis heute<br />

noch nicht abgeschlossen.<br />

Die Sicht von Behin<strong>der</strong>ung als individuelles Problem hat ihre<br />

tiefgreifende gesellschaftliche F<strong>und</strong>ierung <strong>und</strong> das defizitorientierte<br />

Bild des Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung verstärkt. Die<br />

soziale Gemeinschaft formuliert eine Än<strong>der</strong>ungsabsicht an<br />

den Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung als persönliche Korrektur<br />

<strong>und</strong> Verbesserung. Wo dies nicht o<strong>der</strong> nicht umfassend<br />

gelingt, gilt die Behin<strong>der</strong>ung als schicksalshaft <strong>und</strong> wird auf<br />

einem niedrigen sozialen Niveau durch geeignete pfl egerische<br />

<strong>und</strong> an<strong>der</strong>e Unterstützungsmaßnahmen ausbalanciert.<br />

Entsprechend weisen die statistischen Kennzahlen die generelle<br />

Benachteiligung von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung in den<br />

sozialen Lebenslagen aus. 17<br />

Die <strong>UN</strong>-Konvention über die Rechte von Menschen mit<br />

Behin<strong>der</strong>ungen setzt dagegen ein ganz an<strong>der</strong>es Leitbild:<br />

Zwei Impulse sind hier von beson<strong>der</strong>er Relevanz. Erstens<br />

wird Verschiedenheit als ein beson<strong>der</strong>er Wert anerkannt –<br />

in Fortführung früherer Menschenrechtskonventionen <strong>der</strong><br />

Vereinten Nationen. Zweitens wird Behin<strong>der</strong>ung nicht mehr<br />

als ein Merkmal einer Person verstanden, son<strong>der</strong>n als die<br />

Wechselwirkung behin<strong>der</strong>n<strong>der</strong> Strukturen <strong>und</strong> Prozesse<br />

mit den körperlichen, seelischen o<strong>der</strong> geistigen Beson<strong>der</strong>heiten<br />

einer Person. Gr<strong>und</strong>sätzlich wird anerkannt, dass<br />

Menschen, unabhängig von ihren jeweiligen individuellen<br />

Unterschieden, die gleichen bürgerlichen Rechte haben.<br />

Wo dies faktisch nicht gegeben ist, ist diese Rechtssituation<br />

zu schaffen.<br />

Dies betrifft alle Lebensbereiche, beginnend beim Rechtsschutz<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> Unversehrtheit <strong>der</strong> Person, über die prinzipielle<br />

Geschäftsfähigkeit, die Bildung, Arbeit, Wohnen bis hin<br />

zur selbstbestimmten Gestaltung von Lebensstilen, Partner<strong>und</strong><br />

Elternschaften.<br />

17 Siehe: Pressemitteilung Nr. 406 vom 30.10.2008 „Lebenslagen von<br />

Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung“ des Statistischen B<strong>und</strong>esamtes; <strong>und</strong>: Mikrozensus<br />

2005: Lebenslagen <strong>der</strong> behin<strong>der</strong>ten Menschen. Statistisches<br />

B<strong>und</strong>esamt, Wiesbaden 2007

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