Freiheits- und Schutzrechte der UN-Behindertenrechtskonvention ...
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16 Diakonie Texte 02.2013 Aktuelle Rechtsfragen <strong>und</strong> Rechtspraxis<br />
Die beson<strong>der</strong>e Rolle von ehrenamtlichen<br />
Betreuerinnen <strong>und</strong> Betreuern<br />
Viele ehrenamtlichen Betreuerinnen <strong>und</strong> Betreuer, denen fachliche<br />
Kenntnisse oft fehlen, nutzen kaum die Fortbildungs<strong>und</strong><br />
Beratungsangebote, die ihnen in <strong>der</strong> Regel durch die<br />
Betreuungsvereine zur Verfügung gestellt werden. Dies resultiert<br />
häufi g aus einem Informationsdefi zit. Dabei sind oft<br />
we<strong>der</strong> die Fortbildungsangebote bekannt noch gibt es ein<br />
Bewusstsein über <strong>der</strong>en Erfor<strong>der</strong>nis.<br />
Eine weitere Schwierigkeit ergibt sich daraus, dass bei den<br />
Betreuerinnen <strong>und</strong> Betreuern, die Familienangehörige sind,<br />
das Verständnis <strong>der</strong> Rechtsinstitution „Betreuung“ eher<br />
durch die familiären Strukturen als durch die gesetzlichen<br />
Vorgaben geprägt ist. Dies führt häufig zu einer zwar wohlwollenden<br />
<strong>und</strong> beschützenden, aber nicht unbedingt auf die<br />
Selbstbestimmung des Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung fokussierten<br />
Haltung. Treffen diese Betreuerinnen <strong>und</strong> Betreuer<br />
Vom geschlossenen Wohnheim in eine<br />
Wohngemeinschaft<br />
Bei Frau M., 57 Jahre, wurde eine schizoaffektive Psychose<br />
diagnostiziert. In <strong>der</strong> Vorgeschichte lehnte sie eine<br />
ambulante Betreuung ab. Sie setzte alle Medikamente ab,<br />
verwahrloste extrem, lief dann über die Autobahn o<strong>der</strong><br />
stand nackt im Schnee. Es gab zahlreiche Psychiatrieaufenthalte<br />
(über 50), bis sie mit § 1906 Bürgerliches Gesetzbuch<br />
(BGB) in ein geschlossenes Wohnheim kam. Hier<br />
entwickelte sie sehr schnell gute Beziehungen zu den Mitarbeiterinnen,<br />
die dazu beitrugen, dass sie sich stabilisierte<br />
<strong>und</strong> neue Perspektiven entwickeln konnte. Sie<br />
konnte eine für sie angemessene Tagesstruktur entwickeln<br />
<strong>und</strong> nahm wie<strong>der</strong> alte Interessen auf. Bei <strong>der</strong> Entwicklung<br />
<strong>der</strong> Beziehung zu ihrer ebenfalls psychiatrieerfahrenen<br />
Tochter konnte das Team hilfreich mo<strong>der</strong>ieren, so dass<br />
Frau M. den Kontakt während <strong>der</strong> Schwangerschaft ihrer<br />
Tochter intensivierte <strong>und</strong> diese später als Großmutter<br />
unterstützen konnte. Frau M. wurde durch das Team des<br />
Wohnheims in <strong>der</strong> Wahrnehmung ihrer psychiatrischen<br />
Behandlungstermine begleitet. Sie wurde bei <strong>der</strong> Umstellung<br />
<strong>der</strong> Medikation <strong>und</strong> <strong>der</strong>en Reduzierung so unterstützt,<br />
dass keine sie beeinträchtigenden Nebenwirkungen<br />
mehr auftraten, sie aber die unterstützende Wirkung <strong>der</strong><br />
Medikation schätzen lernte. Frau M. zog nach einem Jahr<br />
in eine WG, wird dort aber vom Wohnheim-Team weiter<br />
betreut. Es gab keinen einzigen Klinikaufenthalt seit dem<br />
Einzug in das Wohnheim im Jahr 2004.<br />
dann noch auf eine nach wie vor vorhandene gesellschaftliche<br />
Haltung, die bei von <strong>der</strong> Norm abweichendem Verhalten<br />
schnell auf die Korrektur dieses Verhaltens mittels Zwang<br />
drängt, können sie diesen For<strong>der</strong>ungen aufgr<strong>und</strong> ungenügen<strong>der</strong><br />
fachlicher Hintergründe <strong>und</strong> daraus resultieren<strong>der</strong><br />
Unsicherheit wenig bis nichts entgegensetzen. Diese Gruppe<br />
<strong>der</strong> Betreuerinnen <strong>und</strong> Betreuer benötigt demnach vor allem<br />
rechtliche, sozialpsychologische <strong>und</strong> psychiatrische Kenntnisse,<br />
nicht zuletzt, um sich gegenüber Dritten abgrenzen zu<br />
können. Außerdem bedarf es <strong>der</strong> Fähigkeit zur Selbstreflexion,<br />
um gerade ihre eigene Haltung gegenüber dem Betreuten,<br />
wenn diese den Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> <strong>UN</strong>-Konvention entsprechen<br />
soll, zu hinterfragen.<br />
Bei den Betreuern eines Angehörigen muss zudem thematisiert<br />
werden, dass die oft von völlig unterschiedlichen Ansätzen<br />
ausgehenden Rollen des Betreuers <strong>und</strong> des Angehörigen von<br />
<strong>der</strong>selben Person auszufüllen sind. Nur wenn eine solche<br />
Betreuerin o<strong>der</strong> ein solcher Betreuer sich <strong>der</strong> verschiedenen<br />
Rollen <strong>und</strong> <strong>der</strong> sich aus diesen ergebenden Konsequenzen<br />
bewusst ist, wird sie o<strong>der</strong> er in <strong>der</strong> Lage sein, diese so auszufüllen,<br />
dass sie dem aus <strong>der</strong> subjektiven Sicht des Betreuten<br />
zu verstehenden Wohl entsprechen. Den Betreuungsvereinen,<br />
die die ehrenamtlichen Betreuerinnen <strong>und</strong> Betreuer<br />
begleiten sollen, kommt die Aufgabe zu, diese Unterstützung<br />
auszugestalten <strong>und</strong> entsprechende Qualifikationsangebote<br />
zu unterbreiten.<br />
Arbeitsüberlastung von professionellen<br />
Betreuerinnen <strong>und</strong> Betreuern<br />
Bei den professionellen Betreuerinnen <strong>und</strong> Betreuern ist die<br />
Ausgangslage an<strong>der</strong>s. Gleichwohl treffen viele <strong>der</strong> genannten<br />
Punkte auch hier zu. Qualifikationsmängel sind ebenso zu finden,<br />
da die Voraussetzungen für die Tätigkeit – also die Vorgaben<br />
des § 1897 BGB – dieselben sind wie bei den Ehrenamtlichen.<br />
Ein spezieller berufsqualifizieren<strong>der</strong> Abschluss ist<br />
nicht notwendig. 39<br />
Dazu kommt die Arbeitsüberlastung. 2006 führten in Vollzeit<br />
tätige Berufsbetreuer (freiberufliche, für Vereinsbetreuer gibt<br />
es die entsprechenden Zahlen nicht) im Schnitt 44 Betreuungen,<br />
bei einer Wochenarbeitszeit von 38 St<strong>und</strong>en hatte <strong>der</strong><br />
Betreuer damit 0,86 St<strong>und</strong>en pro Woche Zeit für einen Betreuten<br />
– es sei denn, er arbeitete mehr (das haben die meisten<br />
39 Darüber, ob ein solcher Abschluss sinnvoll wäre o<strong>der</strong> nicht, wird in<br />
<strong>der</strong> Fachöffentlichkeit kontrovers diskutiert. Als Beispiele seien genannt:<br />
Contra – Interdisziplinäre Arbeitsgruppe zum Betreuungsrecht, a.a.O.,<br />
S. C 34, Pro – Oeschger, Editoral Bt-Prax, in: Bt-Prax 6/2011, S. 225